Vermisstenanzeige – 50. Geburtstag der Berliner Symphoniker ohne Berliner Senat

Bernhard Wyszynski und Musiker in der Berliner Philharmonie. © Andreas Hagemoser, 2016

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Es war eine gelungene Festveranstaltung! Und die Gäste des Jubiläumkonzerts der Berliner Symphoniker am Sonntag im vollbesetzten großen Saal der Philharmonie dankten »ihrem Orchester« mit lang anhaltendem Beifall. Vermisst wurden Vertreter des Senats von Berlin. Weder Regierender Bürgermeister noch Senatoren, nicht der Kulturstaatssekretär noch Beamte waren der Einladung gefolgt, und auch die Berliner Landesvorsitzenden der Parteien zeigten kein Interesse. Der eine oder andere Besucher wird wohl genau hinsehen, ob die bevorstehende rot-rot-grüne Koalition einen neuen Regierungsstil pflegen wird oder nicht.

Intendant Jochen Thärichen erinnerte in seiner Ansprache daran, dass das Orchester im Jahre 1966 mit Unterstützung des Senats gegründet wurde, um Arbeitsplätze für Musiker zu schaffen, die nach dem Bau der Mauer nicht mehr in ihren Orchestern im Ostteil der Stadt arbeiten konnten oder wollten. Und es begann eine Erfolgsgeschichte: Die Berliner Symphoniker gaben jedes Jahr 21 bis 24 Konzerte in Berlin und unternahmen Konzertreisen in viele Länder Europas, in die USA, nach Lateinamerika, nach Japan, China, Korea und Vietnam. Ihr Markenzeichen war das »Klingende Klassenzimmer«. Die Musiker besuchten regelmäßig Schulklassen, stellten ihre Instrumente vor und machten Lust auf Musikhören und Spielen. Heute heißt so etwas Education-Programm und funktioniert nur mit einem zahlungskräftigen Sponsor.

Die Erfolge der Berliner Symphoniker hingegen sollten – wie Thärichen sagte – »2004 durch die Streichung der Zuwendungen durch den damaligen SPD/PDS-Senat beendet werden«. Doch die Symphoniker wären nicht, wie vom Senat gewünscht, untergegangen, sondern lebten weiter dank der Anstrengungen des Trägervereins, der Abonnenten und Geschäftspartner und selbstverständlich durch den Einsatz der Musiker und ihres Chefdirigenten Lior Shambadal. Auch heute ist das Orchester ein Magnet für junge, bestens ausgebildete Musiker, die darauf brennen, in einem großen Orchester spielen zu können.

Das Orchester muss sich aus den Einnahmen im Ausland finanzieren, um in Berlin jährlich wenigstens sechs Konzerte und ein Silvesterkonzert spielen zu können. Saalmiete, Noten, Transport, Werbung und Verwaltung müssen bezahlt werden. Der Verfasser erinnert sich, dass die Japantournee 2007 beinahe geplatzt wäre, weil die Industrie-und Handelskammer für die Abstempelung der Zollpapiere plötzlich eine Bankbürgschaft von 200 000 Euro verlangte, denn die Deckung der Risiken durch die Zuschüsse des Senats war ja weg. Schwer zu verantworten ist es nach wie vor, dass die Musiker nicht nach Tarif bezahlt werden können, der in deutschen Konzert- und Opernorchestern Standard ist. Das rechtfertigt Ansprüche an die regierenden Parteien.

Thärichen: »Vielleicht wollen ja auch die beiden Parteien, die nun bald die Regierung in Berlin mit bilden werden, ihren Fehler korrigieren und das Orchester wieder in die Förderung aufnehmen! Wer weiß, vielleicht geschehen noch Zeichen und Wunder. (Zustimmung im Saal. Zwischenrufe: »Das glaube ich nicht!«) Für eine Förderung gäbe es gute Gründe, denn die Berliner Symphoniker sind nicht nur in Berlin präsent, sondern auch ein Botschafter für Berlin im Ausland.«

Und dann zeigten die Musiker, was sie können. Die hohen spieltechnischen Anforderungen und den gewaltigen Orchesterapparat der Suite »Die Planeten« von Gustav Holst, ausgestattet mit 20 Holzbläsern, 15 Blechbläsern, 6 Pauken, Harfe, Celesta, Streichern und Chor, meisterten sie eindrucksvoll. Wie gewohnt stellte Lior Shambadal ausgezeichnete junge Sänger und Solisten vor, mit Arien von Verdi, Cilea und Gounod sowie mit dem Krakowiak für Klavier und Orchester von Frederik Chopin und der Introduktion und Rondo capriccioso für Violine und Orchester von Camille Saint-Saens. Schließlich versetzte der Bolero von Maurice Ravel das Publikum in Hochstimmung.

Das letzte Wort hatte Lior Shambadal: »Das nächste Jubiläum ist in zehn Jahren, wieder hier, in der Philharmonie. Kommen Sie wieder!«

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