Union als Hoffnungsschimmer während der Chemo

Tim Baumgartl im Einsatz für Union Berlin gegen Wölfe vom Mittellandkanal. © 1. FC Union Berlin e.V., BU: Stefan Pribnow, Aufnahme: Berlin, 18.9.2022

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die Eisernen vom 1. FC Union Berlin e.V. atmen heute erst einmal durch. Nach dem 2:0-Sieg über den VfB Wolfsburg grüßen sie jetzt während der Länderspielpause von der Bundesliga-Tabellenspitze.

Mein Nachbar im Block C der „Alten Försterei“ besucht seit 1976 fast alle Union-Spiele und staunt: „Ich muss mich jeden Morgen zwicken, wenn ich die Bundesliga-Tabelle betrachte.“ Er dürfte nicht der einzige Union-Fan sein, der aus dem Staunen nicht heraus kommt.

Ausgerechnet Wolfburgs aus Berlin stammender Trainer Nico Kovac sagt, warum er die Wuhlheider an der Tabellenspitze sieht: „Fußball ist Leidenschaft, Wille und Kampfgeist. Fußball ist auch harte Arbeit und das haben die Unioner verstanden.“

Genau in diesem Umfeld blühte auch ein Spieler wie der gebürtige Böblinger Timo Baumgartl wieder auf. 154 Tagen vor seinem Auftritt gegen Wolfsburg hatten dem heute 26 Jahre alten Abwehrspieler die Ärzte die Diagnose Hodenkrebs mitgeteilt. Am Sonntag berief Unions unglaublich einfühlsamer Trainer Urs Fischer den blonden Recken in die Startelf. „Ich habe gesehen, wie Timos Augen strahlten, als ich ihm meine Entscheidung mitgeteilt habe“, sagte der sonst so coole Schweizer ziemlich bewegt.

In der 33. Minute sorgte Baumgartl nach einer Ecke fast für Torjubel, als er den Ball nach einer Ecke gefährlich auf die Wolfsburger Kiste zirkelte. Doch VfB-Schlussmann Casteels hielt. In der 54. Minute durfte Baumgartl über das 1:0 der Unioner durch Jordan Siebatcheu jubeln.

Acht Minuten später schickte Trainer Fischer dann Paul Jaeckel für Timo Baumgartl auf den Rasen. „Spiel ist doch noch etwas anders als Training. Ich habe gearbeitet und hart trainiert. Es lief gut mit dem Ball und gegen den Ball, aber ich benötige für die Topform weitere Spielpraxis“, gab Baumgartl mit einem Lächeln gegenüber den Journalisten nach der Sonntag-Begegnung zu.

Die Gelegenheit dazu wird Baumgartl als Sohne der früheren Handball-Nationalspielerin Michaela Baumgartl sicher im Oktober erneut erhalten, wenn in nur sechs Wochen 13 Spiele zu absolvieren sind. Allein ab dem 13. Oktober laufen die Eisernen in der Alten Försterei innerhalb von sechs Tagen in drei verschiedenen Wettbewerben auf. Am 13. Oktober müssen die Eisernen in der Euro League gegen Malmö ran, in der Bundesliga am 16. Oktober gegen Dortmund und am 19. Oktober im DFB-Pokal gegen Heidenheim.

Timo Baumgartl freut sich auf die Mühen, wenn er sagt: „Das Spiel gegen Wolfsburg und alle anderen Spiele in den nächsten Wochen habe ich mir in den letzten Monaten während der Chemo immer erträumt. Es war mein hoffnungsvoller Lichtblick in der Zeit. Das ist auch wichtig für alle Menschen, die gegen den Krebs kämpfen. Wenn man die Hoffnung nicht aufgibt, kann man das schaffen.“

Die Worte des 26 Jahre alten Baumgartl bestätigt auch das Beispiel des Herthaners Marco Richter, der nach seiner Heilung vom Krebs schon wieder fleißig für die Blau-Weißen auf Torjagd geht.

Vorheriger ArtikelGlosse: Uschi (mach kein Quatsch) und Ungarn
Nächster ArtikelAnleger und Absahner oder Dreckige Deals beim Porsche-Börsengang?