Dabei ist der Belgier wohl der sprachbegabteste Auswahltrainer, den die Deutschen je gehabt haben. Vier Mundarten mindestens gehen ihm fließend von der Zunge – französisch, englisch, niederländisch und deutsch!
Bei Amtsantritt für den Deutschen Volleyball-Verband 2012 hatte der 150-fache belgische Nationalspieler, Trainer des Jahres in Belgien, Beachvolleyball-Coach, Technischer Direktor in Tilburg/Niederlande, seine Zusage damit begründet, dass er „überzeugt von den Möglichkeiten der deutschen Volleyballer ist“. In zwei bis drei Jahren wolle er mit den neuen Schützlingen auf dem Treppchen stehen.
Nun ist es jetzt schon – in der Mitte einen olympischen Vierjahres-Abschnitts – dazu gekommen mit einem Resultat sporthistorischen Zuschnitts bei der 18. WM in Polen!
Trainer Heynen hat den Nerv getroffen
Seine Neujahrsverkündigung vom Januar „Wir wollen bei der WM in Polen um eine Medaille kämpfen“ hielten Kritiker für verfrüht. Bei Olympia 2012 in London war die Mannschaft wie ein Jahre später bei der EM in Viertelfinale hängen geblieben. Rang sechs in Europa – dazu die Weltklasseteams aus Brasilien, Kuba, USA -, das schien eine allzu kühne WM-Prognose.
Doch der dreifache Familienvater hielt an seiner Überzeugung fest. Er beschwor bei jedweder Gelegenheit die Möglichkeit des Medaillengewinns. Die Mannschaft müsse nur „daran glauben. Nur dann ist der Medaillenrang zu schaffen“.
Damit hatte er einen Nerv innerhalb des Kaders getroffen, von denen zwölf der 14 WM-Starter im Ausland als Profis unter Vertrag stehen. Die Meistertitel in Deutschland, Polen oder Russland und sogar die europäische Königsklasse Champions League und die Klub-WM gewonnen haben. Deren Sehnsucht nach einer „großen Medaille“ und entsprechendem Karriere-Glanzpunkt aber bislang unerfüllt blieb.
Keiner hat diesem kollektiven Verlangen deutlicher Ausdruck verliehen, als Diagonal- und damit Hauptangreifer Georg Grozer. „Ich habe nicht mehr viele Gelegenheiten, mir diesen Traum zu erfüllen. Diese WM und dann noch bei den Olympischen Spielen 2016“, erklärte Grozer Junior. Im November wird er 30. Und der Sohn von Grozer Senior, der aus Ungarn nach Deutschland kam und in der Bundesliga und dann im schwarzrotgoldenem Dress das Label „Hammer-Schorsch“ wegen seiner urgewaltigen Schmetterschläge verliehen bekam, hat seiner Familie, seiner polnischen Frau und den zwei Töchtern versprochen, sich nach 2016 aus der deutschen Nationalmannschaft zurückzuziehen.
Heynen ergänzte die verbale Stärkung des Selbstbewusstseins durch visuelle. Hängte im Bundesleistungszentrum Kienbaum bei Berlin, wo sich die Crew fast zwei Monate auf die dreiwöchige Endlos-WM präparierte, überall Blätter mit Medaillen hin”¦immer daran denken, was wir erreichen wollen!
Diese mentale Unterfütterung der knüppelharten physischen Vorbereitung – u.a. an drei Tagen Testspiele gegen Australien mit insgesamt 13 Sätzen – war die Grundlage, dass die Deutschen auch bei vorhersehbaren WM-Niederlagen nie das große Ziel aus den Augen verloren.
Der Fokus auf die Medaille blieb ungeachtet der Niederlagen gegen Brasilien, Russland, Frankreich sowie im Halbfinale gegen den dann im Endspiel gegen den vorher dreimaligen Titelträger Brasilien siegreichen Gastgeber Polen.
Losglück half in der Vorschlussrunde
Dass dies gelang und das deutsche Aufgebot, vor der WM Weltranglistenzehnter, letztlich vor Frankreich (4.) und Russland (5.) landete, ist in erheblichem Maße Heynens Regie zu verdanken. Ließ er zunächst seine Stammformation fast unverändert, nahm er bei zunehmendem Kräfteverschleiß auf fast allen Positionen Wechsel vor. Wobei Lukas Kampa (als bester WM-Zuspieler geehrt), Außenangreifer Denis Kaliberda, Marcus Böhme (Auszeichnung bester Mittelblocker) und Georg Grozer die wenigsten Auszeiten bekamen und die Hauptlast im Turnier trugen. So war die Mannschaft im kleinen Finale gegen die Franzosen noch frisch genug, um nach dem 0:3 in der Sechser-Vorschlussrunde ein 3:0 gegen den müden Gegner zu machen. Wobei das Glück, das in solch einem umkämpften globalen Wettbewerb vonnöten ist, den Deutschen vor dem Semifinale half. Statt gegen Polen, Brasilien und Russland, hatten sie „nur“ gegen die Überraschungsmannschaft aus dem Iran und eben die Franzosen anzutreten.
Als der Einzug unter die besten Sechs gelungen war, wertete Heynen das als eine „Super-WM“ aus seiner Sicht. Weil damit der Sprung unter die besten Vier Europas gelungen war. Aber vom „größten Erfolg“ seiner Arbeit als Trainer würde er erst reden, wenn am Ende eine Medaille winken würde”¦der Chef und seine Schützlinge auf einer Wellenlänge!
Die Euphorie über den WM-Coup trübte aber nicht den Blick für die Realitäten. „Hammer-Schorsch“ Georg Grozer ganz nüchtern auf die Frage, ob dieser großartige WM-Auftritt dem Volleyball in Deutschland einen allgemeinen Schub geben würde: „Das glaube ich eher nicht. So hat sich ja nach der Heim-WM der Handballer 2007 im Prinzip im Alltag auch nichts verändert.“
ARD/ZDF, wegen der Zwangsgebühren eigentlich für die informelle Grundversorgung zuständig, sowie der zunächst interessierte Spartensender Sport 1 waren nicht in der Lage, eine Übertragung zumindest von der WM-Finalrunde zu gewährleisten.