Und immer lockt B.B. – Ein Sonntagabend mit Brigitte Bardot auf ARTE

Und da waren die oben ausgeführten Adjektive die erfolgversprechenden. Mit einem Wort: Brigitte Bardot war eben auch die gegensätzliche Antwort auf eine solche latent gestellte Frage. Und nicht ihre Sexsymboleigenschaft war es, die ihr einen Namen machte, sondern ihre Inszenierung als selbstbestimmte und selbstbewußte junge Frau. Und dazu gehörte dann auch das gewollte unabsichtlich Herabfallen eines Büstenhalterträgers, weil ihr wirkliches Geheimnis immer darin bestand, mehr anzudeuten, stärker die Phantasie der Zuschauer miteinzubeziehen, sie also imaginieren zu lassen, was sich unter dem Rest der Kleidung befindet, als sich einfach nackert zu zeigen. Das nämlich ist auf Dauer langweilig. Brigitte Bardot aber bleibt noch heute spannend, sie, die in diesem Jahr 75 Jahre alt wurde.

Das kann man also am Sonntagabend zweimal nachvollziehen. Um 20.15 Uhr spielt sie im Film „Privatleben“ aus dem Jahr 1962 die junge Jill und um 21.55 folgt als Porträt der Schauspielerin „Brigitte Bardot, die Unzähmbare“. Den Film drehte Louis Malle – heute schon eine Regielegende. Denn mit seinem Spielfilmdebüt „Fahrstuhl zum Schafott“ legte er 1957 die Grundlage zur Nouvelle Vague des französischen Films. Deshalb hatte ihm ARTE am 24. September 2006 einen Themenabend gewidmet, der ebenfalls mit „Privatleben“ begann, einem Film, in dem Louis Malle auch das Buch schrieb. Heute aber geht es um die Hauptdarstellerin Jill, die wohlbehütet mit ihrer Mutter in Genf am schönen Genfer See lebt, dann, weil ihr Schwarm, der Regisseur Fabio, sie überhaupt nicht beachtet, zum Tanzen mit Partner nach Paris flieht, wo sie als Fotomodell für Modeaufnahmen Furore macht, deshalb vom Film entdeckt wird und sofort ein gefeierter Star wird.

Wie im richtigen Leben also. Und schließlich nimmt der Film das vorneweg, was heute das eigentliche Thema der glitzernden Filmwelt ist: das öffentliche Verhandelnd, wie jemand sei und zu sein habe. Denn Jill ist eine öffentliche Person geworden, die nichts mehr privat lassen darf, da ihr die Journalisten, zu denen man dann Paparazzos sagte, auf Schritt und Tritt folgen, was ja Verfolgen genannt werden muß.

Merken Sie was? Tatsächlich ist dieser Film eine Antwort auf die Situation der Hauptdarstellerin selber. Denn genauso ist es Brigitte Bardot als eine der ersten gegangen, daß alles, auch ihr Liebesleben, öffentlich verhandelt wurde. Zwar hatte sie ihren Selbstmordversuch schon mit 15 Jahren unternommen, als ihre Eltern ihre Liebesbeziehung zum Regisseur Roger Vadim untersagten, der sie dann heiratete (heute käme er zuvor ins Gefängnis), aber um diese Zeit war sie in einer ähnlichen emotional aufwühlenden Zeit wie als Jugendliche. Sie war einfach gefährdet, weshalb dieser Film auch als eine Art Selbsttherapie vom Regisseur und den Mitwirkenden verstanden wurde.

Im Film also reagiert die auch durch die Fans aus dem Gleichgewicht gebrachte Jill mit einem Selbstmordversuch. Sie trifft erneut auf Fabio, ihre Jugendliebe, der sie nun beachtet und auch hilfreich zur Seite stehen will. Aber auch er kann die ins Schlingern geratene Filmfigur nicht auf eine neue Bahn bringen. Nun ist Fabio mit Marcello Mastroianni besetzt und es ist hinreißend von heute her zu sehen, wie Mastroianni diese Rolle meistert. Bekannt war er schon damals, aber eine Filmlegende wurde er mit seinen späteren Rollen und vor allem als etwas älter gewordener Mann, in dem die Frauen eine gewisse Naivität bemerken, der sie auf den Grund gehen wollen.

Für die Bardot war dieser Film cineastisch ein Meilenstein. Denn er veränderte ihre Rolle aus Schmollmündchen der französischen Nation und kehrte die Rolle von karrieresüchtigem Star und auf diese reagierende Öffentlichkeit um und wies dieser die „Schuld“ an den Folgen zu. „Der formal bemerkenswerte Film huldigt einem damals neuartigen Bardot-Mythos: indem er die Skandal-Heldin zum Opfer der sensationsgierigen Gesellschaft erklärt, verkündet er ihre persönliche Unschuld.“, schreibt dazu das „Lexikon des Internationales Films“. Sehen Sie selbst um 20.15 am Sonntag bei Arte. Anschließend dann werden in 45 Minuten Dokumentation ohne weiteren Kommentar Videoclips aneinandergereiht, in denen die Bardot Chansons singt.

Letzteres hat dann mit ihrem richtigen Leben zu tun, in dem sie ihrer öffentlichen Rolle als neue französische Marianne überdrüssig, mit dem Barden Serge Gainsbourg ein Verhältnis begann, der der alternativen Szene zugehörte, in der die B.B. zunehmend eine Rolle spielte, dann aber – denn ein Herdentier zu sein, hatte sie schon früh abgelegt – beispielsweise als Tierschützerin so radikal wurde, wie man vielleicht sein muß, will man wirklich etwas ändern. In diesen Bereich gehören auch ihre Äußerungen zum Islam und zur Kolonisierung Frankreichs durch Araber. Für diese ’rassistischen Äußerungen` muß sie dort regelmäßig Strafe zahlen, was sie nicht scheut, ihre Meinung weiterhin öffentlich zu vertreten. Schwierig das Ganze einzuschätzen, denn die ’political correctness` wird im Nachbarland besonders hochgehalten, hat also auch etwas von einer scheinöffentlichen Meinung, wo Anderslautendes sofort rechtsradikal wird.

Wir finden die Brigitte Bardot auf jeden Fall als Gesamterscheinung eine interessante Frau und haben mit Vergnügen und Gewinn mehrere Bücher über sie gelesen. Über „Brigitte Bardot“ in der „Hollywood Collection – eine Hommage in Fotografien“ aus dem Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf haben wir zum 75. Geburtstag eine eigene Rezension verfaßt, siehe der Link unten und wollen uns gerne demnächst einmal alle ihre Filme und Bücher vornehmen. Viel Spaß.

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