Übersinnliches am laufenden Band trifft auf knallharte Realität – Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27.1.2011

Das Drehbuch, auch von Leigh, ist gerade für den Oscar nominiert worden. In ihm spiegelt sich die Weltsicht des Autors, daß die Komik und die Tragik des Lebens ständig zum Ausdruck kommen, weshalb dem Leben nur mit Distanz und das heißt für ihn mit Ironie und Humor beizukommen ist. Für uns sind die Figuren typisch englische, in den Vierziger Jahren geboren, aufgewachsen in der Notnachkriegszeit, den düsteren Fünfziger Jahren, den heißen im ’Swinging London` der Sechziger, noch Siebziger, den eiskalten in den Achtzigern der Thatcherregierung und dem erst einmal endgültigen Scheitern der politischen und persönlichen Hoffnungen nach dem als Aufbruch verstandenen Zeiten von Tony Blair.

In diesem Meer der Hoffnungslosigkeit bilden Gerrit (Ruth Sheen) und Tom (Jom Broadbent) den ruhenden Pol, der zeigt, wie man auch zufrieden miteinander leben kann. Das sind wirklich Alltagsgeschichten, die so erzählt werden, daß sie zu bewegenden Lebensmomenten werden und dem Zuschauer mehr Kraft schenken, als ein Kinobesuch ihn zeitlich und vom Geld her kostet. Es sei seine Devise, sagt dazu Mike Leigh, außergewöhnliche Filme über gewöhnliches Leben zu machen. Dies geht in diesem schönen Film wieder einmal auf.

Hereafter – Das Leben danach“

Schon merkwürdig, wenn ein so nüchterner Schauspieler und Regisseur wie Clint Eastwood einen Film über das Jenseits dreht, nämlich darüber, ob es überhaupt ein Weiterleben nach dem Tode gibt. Es ist also der Tod, die Endlichkeit, um den dieser Film kreist, das aber ohne jegliche Sentimentalitäten und ohne Firlefanz, esoterische Aussichten und Humbug, was ein potentielles Leben nach dem Tod angeht. Im Film werden Menschen gezeigt, die das erlebt haben, was man Nahtoderfahrungen nennt. Also den Eintritt des Todes und dessen Abbruch und Weiterleben in unserem Leben.

Es gibt zu viele Menschen, denen solches widerfahren ist, als daß man sie zu Scharlatanen erklären und zur Tagesordnung übergehen könnte. Irgendwas ist dran. Aber was? Und dann gibt es diejenigen, die mit den Toten reden können, und dann auch noch ihre Anwesenheit fühlen, das heißt mit einem Doppel in sich durchs Leben gehen, wie es Frankie und George McLaren tun, der eine als Zwillingsbruder gestorben, der andere ihn bei sich erlebend. An diesen drei Fallgeschichten entwickelt sich der Film, der zusätzlich seine Stabilität im Diesseits durch Schauspieler wie Matt Damon erhält, der als Person derart das Realitätsprinzip verkörpert, daß an Übersinnliches im Sinne von Hokuspokus schon gar nicht zu denken ist, wohl aber uns alle nachdenklich machen soll und kann.

Tron: Legacy“ in 3D

Übersinnlich geht es dann wirklich hier zu, denn da erhält der Sohn eine Nachricht seines verschollenen Vaters. Diese Nachricht kommt aus einer seit Jahren sillgelegten Spielhalle des Vaters. Also fährt der Sohnemann hin und macht das gleiche wie einst der Vater. Er drückt bedenkenlos auf irgendwelche Knöpfe und wird in die digitale Welt gebeamt. Da ist er also. Ach ja, den Vater spielt Jeff Bridges.

Zuvor muß man wissen, was „Tron“ war. Dieser Film aus dem Jahr 1982 war eine Disney-Produktion, die um die damals in den Kinderschuhen steckende Welt der Computerspiele kreiste und zum Kultfilm wurde. Eher erstaunlich, daß erst nach fast dreißig Jahren eine Fortsetzung kommt, von der man sich vorstellen kann, daß schon die heutigen technischen Voraussetzungen die damalige Filmeinrichtung alt aussehen lassen. Daher also auch 3D, um den Fortschritt auch filmisch zu zeigen. Herausgekommen ist ein technischer Schinken, der einen auch noch in den Ohren dröhnt und in den Augen flackert, wenn man das Kino verlassen hat.

Wenn, so stellt man sich vor, daß das Kino von morgen ist, dann braucht man danach eine Erholungszeit und man stellt sich das neue Kino als eines vor, in dem die SPA-Einrichtungen oder Fitneßstudios eingebaut sind, damit der Kopf nach körperlicher Ertüchtigung wieder klar sieht oder man könnte sich auch eine Bar vorstellen, an der man miteinander im Alkohol versinkt. Heftig also, was Sie erwartet, von dem eine andere Lesart sagt: Das ist digitales Heavy Metal. Was sicher nichts für Konzert- und Opernfreunde ist.

Brothers“

Heißt Jim Sheridans Afghanistan Drama, das er nicht original drehte, sondern als Wiederauflage des Films der dänischen Regisseurin Suanne Bier „Zwischen Brüdern“. Die beiden Schauspieler Tobey Maguire und Jake Gyllenhaal sind nicht miteinander verwandt, sehen sich aber so ähnlich, daß sie im Film besonders glaubwürdig als Brüder durchgehen, an denen nun das Besondere ist, daß sie sich überhaupt nicht ähnlich sind. Im Wesen sind sie grundverschieden also. Das kennt man doch schon aus der Bibel, daß ein Vater seine Söhne ungleich behandelt und immer entsteht die Frage, werden sie dadurch anders oder ist ihr Anderssein Grund für die väterlichen Gefühle, die bei Sam (T.M.) positive sind, denn der ist gesellschaftlich pflichtbewußt und ein liebevoller Gatte und Vater.

Bei Tommy (J.G.) dagegen sind die väterlichen Gefühle rundherum negativ sind, denn der scheiterte bei einem Raubüberfall und muß ins Gefängnis, aus dem er gerade entlassen wird. Sein glorreicher Bruder Sam wird in Afghanistan nach einem Einsatz vermißt und für tot erklärt. Ungewöhnlich sensibel hilft nun Tommy der Witwe und den Halbwaisenkindern.

Gleichwohl ist Sam nicht tot, sondern in Talibangefangenschaft, wo er, um selbst zu überleben, seinen Untergebenen umbringen soll und dies auch tut, vor laufender Kamera. Muß man mehr sagen, was das in Sam anrichtet, wenn er dann nach Hause zurückkehren darf, wo er die seelischen Folgen, das, was man Traumatisierung nennt, nicht aufarbeiten kann und nun er im Familienleben derjenige ist, der als Risiko einzuschätzen ist.

Weiter laufen der Historienfilm „Bergblut“ an, der vom Tiroler Bauernaufstand 1809 berichtet, der holländische Kriminalfilm „Meat“, der einen Metzger und einen Polizisten aufbietet, die Komödie „Dickste Freunde“ mit Vince Vaughn und „Bear City“, wo männliche Männer nach dem Bärenschema Frauen erlegen.

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