Tugan Sochiew verlängert seinen Vertrag – Das Deutsche Symphonie Orchester Berlin ist mit seinem Chefdirigenten weiter im Aufwind

Tugan Sochiew © Erik Weiss

Sochiew selbst glaubt, trotz seiner überraschenden Berufung zum Musikdirektor und Chefdirigenten des Orchesters des Bolschoi Theater Moskau die Ämter miteinander vereinbaren zu können. So ungewöhnlich sei das nicht. Das Orchester ist mit Sochiew noch immer in Aufbruchstimmung. Am Mittwoch und Donnerstag wird es mit seinem Chef erstmalig im Wiener Musikverein gastieren und im März 2015 eine Europatournee unternehmen.

Die Bilanz des Jahres 2013 zog Orchestermanager Sebastian König. 77 Konzerte mit 92 000 Besuchern erbrachten 13,5 Millionen Euro Umsatz. Die Einnahmen wuchsen um 100 000 Euro auf 1,57 Millionen. Die Auslastung stieg von 80 auf 83 Prozent, bei den Kammerkonzerten sogar von 83 auf 92 Prozent. Gerade die Kammermusik ist »gut ausabonniert«. König betonte, mit dem Zuschuss von 11,6 Millionen gehe das Ensemble sehr verantwortungsvoll um. Auch die Tariferhöhungen des Orchesters sind bis 2016/2017 gesichert, erklärt er auf Nachfrage. Was selbstverständlich klingt, wird dennoch mit Recht betont, weil zum Beispiel die Vorwürfe der Berliner Zeitung, die Orchestermusiker pflegten eine Beamtenmentalität, oder die Milchmädchenrechnung von »Experten« in Rathäusern und Parlamenten über die Kosten je Theater- oder Konzertkarte die öffentliche Meinung vergiften. In guter Erinnerung ist noch der Versuch des Deutschlandradio-Intendanten Willi Steul im Jahre 2009, das DSO mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zu fusionieren. Auch wenn Steul inzwischen gegenüber beiden Orchestern zu einem konstruktiven Kurs übergegangen ist, herrscht an anderer Stelle Aufruhr, weil die Norddeutsche Philharmonie Rostock zurückgestuft werden soll oder weil der SWR-Intendant Peter Boudgoust die SWR-Orchester Baden-Baden/ Freiburg und Stuttgart fusionieren will, um zu »sparen«. Die Eintreibung der Rundfunkgebühren mag diskussionswürdig sein, jedoch können solide Gebühren ein Mittel zur Erhaltung der Kulturlandschaft sein. Und solange den Banken, Konzernen und Großverdienern jährlich 50 Milliarden Euro Steuern geschenkt werden, ist Sparen an Kultur und Bildung reine Heuchelei.

In der Saison 2014/2015 plant das DSO 74 Konzerte: 62 in Berlin, darunter 30 Sinfoniekonzerte, 3 Casual Concerts, 2 Debüt-Konzerte mit Deutschlandradio Kultur, ein (zusätzliches) Neujahrskonzert und 16 Kammerkonzerte in Museen, Bibliotheken und in der Villa Elisabeth. Lustig sind die 6 Kulturradio-Kinderkonzerte – immer rappelvoll. Zehn Konzerte dirigiert Tugan Sochiew selbst in der Philharmonie. Hinzu kommen dem DSO lange verbundene Dirigenten wie Kent Nagano, Ingo Metzmacher, Sir Roger Norrington, Christoph Eschenbach, Herbert Blomstedt, und die »Neuen« David Zinman, Giancarlo Guerrero, die Debütanten Jaap van Zweden, Thomas Sondergard und andere. Bedeutende Instrumental- und Vokalsolisten füllen Seiten. Genannt seien nur Pierre-Laurent Aimard, Andras Schiff, Jean-Yves Thibaudet, Martin Helmchen und Kiril Gerstein (Klavier), Hilary Hahn, Janine Jansen, Alina Pogostkina und Thomas Zehetmair (Violine) sowie Steven Isserlis und Alban Gerhardt (Violoncello).

Im Programm will Sochiew neuen Geist und gewachsene Tradition vereinen. Seine Repertoirelinien bleiben die russisch-slawische Musik mit vielen Neuentdeckungen, die französische Musik und die Symphonik des deutschsprachigen Raums. Die Frage, warum angesichts moderner Klassiker wie Lutoslawski, Weinberg und Szymanowski Hanns Eisler im Repertoire fehlt, beschied Orchesterdirektor Alexander Steinbeis wenig überzeugend. Man schätze den Komponisten hoch und seine Musik werde sicherlich ins Repertoire zurückkehren. Die Worte Pflicht und Verantwortung klangen da nicht plausibel.

Für Kinder und Jugendliche bietet das DSO ein breites Programm mit Proben- und Konzertbesuchen, Workshops in den Schulen und mit den beliebten Kinderkonzerten. Schulen sind ausdrücklich eingeladen mitzumachen. Sochiews »Erfindung« sind Dirigierworkshops mit Dirigierstudenten in Berlin. Er liebt diese Art der Ausbildung, weil er selbst als Meisterschüler von Ilja Musin viel gelernt hat. Für die nächsten öffentlichen Dirigate im November steht das gesamte Orchester zur Verfügung.

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