Den Anlass dieses Präzedenzfalls gab die türkische Staatsbürgerin Candan Erdogan, die am 29. September 2009 aus den USA über München nach Istanbul fliegen wollte. Weil ihr Flug verspätet am Münchner Flughafen landete und sie dadurch ihren Anschlussflug nach Istanbul nicht erreichte, war sie gezwungen, die Nacht in München zu verbringen. Als sie in einem Hotel übernachten wollte, verbot man ihr seitens der Flughafenpolizei, den Transitbereich des Flughafens zu verlassen, weil sie kein Visum habe. Daraufhin klagte Frau Erdogan erfolgreich. Das Gericht entschied, „dass die Klägerin für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu 3 Monaten zum Dienstleistungsempfang – insbesondere zu touristischen Zwecken – ohne Aufenthaltserlaubnis – insbesondere visumfrei – in die Bundesrepublik einreisen und sich aufhalten darf.“ Ähnlich entschied der Europäische Gerichtshof sowie die 19. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin.
In der Praxis jedoch werden von offiziellen Stellen der Deutschen Bundesregierung häufig diese eindeutigen Urteile ignoriert, so dass der umständliche Visum-Antrag für türkische Reisende, die nach Deutschland wollen, weiterhin nötig ist. Über die Praxis häufen sich die Beschwerden seitens türkischer ebenso wie deutscher Geschäftsleute, die darin eine fahrlässige Behinderung der deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen sowie des Tourismus sehen. In diesen Tagen liegt dem Deutschen Bundestag eine Petition mit 16.272 Unterschriften vor, die nun parlamentarisch geprüft wird.