Türkische Tageszeitung erhält Leipziger Medienpreis

Ahmet Altan

Zwei nennenswerte nicht von Medienkonzernen herausgegebene nationale Tageszeitungen gibt es in der Türkei: Da wäre die seit 1924 erscheinende „Cumhuriyet“, die im lezten Jahr ihren 85. Geburtstag feierte. In der Vergangenheit wurden mehrere Autoren dieser Zeitung durch Anschläge getötet oder lebensgefährlich verletzt: Der Vorsitzende des Soziologischen Institutes, Prof. Cavit Orhan Tütengil wurde am 7. April 1979 im Istanbuler Stadtteil Levent erschossen, während er an einer Bushaltestelle wartete. Die Professorin der Ankara Universität und Parlamentsabgeordnete Bahriye Ücok kam am 6. Oktober 1990 ums Leben, als sie ein Päckchen mit Sprengstoff öffnete, das man ihr nach Hause geschickt hatte, um nur einige zu nennen. Der wohl international bekannteste Fall ist Ugur Mumcu, der am 24. Januar 1993 durch eine Bombe, die an seinem vor dem Haus geparkten Auto montiert war, starb. Der derzeitige Chefredakteur der „Cumhuriyet“ wurde im Zuge der „Ergenekon Prozesse“, mit denen die türkische Regierung seit einiger Zeit „den Staat im Staate“ beseitigen lassen will, mehrmals verhaftet und verhört.

Die erst 2-jährige Zeitung „Taraf“ (Taraf bedeutet soviel wie „Standpunkt“ oder „Partei ergreifen“), deren Slogan lautet: „Wir ergreifen Partei für`s Denken“ hat in der türkischen Presselandschaft schon für viel Wirbel gesorgt. Ihr wurde schon so einiges unterstellt: Sie werde von den USA finanziert oder aus dem islamistischen Lager. Solche Umtriebe beschreiben aber eher den allgemeinen Zustand der türkischen Presse. Was nicht sein kann, nicht sein darf… Weil nämlich der größte und allergrößte Teil der nationalen Presselandschaft von Konzernen, besser gesagt von Kartellen beherrscht wird, kann nach landläufiger Meinung eine eigenständige und unabhängige Tageszeitung keinen Bestand haben. Wenn doch, dann wird sie höchst kritisch beäugt. „Taraf“ greift die regierende Ak-Partei genauso an wie die Kemalisten oder das Militär, wenn es irgend etwas gibt, das das Volk wissen sollte.

So antwortete auch Ahmet Altan, der Chefredakteur von „Taraf“ nach der Preisübergabe in Leipzig auf die Frage, wie die Idee entstand, diese Zeitung zu gründen: „Da gibt es ein ganz schlichtes Problem in den türkischen Medien: die Fakten werden nicht genannt. Seit Bestehen der Republik Türkei werden dem Volk wichtige Fakten vorenthalten. Und wenn Sie mich fragen, ist das eines der grundlegendsten Probleme in der Türkei. Die Presse beschützt den Staat. Die Regierungen können je nach Belieben kritisiert werden, der Staat jedoch nicht. Doch viele Probleme entstehen erst durch den Staat und sein System, wie beispielsweise, dass die Militärführung sich noch immer in die Politik einmischen kann. Wir wollten eine Zeitung, die alle Fakten nennt und nichts unter den Tisch fallen lässt. Zusammen mit Alev Er und Basar Arslan haben wir den Entschluss gefasst, eine Zeitung wie die „Taraf“ zu gründen.

Ich wollte da eigentlich gar nicht mitmachen, die beiden haben mich aber nach langen Diskussionen überzeugt.“

„Begonnen haben wir ganz klein, denn unsere Möglichkeiten waren sehr begrenzt. Eine Tageszeitung herauszubringen, ist da ein großes Risiko und wir mussten damit rechnen, dass wir untergehen. Darum haben wir mit ganz wenigen Mitarbeitern angefangen und haben vor allem ganz junge oder arbeitslose Journalisten eingestellt. Wir wollten niemanden aus bestehenden Arbeitsverhältnissen zu uns holen, damit sie nicht durch uns eventuell arbeitslos werden.“

Den Leipziger Medienpreis erhielt Ahmet Altan mit der Begründung:Unter Chefredakteur Ahmet Altan machte sich die 2007 gegründete Tageszeitung „Taraf“ mit Enthüllungsgeschichten in der Türkei Feinde bei Regierung und Militär. Die von ausländischen Korrespondenten als „idealistisch“ und „kompromisslos“ eingeschätzte Zeitung halte unter Altan trotz Problemen und Bedrohungen unbeirrt an ihrem Kurs fest, hieß es weiter.

Zur Person Ahmet Altan:

Ahmet Altan ist ein bekannter Autor und Kommentator in der Türkei, sein Vater, Cetin Altan war Professor und Parlamentsabgeordneter, sein Bruder Mehmet ist Schriftsteller. Ahmet Altan selbst hat mehrere Romane und Gedichtbände veröffentlicht und lange Jahre Kommentare für die Zeitungen wie Hürriyet, Günes, Milliyet und Yeni Yüzyil geschrieben. Außerdem hat er zusammen mit Nese Düzel die Diskussions-Sendung „Roter Stuhl“ im Star-TV geführt, die aber aufgrund verschiedener Diskussionen eingestellt wurde. Seit 2007 ist er Chefredakteur der Tageszeitung „Taraf“.

Vorheriger ArtikelDen Indian Summer von der Terrasse genießen – Markisen aus widerstandsfähigen Materialien schützen bestens
Nächster ArtikelAnbauverbot für Genpflanzen ist nicht verhandelbar