London, Vereinigtes Königreich (Weltexpress). The Royals are in Trouble – die britische Königsfamilie befindet sich in Schwierigkeiten. Ein englisches understatement: they are not only in trouble, they are in deep shit, wie man hierzulande mit nicht minder englischer Krudheit zu sagen pflegt. Es vergeht hier buchstäblich kein Tag ohne neue Schlagzeilen von der Randy-Andy-Front, dem Skandal um Prinz Andrews „Freundschaft“ mit dem pädophilen Milliardär Jeffrey Epstein. Nach dem katastrophalem BBC-Interview Andrews im Buckingham Palace – seine total gescheiterte „Flucht nach Vorn“ aus dem Morast aus Minderjährigem-Sex, Mädchenhandel und Prostitution – ist es jetzt das schockierende Interview in der BBC-Nachrichtensendung „Panorama“ mit Virginia Guiffre (Roberts), einem von Andrews angeblichen Opfern, das die sonst so gelassenen britischen Gemüter erregt. Falls die Anschuldigungen der Wahrheit entsprechen könnte His Royal Highness vor Gericht landen – ein beispielloses Desaster für die Royals. Der heute 59jährige Prinz Andrew soll einst von der Queen als Lieblingssohn gehätschelt worden sein.
Prinz Philip, Duke of Edinburgh, der 98jährige Gatte von Königin Elizabeth II, nennt die englischen Königsfamilie „the Firm“. Bisher hatte er die Familienfirma mit eisernem Griff und Disziplin geführt. Doch diese „Firma“ befindet sich, knapp mehr als zwei Wochen vor den schicksalshaften Parlamentswahlen, in ernsten Schwierigkeiten. Mindestens so arg wie im Jahr 1989 als ich meinen langjährigen Posten als England-Korrespondent der NZZ antrat. Damals brach der „Camillagate“-Skandal los, das vermutlich vom Geheimdienst mitgeschnittene Bettgeflüster zwischen Prinz Charles und seiner geheimen Geliebten Camilla. Der Rest ist bekannt: Das viel zitierte TV-Interview Dianas („wir sind zu dritt in dieser Ehe“), Scheidung und schließlich der dramatische Unfalltod der Prinzessin in Paris; eine trauernde Nation und bittere Vorwürfe an die „eiskalte“ Queen, welche die sentimentgeladene Stimmung im Volk verkannt hatte – ein schwerer Fehler.
Der 59jährige Prinz Andrew, Duke of York, drittes Kind und zweiter Sohn der Queen – bei seiner Geburt immerhin noch Nummer zwei in der britischen Thronfolge – personifiziert all das, was längst nicht mehr stimmt am Mythos der Royal Family. Sein Verhältnis zum pädophilen Financier Jeffrey Epstein wollte Andrew in einem BBC-Fernsehinterview verharmlosen. Dieses erwies sich als katastrophal – man spricht hier nur noch vom „car crash interview“. Der Thronfolger, Prinz Charles, hatte sich am Dienstag direkt von seiner Dienstreise in Neuseeland nach Sandringham zu Papa Philip zwecks einer Krisensitzung über die Zukunft des problematischen Andrew begeben. Dieser erklärte reumütig, er habe aus Einsicht in seine Fehler die Queen „gebeten“, ihn von seinen öffentlichen Verpflichtungen „auf absehbare Zeit“ zu dispensieren. In Wahrheit war es genau umgekehrt – die Queen hat Andrew ultimativ zum Rücktritt genötigt und ihm damit die Privilegien der „Royals“ genommen. Das vollzog sich, für royale Verhältnisse, im Rekordtempo.
Laut gut informierten Quellen war es aber nicht die Monarchin, sondern indirekt Prinz Charles, der dem jüngeren Bruder die Rute ins Fenster gestellt hatte. Bisher hielten sich hartnäckig Gerüchte, dass die Queen den inzwischen 71jährigen und nicht rasend beliebten Thronfolger übergehen und die Krone direkt ihrem deutlich populäreren Enkel Prinz Wiliam übergeben könnte. In der Tat hält nur ein Drittel Charles‘ Beitrag zur Königsfamilie für konstruktiv und lediglich 20 Prozent wollen Camilla als Königin. 58 Prozent finden, William würde den besseren König abgeben. Doch die Affäre um Andrew, der von Satirikern aus triftigen Gründen als „Randy Andy“ (der geile Andy) tituliert wird, könnte dies geändert haben: Charles wird wegen seines entschlossenen Vorgehens jetzt gar schon als „Schatten-König“ bezeichnet; er hat gezeigt, dass er wie sein Vater „die Firma“ im Griff haben könnte, falls man ihm diese überantwortet. Das war sozusagen die Generalprobe für „King Charles III. Falls die Monarchie überlebt. Die Hälfte der befragten Briten meint, dass das Andrew-Interview die Monarchie beschädigt habe, nur sechs Prozent glauben seinen Erklärungen.
Die Berichte mehren sich, dass die Queen in 18 Monaten das Szepter hinwirft und ihren Sohn Prinz Charles zumindest de facto zum Regenten macht. In dieser Funktion könnte er dann den Thron seinem Sohn William übergeben. Das wäre eine elegante Lösung für ein bisher ungelöstes Problem. Der Gatte der Queen, Prinz Philip, sahat sich ja bereits vor zwei Jahren aufs Altenteil zurückgezogen. Charles will – sehr vernünftigerweise – die mit großzügigen Apanagen honorierte Royal Family auf die engsten Familienmitglieder reduzieren, also die „hangers on“, die zunehmend umstrittenen und oft skandalumwitterten königlichen Schmarotzer abkoppeln. Das könnte in der Tat die einzige Rettung für die britische Monarchie bedeuten.