Dazu gehört ein gewisser Standard der Einrichtung, der mit dem Anspruch, den Kunstausstellungen zu Recht erhaben, korrespondieren muß, soll das Konzept aufgehen, daß die Besucher nach der Besichtigung der Kunst nun auch noch miteinander darüber reden wollen, oder, wenn die Anfahrt zum Römerberg kompliziert war, sich vorher für den Ausstellungsbesuch stärken wollen. Das neue „Table“, an dem der Name das einzig altmodische, weil sich weltstädtisch geben wollende und doch öde und überholte Denglisch ist, wie passend wäre „Tafel“ gewesen, hat eine zweite Lehre gezogen: Es öffnet seine Genußstätte von morgens bis nachts für jedermann, was sich auch an der Preisgestaltung zeigt, die für jeden Geldbeutel ein Angebot bereit hält, im Gegensatz zum „Holbein’s“ am Städel, wo in unglaublicher Arroganz ein Tisch für die Reichen gedeckt wird, der für Normalverbraucher einfach zu teuer ist. Das dortige Publikum besteht auch nicht aus den Museumsbesuchern, sondern aus den Managern und höheren Angestellten des feinen Stadtteils Sachsenhausen, die gerne auch Kunden dorthin ausführen.
Nykke & Kokki heißt die Gruppe, die sich von Walldorf aus, vor den südlichen Toren Frankfurts, nun in die Stadt hineinarbeitet, hineingastronomiert müßte man sagen, und in Neu-Isenburg eine „Lunchbox“, ja, sie haben’s mit dem Englisch/Denglischen, und auf der Kaiserstraße im Mercedes-Benz-Spot Gastronomie führen und schon im der Schirn gegenüberliegenden Kunstverein eine Café-Bar betreiben, die durch lange Holztische eine Tradition der Frankfurter aufgreifen, die durch solch gestaltete Äppelwoikneipen sozialisiert wurden. Gemütlich ist das für unsereinen hier! Qualität bezeichnet Nykke & Kokki als ihr oberstes Gebot bei der Speiseherstellung, aber auch beim Ambiente, in dem gegessen wird. Und das ist die dritte Lehre, die man aus dem Anschwellen der Restaurantsbetriebe in und an und um die Museen herum konstatieren kann. Die jeweilige Gaststätte muß mit dem spezifischen Museen etwas zu tun haben, soll der Betrieb lebendig werden und gleichzeitig muß eine derartige gastronomische Einrichtung für die übrigen Bevölkerung nicht nur offen, sondern begehrenswert erscheinen, erst recht, wenn sie im historischen Zentrum von Frankfurt steht, wo sich die Touristenscharen mit den Fotoapparaten tummeln.
Der Römerberg also. Die kleine Anhöhe, an deren einem Ende der Querbau des Römers, das Frankfurter Rathaus aus dem 13./14. Jahrhundert, den Platz begrenzt und an deren anderem Ende der gotische Bartholomäus-Dom steht. Just dies war die Fußstrecke, die die im Kaisersaal im Römer gewählten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu Fuß gingen, um im Dom geweiht, gesalbt und gekrönt zu werden – wir verschweigen jetzt, daß es auch Zeiten gab, wo auch im Dom gewählt wurde. Ein Areal übrigens, das zu über 90 Prozent im 2. Weltkrieg durch Bombenangriffe zerstört wurde. Der späte Bau der Kunsthalle Schirn – der Name kommt von den mittelalterlichen offenen Kaufständen rund um den Dom, typisch gotisch eben – entsetzte erst einmal das nach dem Krieg sehr kleinteilig aufgebaute Frankfurt. Denn die zwischen der Anhöhe und Dom sich erstreckende 140 m lange und 10 Meter breite travertinverkleidete Halle, Dietrich Bangert steht für die Mitstreiter als Architekt, öffnete 1986 und dominiert den Platz. Erst recht der am oberen Ende herausragende Querbau, ein Rundbau von etwa 20 Meter Durchmesser, weithin aus Glas, und geschoßloser Höhe, durch eine Glaskuppel gekrönt. Und endlich sind wir im „Table“ angelangt.
Die staunten nicht schlecht, die Gäste, die zur Eröffnung gekommen waren. Daß das gastronomische Angebot hervorragend schmeckte und die breite Weinauswahl mundete, das darf man bei einer Eröffnung erwarten; da warten wir mit einem abschließenden Urteil bis zum Alltagsbetrieb. Worüber sie also staunten, die Gäste, ist die Größe und Höhe des Rundbaus, der erst jetzt unter den neuen Pächtern auf seine Ursprünge zurückgebaut wurde, eine archäologische Tat, auch wenn der Bau erst 23 Jahre her ist! Der aus Israel kommende und in München lebende Nitzan Cohen hat in Zusammenarbeit mit der Frankfurter Designertruppe Stylepark, hier Esther Schulze, die Inneneinrichtung übernommen. Und er hat etwas in unseren Augen Wunderbares und dann noch etwas Merkwürdiges gestaltet. Wunderbar finden wir die rundgeschwungene Bar aus Granit oder schwärzlichem Mamor, hätte der Unkundige gesagt. Denn sie sieht wie Stein aus, wirkt wie Stein, fühlt sich an wie Stein, ist aber Beton! Nitzan Cohen zeigt allein mit dem Material, das er auf der Höhe der Zeit ist, denn spätestens seit dem Kunsthaus in Bregenz von Peter Zumthor ist der kunstvoll geschliffene Beton ein Edelmaterial, das so seidig und so harmonisch erscheint, wie es sonst nur Marmor gelingt.
Aber dort betrifft es nur die glatten Wände und Decken sowie Treppen. Aber hier geht’s um Rundungen generell und den Ebenenwechsel: oben horizontal die Stellfläche und unten an der vertikalen Fläche zusätzlich eine Abflußrinne, die ein Scharfguckender gleich als Pißrinne bezeichnete, die die Haudegen in den Westernfilme zu ihrem Biergenuß brauchen, die uns auch erst einmal seltsam vorkam, bis wir merkten, daß sich dort problemlos die Handtasche lagern ließ und auch die Tasche mit dem Rechner. Andere nun wiederum stellen einen Fuß darauf zum bequemeren Stehen. Das mußte alles gegossen werden. Die Einzelelemente sind 60 cm breit und sollen 200 Kilogramm wiegen. Die Fugen, die die Einzelteile miteinander zum Rund der Theke verbinden, sind sichtbar und auch nicht immer ebenmäßig verfugt, was dem Ganzen eher eine zusätzliche Lebendigkeit gibt, denn eine derartige dunkle Theke könnte auch schwerfällig oder gar erschlagend wirken. Tut sie aber nicht.
Erschlagen fühlten wir uns durch den ledernen überdimensionierten Lampenschirm der von der Decke hängend gerade das wieder wegnimmt, was wir bewunderten, die Offenheit und Sicht auf den östlichen Römerberg. „Lampenschirm“ sagen wir deshalb, weil wir keinen Begriff für die Funktion dieses herabsenkbaren Rundvorhangs haben. Denn unter ihm steht ein riesengroßer dunkler Tisch – genau, aus demselben geschliffenen Beton. Das ist erst einmal eine gestalterische Idee, die man abschließend erst beurteilen kann, wie sehr die Leute diese annehmen. Wer also sich an den zentralen Tisch setzen wird und wer an die Einzeltische im Raum. Wir finden das spannend und wollen das immer wieder einmal beobachten. Für große Gruppen (Führungen in der Schirn!) und Betriebsausflüge, kleine Hochzeiten und Geburtstage, ist so etwas funktional einzigartig. Und sonst? Wie gesagt, wir sind gespannt.
Auch darauf, ob der lederne Vorhang, der tatsächlich mit seinen Faltenwürfen wie ein Relikt von Großmutters Lampenschirm wirkt, je ganz heruntergelassen wird, denn dann würde die Rundtischgesellschaft zu einem verschwiegenen Chambre séparée, mitten im Glasbau, was lebhafte Phantasien in Gang setzt, was man nicht nur rund um den Tisch, sondern auch auf ihm alles treiben kann! Darum ging’s aber bei der Eröffnungspressekonferenz nicht. Da hat der Leiter der Schirn, der auch das Städel (Bilder, Zeichnungen und einige Skulpturen) und das Liebieghaus (Skulpturen) leitet, ordentlich den Zusammenhang hergestellt zwischen Ort und Geschichte und dem Anspruch, den beides an eine gastronomische Einrichtung stellt. Denn er ist der Chef, der über Verpachtungen entscheidet, wo es im Vorfeld Probleme gegeben hatte. Die Nykke & Kokki Männer, Michael Frank, Frank Lottermann und Lorenzo Bizzi stellten das Konzept vor, auch das gastronomische, das morgens mit dem Frühstück beginnt und”¦aber nein, das alles wollen wir ein andermal testen und berichten, dann gerne über unsere Erfahrungen berichten mit der 7köpfigen Mannschaft aus Walldorf, die für Essen und Trinken den Tag über einsteht. Und dann klären wir auch, ob und welche gastronomische Folgen es hat, daß der Besucherstrom der Kunsthalle Schirn zu 70 Prozent aus Frauen besteht.