Hertha kämpft weiter um die Champions League-Teilnahme, Werder schont sich für wichtigere Aufgaben – Hertha BSC – Werder Bremen 2:1 (0:1)

Der erfolgsverwöhnte Trainer Thomas Schaaf bot dem geneigten Publikum folgende Startelf: Tim Wiese im Tor. Davor wie gewohnt in der Innenvereidigung Per Mertesacke und Naldo. Flankiert wurden diese beiden Langen Kerls links von Clemens Fritz und rechts von Sebastian Prödl. Vor dieser Viererkette, die üblicherweise anders formiert doch mitunter durchaus ähnlich konfus auftritt, bildeten Thorsten Frings und Mannschaftskapitän Frank Baumann die Doppel-Sechs. Mit Offensivaufgaben im Mittelfeld wurden Aaron Hunt (linker Läufer) und Alexandros Tziolis (recher Läufer) beauftragt. Vorne mühte sich neben dem Andenangreifer Claudio Pizarro der Schwedenstürmer Markus Rosenberg.

Mit einer munteren Anfangsoffensive auf beiden Seiten gingen die Mannschaften in die Partie. Hertha BSC, so schien es, und auch Werder Bremer suchten ihr Heil in der Flucht nach vorne, wobei die Berliner meist über die Außen und die Bremer ab durch die Mitte spielten. Marko Pantelic, nach Marcelinho nächster Publikumsliebling in Berlin, durfte endlich mal wieder in die Startelf, denn Andrej Voronin (Rot-Sperre) saß auf der Tribüne, und zeigte sich sogleich motiviert. Doch seine erste Aktion blieb seine beste. Er setzte sich gegen den anfangs mit Stockfehlern Aufmerksamkeit erheischenden Clemens Fritz durch, spielte auf Gojko Kacar, der den Ball über die Latte (3.) ballerte.

Nennen wir diese erste Viertelstunde ausgeglichen mit spielerischen Vorteilen ganz klar beim Gast von der Weser, der im Berliner Olympiastadion auf die Bremer Mittelfeldmotoren und Spielmacher Diego (Oberschenkel) und Özil (Knie) verzichten muß. Zudem fehlt mit Daniel Jensen immer noch der dritte Zehner in den Reihen der Norddeutschen.

Pantelic tauchte mit zunehmender Spielzeit ab. Zudem vermochte der dicht hinter dem Serben agierende Ballverteiler aus Brasilianer, Raffael, keine zündende Idee zu zeigen, brachte den Ball nicht im Tor unter. Er mußte aber auch, das soll nicht unerwähnbt bleiben, wie der Rest der Elf mit verteidigen. Dieses gewohnte Bild ist für Hertha-Trainer Lucien Favre so seine Art. Nicht schön anzusehen, aber verkäuflich. Außerdem hatte er einen guten Grund, denn die Innenverteidigung mußte ob des Ausfalls von Nationalspieler Arne Friedrich neu formiert werden. Neben dem Fels in der Brandung, also neben Josip Simunic, durfte dieses Mal Steve von Bergen dichtmachen. Die Außenverteidiger hießen übrigens Marc Stein (rechts) und Leandro Cufré (links). Im Mittelfeld blockierten besonders Maximilian Nicu (rechts) und Pál Dardai.

Nach etwas über 20 Minuten zeigten beide Videowände im weiten Rund, was die Abteilung Statistik gezählt hatte: Vier Toschüsse für Hertha und nur ein Schußversuch für Werder. Bevor die Grün-Weißen dieser Nachricht Taten folgen leißen, trudelte nach einen super Solo von Gojko Kacar der Ball knapp am Kasten vorbei (22.) und Cicero köpfte an den Pfosten (26.). Sehenswert bei den Bremern vor allem ein Spielzug nach einer halben Stunde. Doch das Runde wollte noch nicht ins Eckige. Frank Baumann schoß aus 10 Metern drüber. Darauf vergaben Tziolis (36.), Mertesacker (39.) und Prödl (41.) günstige Gelegenheit.

Dann das: Ecke, Tor. Mit 1:0 führte der SV Werder Bremen (43.). Per Mertesacker stocherte das Spielgerät ins Netz. Das war abzusehen. Die Bremer hatten mittlerweile 56 Prozent Ballbesitz und kamen auf sieben Torschüsse, während die Berliner mit sechs Schüssen bei ihrem Heimspiel einen Versuch weniger vorweisen können.

„Ihr werdet nie Deutscher Meister“, sangen ein paar tausend gutgelaunte Schlachtenbummler in Grün-Weiß. Nach dem Pausenpfiff beschwert sich Drobny (die Ecke, die zum Tor führte, war irregulär) erneut und zwar lautstark bei allen drei Schiedsrichtern und holt sich folgerichtig die gelbe Karte.

Für den angeschlagenen Hunt brachte Schaaf mit Beginn der zweiten Halbzeit brachte Peter Niemeyer im Spiel. Auch Favre wechselt aus. Für Nicu kam Lukasz Piszczek (57.) neu ins Spiel. Noch änderte sich jedoch wenig. Die Bremer spielen sich weiter die Bälle zu wie im Training. Nach 60 Minuten wechselt Hertha-Trainer seinen einzigen Angreifer aus. Für Pantelic, den die Kurve feierte trotz der Strafversetzung – und nichts anderes ist das, wenn ein Trainer seinen Torjäger bei einem Rückstand im eigenen Stadion nach gerade einmal 2/3 der Spielzeit vom Feld hold -, schickt der Schweizer Fußballlehrer Valeri Domovchiyski aufs Grün.

Alles sah zu diesem Zeitpunkt danach aus, als würde Werder nicht mehr wollen und Hertha nicht mehr können. Wenig später wollten erst die einen und dann die anderen einen Strafstoß. Beide Male sagt der Schiedsrichter „Nein Danke“. Wie die TV-Bilder zeigten, hätte das Foul an Naldo, der sich vom eigenen Strafraum vorbei an Freund und Feind in den des Gegners drippelte, durchaus gepfiffen werden können (48.). Hätte, könnte, würde und so kam es anders, weil Werder auch eine weitere Möglichkeit (Tempogegenstoß in der 58. Spielminute) und Niemeyer (60.) ungenutzt ließ.

Schaaf holte den glück- wie harmlosen Rosenberg (der sich dem Niveau von Pantelic anpaßte) runter. Für ihn kam der portugiesische Stürmer Hugo Almeida. Die Berliner wechseln ein drittes und letztes Mal. Amine Chermiti kam für Stein und durfte für den Berliner Sportclub ran (66.). Dann zeigte die Videowand noch mehr Zahlen: Zehn Torschüsse für den Bremer Sportverein und sieben für Hertha BSC. Beim Ballbesitz steht es 53 Prozent für Werder gegen 47 Prozent. Das „fühlte“ sich auch so an!

Unerwartet aber nicht unverdient fiel der Ausgleich für Hertha. Raffael gab auf Dardai und der flankte von linksaußen auf den in den Werder-Strafraum vorgerückten Simunic. Der Mann des Spiels stieg völlig freistehend zum Kopfball hoch und der Ball wurde lang und länger, flog über Wiese hinweg und senkte sich unhaltbar ins Bremer Tor. Fortan waren die Hertha-Fans wieder wach und spornten ihr Team an, während sie zuvor höchstens Schmähgesänge gegen Wiese („Arschloch“) und den stark spielenden Frings („Fotze“) anstimmten.

Zu Beginn der letzten Viertelstunde kämpfen die Berliner. Die bis dato harmlose Hertha wollte siegen. Das honoriert endlich auch der sitzende Herthaner unter den 68.022 zahlenden Zuschauer auf den Geraden. Beifall für eine weitere souveräne Szene von Simunic. Das wäre es gewesen. Pfostenschuß (83.). Kurz darauf verlor Naldo als letzter Mann den Ball im Mittelfeld. Chermiti holte sich das Leder, kontert, legte Raffael den Ball vor und der drosch das Runde aus gut und gerne 20 Metern Entfernung ins Eckige (87.). Der Knaller des Brasilianers wurde von Mertesacker noch leicht abgefälscht. Wiese konnte wieder nichts machen bei diesem Sonntagsschuss.

Hertha gewann mit Moral und Fortune 2:1 gegen nachlässige Bremer, die das Spiel zeitweise kontrollierten, lange Zeit sogar in ihrer Hand hielten.

In der letzten Minute hielt es die Hauptstädter nicht mehr auf den Sitzen. Stehend applaudierte der erfolgshungrige Besucher. Beifall brandete auf die Berliner Elf.„Der BSC ist wieder da“, wissen auch die Kurvensteher nach zuletzt drei Pleiten, wobei auch Pech dabei war.

Wir sahen einerseits einen glücklichen, andererseits einen am Ende verdienten Arbeitssieg der Berliner, die sich, nach dem 28. Spieltag wieder auf Rang vier finden, damit nach drei sieglosen Spielen zurück im Kampf um die Champions League-Plätze melden, im Bundesligaalltag. Der ist und bleibt für Werder in dieser Saison grau und trostlos.

Bremen wirkte nachlässig und zum Ende hin saft- und kraftlos, regelrecht müde. Das Auswärtsspiel im UEFA-Cup mit dem Triumpf gegen Udinese Calcio steckte offensichtlich einigen Kickern noch in den Knochen. Sie zeigten sich mitunter unmotiviert. Keine Frage, wer mit 36 Punkten genug Luft zu den Abstiegsrängen und zu viel Abstand auf einen internationalen Startplatz sieht, der schont sich für die drei ausstehenden Halbfinalspiele gegen den Hamburger SV. Warum auch nicht?

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