Tabellenführer Turbine Potsdam besiegt FCR 2001 Duisburg – Torfrau Ann-Katrin Berger rettet unhaltbaren Ball

Genoveva Anonma (Turbine) im Dreikampf mit Stefanie Weichelt und Vanessa Wahlen (beide FCR). © Foto: Anna More

Chancenverwertung

Sollte sich diese Entwicklung in Potsdam verstetigen, wird der Verein samt Sponsoren schon jetzt zu den Siegern der neuen Saison gehören. Demgegenüber blieben die Zuschauerzahlen gegen den selben um den Abstieg kämpfenden FCR 2001 Duisburg der Zuspruch vor einem halben Jahr mit 1822 Besuchern deutlich hinter der aktuellen Zahl zurück. Die im Finish spannende Partie beendete Turbine Potsdam zwar mit einem verdienten 2:1 (1:0) Sieg, doch in den Schlussminuten zitterte  Potsdams Abwehr. Löwinnen-Cheftrainer Sven Kahlert war am Ende sichtlich zufrieden mit der knappen Niederlage. Die mangelnde Chancenverwertung der Potsdamerinnen ermöglichten den Duisburgerinnen einen Fast-Gleichstand an Toren. Mehr als 70 Prozent der Spielanteile gingen zwar auf das Konto der feldbeherrschenden Schröder-Elf, die Löwinnen begnügten sich mit drei Torchancen, wobei mit einem Torerfolg sich aber ein effizienter Nutzen ergab. Kahlert setzte nicht auf hohe Spielanteile, sondern auf ein schnelles Umschaltspiel bei Kontern.

Nicht mehr Prügelknabe

Genoveva Anonma (Turbine) im Dreikampf mit Stefanie Weichelt und Vanessa Wahlen (beide FCR). © Foto: Anna MoreZählte man die Spielanteile in den Schlussminuten alleine für sich, wäre sicherlich ein Punktgewinn für Duisburg  drin gewesen, so spannend entwickelte sich das Schlussszenarium im Stadionrund. „Wir hätten noch gerne einen Punkt mitgenommen," frohlockte daraufhin der Löwinnen Trainer Wie verwandelt saß Kahlert, diesmal ganz entspannt  und locker, in der Pressekonferenz neben Turbine Pressefrau Nadine Bieneck, die letzten Jahre galt er doch als Prügelknabe für den Frust mancher Turbine Fans. Stratege Schröder beschwor in seiner ironisch vorgetragenen Analyse die alte Freundschaft beider Gründervereine der Liga. Der ursprünglich aus dem Erzgebirge stammende Schröder, in seiner Jugend in den Reservemannschaften vom 1. FC Lok Leipzig selbst Torwart, bemerkte süffisant, dass sein Trainerkollege nach dem Weggang vom 1. FFC Frankfurt sich immer mehr in freier Rede präsentieren würde, da er nicht mehr Textbausteine des Frankfurter Managers aufsagen musste. Der gebürtige Sachse Sven Kahlert, er wuchs in Pirna auf, entgegnete der Ironie mit kluger sportlicher Analyse. Kahlert verhielt sich sehr kontaktfreudig, so dass er mittlerweile von Potsdams beseelter Fanszene mit Respekt angenommen worden ist.

Zielstellungen

Beide Sachsen sind sich einig: wer von einem  Boom im Frauenfußball auf Grund der Ereignisse der WM 2011 spricht, der beschreibt einen Zustand, den es nie gegeben hat. Die starken Impulse für die Spielerinnen-Jahrgänge ´94 bis ´97 fanden vor der Weltmeisterschaft statt. Bernd Schröder erklärte zum Thema Fankultur: "Das Problem ist, dass wir die Latte für uns und die Fans hoch gelegt haben. Und dass man jetzt aufpassen muss, dass die Ansprüche der Fans auch übereinstimmen mit dem, was unsere Mannschaft leisten kann. Wir achten die Ansprüche unserer Fans, wissen aber genau, dass es ein ganz schmaler Grat ist zwischen den Erwartungen, die man hat, und die Qualität, die in der Mannschaft steckt. Unsere Fans sind nach wie vor Spitze in der Bundesliga, aber ich wünsche mir noch mehr Objektivität bei der Beurteilung der einzelnen Spielerinnen." Seine Wünsche an die Mannschaft präzisierte Schröder klar: „Erst einmal geht es darum, dass die Mannschaft den Fußball spielt, der von uns erwartet wird. Offensiver Fußball mit Erfolg. Dann geht es darum, dass wir mit dem Erfolg unsere Zielstellungen erreichen wollen."

Jetzt erst recht

Lisa Evans (Turbine) im Duell mit Stefanie Weichelt (FCR). © Foto: Anna MoreDie Turbinen drückten von Beginn an auf das Tempo, man spürte, sie die vergangene Essener Pokalniederlage vergessen machen wollten. Nach dem Credo –  „jetzt erst recht" – galt es, gegen den bis dato Tabellenfünften keine weiteren Federn zu lassen. „Wir fokussieren uns jetzt noch mehr auf die Meisterschaft als ohnehin schon“, hatte vor dem Spiel Mittelfeldakteurin die Schweizer Nationalspielerin und Neuzugang Lia Wälti erklärt. In den ersten Spielzügen war die Nervosität spürbar. Die Potsdamerinnen bestimmten im ersten Viertel das Geschehen zwar deutlich, drängten den Gegner immer wieder tief in dessen Hälfte, erspielten sich etliche aussichtsreiche Möglichkeiten heraus, aber in letzter Konsequenz fehlte die Konzentration und mentale Unbekümmertheit,  die spielerische Vorteile in Tore ummünzen können. So der bajuwarische Neuzugang Julia Simic nach einem Eckball (11.), Torjägerin Genoveva Anonma zentral aus 18 Metern (15.) oder die Norwegerin Ada Hegerberg halblinks aus 17 Metern knapp über die Querlatte (17.). Die Schlappe in Essen hatte die Mannschaft noch nicht vergessen.

Exzellentes Kopfballspiel

Nach einer halben Stunde formierte sich das Offensivspiel der Löwinnen. Die tschechische Topstürmerin Lucie Vonkova prüfte die Turbine-Keeperin Ann-Katrin Berger durch einen Schuss aus 15 Metern. Berger parierte sicher (33.). Die 21jährige Tschechin aus Teplice kam als nationale Titelträgerin von Sparta Prag an den Rhein – und bringt eine beeindruckende Erfolgsbilanz mit: 18 Tore hat sie zur Meisterschaft beigetragen, insgesamt erzielte die 1,82 Meter große Angreiferin seit 2006 in der nationalen Liga stolze 77 Treffer, die meisten für den Lokalrivalen Slavia. Nach der plötzlichen Vertragsauflösung von Mandy Islacker war die vielseitige Vonkova der beste Ersatz. Sie ist stark mit beiden Füssen und verfügt über ein exzellentes Kopfballspiel. Sechs Minuten später klingelte es endlich zum Wohle der Potsdamer Fans im Duisburger Gehäuse. Nachdem Sturmspitze Genoveva Anonma im Abschluss noch an der Gäste Torfrau, Meike Kämper, gescheitert war, stand Ada Hegerberg beim Abpraller goldrichtig und knallte das Leder aus wenigen Metern halblinks vor dem Tor in die Maschen zur 1:0-Führung (39.).

Tonangebend

Ada Hegerberg (Turbine) im Dreikampf mit Carole da Silva Costa und Laura Neboli (beide FCR). © Foto: Anna MorIm Gegenzug hatten die Duisburgerinnen durch die niederländische Nationalspielerin Lieke Martens den postwendenden Ausgleich auf dem Fuße, doch Berger war auf dem Posten und verhinderte dies (41.), ebenso die anschließend Möglichkeit des FCR durch Martens und Vonkova (44.). Mit dem 1:0-Vorsprung der Turbinen  ging es schließlich in die Halbzeitpause. Nach dem Seitenwechsel spielten die Potsdamerinnen weiter voll auf Angriff, die bessere Möglichkeit hatte jedoch die portugiesische Nationalspielerin Dolores Silva, die für die Löwinnen zentral aus 18 Metern den Ball nur knapp über die Querlatte setzte (51.). Besser machte es wenig später die Afrikanerin Genoveva Anonma, die nach exzellentem Zuspiel der groß gewachsenen Johanna Elsig aus 17 Metern ins rechte Eck zum 2:0 traf (52.). In Folge verflachte das Spiel, in dem die Potsdamerinnen dennoch nach wie vor tonangebende waren, etwas. Nachdem Löwin Kämper mit gutem Reflex gegen die Schweizer Nationalspielerin Lia Wälti klärte (66.) wackelte wenig später das Duisburger Gehäuse mächtig: aus 17 Metern donnerte Genoveva Anonma den Ballgegen die Querlatte, anschließend versenkte sie das runde Leder Zentimeter neben den linken Pfosten im Aus (68.). Nachdem Julia Simic` Schuss ebenso die Latte touchierte, verpassten die Turbinen die Vorentscheidung.

Genoveva Anonma (Turbine) im Duell mit Laura Neboli (FCR). © Foto: Anna MoreDie Gäste indes steckten nicht auf, präsentierten sich engagiert und kämpferisch und bereiteten den Turbinen demzufolge nicht wenige Probleme. Ein wenig Schlendrian prägte nun Potsdams Spiel. In der 72. Spielminute belohnten sich die Löwinnen schließlich für ihren Aufwand: An der rechten Strafraumgrenze kam Jennifer Oster frei zum Schuss und versenkte das Leder im langen linken Eck zum 2:1-Anschlusstreffer. So wurde es in der Schlussviertelstunde noch einmal spannend und auch brenzlig für die Gastgeberinnen. Torhüterin Ann-Katrin Berger, in der Vorwoche nach dem verlorenen Pokalspiel noch arg gescholten, zeigte ihre stärkste Leistung, als einen schon aussichtslosen, unhaltbaren Ball über die Latte ins Aus lupfte. Sie hielt den platzierten und ebenso gefährlichen Schuss von der Strafraumgrenze der Niederländerin Lieke Martens und verteidigte mit ihrer Einzelleistung den knappen Vorsprung der Turbinen (87.). Berger hechtete wie eine Katze dem Ball hinterher. Zum Ausgleich der Löwinnen reichte es nicht mehr.

„Der FCR hat gut gespielt und unser Spiel nicht so ermöglicht, wie wir uns das vorgestellt haben“, zollte Cheftrainer Bernd Schröder dem Gegner nach dem Abpfiff Respekt. Beide Trainer konstatierten einen „verdienten Sieg für Turbine“. Während FCR-Coach Sven Kahlert mit der Leistung seiner Mannschaft zufrieden und „stolz auf sein Team“ war, sah Turbine-Trainer Bernd Schröder „noch Luft nach oben. Positiv ist, dass wir die drei Punkte eingefahren haben. Auch die heutige Torwartleistung war positiv, die Mannschaft hat gute Ansätze im Kombinationsspiel gezeigt. Wir haben jedoch auch gesehen, dass es noch Verbesserungsbedarf gibt. Für uns gilt es jetzt, am Sonntag gegen Hoffenheim, in Budapest in der Champions League sowie anschließend gegen Bayer 04 Leverkusen nachzulegen und unsere Position zu festigen.“

Maren Mjelde (5/Turbine) auf dem Rücken von Anne Hellfeier (5/FCR), links: Lucie Vonkova (9/FCR), rechts: Ada Hegerberg (9/Turbine). © Anna MoreAlle vier Titelfavoriten – 1.FFC Turbine Potsdam, 1.FFC Frankfurt, FC Bayer München und VfL Wolfsburg – liegen jetzt bereits hintereinander an der Ligaspitze  Die Nase vorn hat zur Zeit die Schröder Elf. In der Liga führt Potsdam dank der besseren Tordifferenz mit sieben Zählern vor den punktgleichen Teams aus Frankfurt und München. Wolfsburg folgt mit fünf Punkten auf Rang vier. Damit prägen alle vier Topteams, die von der Fachwelt der Titel zugetraut wird, bereits nach dem 3. Spieltag die Tabellenspitze. Am 6. Oktober 2013 bestreitet Turbine Potsdam ein Auswärtsspiel bei der TSG 1899 Hoffenheim.

So spielten sie:

1. FFC Turbine Potsdam – FCR 2001 Duisburg  2:1 (1:0)

1. FFC Turbine Potsdam: 32-Ann-Katrin Berger – 5- Maren Mjelde, 22-Stefanie Draws, 21-Tabea Kemme – 3-Lia Wälti, 4-Johanna Elsig, 10-Julia Simic (31-Pauline Bremer, 81.), 11-Jennifer Cramer – 6-Genoveva Anonma, 9-Ada Hegerberg (16-Natasa Andonova, 70.), 25-Lisa Evans – Trainer: Bernd Schröder

FCR 2001 Duisburg: 1-Meike Kämper – 19-Stefanie Weichelt, 33-Carole da Silva Costa, 15-Laura Neboli, 21-Marina Himmighofen – 17-Vanessa Wahlen, 14-Dolores Silva, 5-Anne Hellfeier, 6-Jennifer Oster – 9-Lucie Vonkova, 10-Lieke Martens – Trainer: Sven Kahlert

Die Tore: 1:0 Hegerberg (39.), 2:0 Anonma (52.), 2:1 Oster (72.)

Schiedsrichterin: Katrin Rafalski (Bad Zwesten), Zuschauer: 2920

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