Sturm-Frauen in der Frankfurter Schirn – Wie ein weitsichtiger Mann im Berlin der Zwischenkriegszeit vielen Künstlerinnen zur verdienten Aufmerksamkeit verhalf

© Schirn
Herwarth Walden gründete 1910 mit dem programmatischen Titel „Der Sturm“ eine Zeitschrift nicht nur zur Förderung des Expressionismus, sondern auch als ein Medium zum Kampf gegen geistige Enge und für die Freiheit der Künste und Stile. Die Publikation erwies sich schnell als für ihn nicht ausreichende Plattform, und so eröffnete er schon 1912 eine Galerie gleichen Namens. Und damit nicht genug: mit  zusätzlich veranstalteten Sturm-Abenden, einer neu gegründeten Sturm-Akademie, der Sturm-Bühne und -Buchhandlung sowie zeitweilig Bällen und ein eigenes Kabarett bot er den von ihm vertretenen Künstlerinnen zahlreiche Möglichkeiten.

Er präsentierte natürlich nicht nur Frauen, sondern auch Wassily Kandinsky, Paul Klee, Oskar Kokoschka und Marc Chagall, die Künstler des Blauen Reiter und die italienischen Futuristen, sein besonderer Verdienst liegt aber darin, dass er immer wieder auf noch unbekannte Talente setzte und zu den unbekannten Künstlern gehörten zu dieser Zeit noch immer die Frauen. Es gab sie schon immer, die qualifizierten Malerinnen, aber Ausbildung und Bekanntheit waren mit wenigen Ausnahmen, durch Familienzugehörigkeit und Ehemänner vermittelt oder sehr hart erkämpft. wurden so erst spät entdeckt und gewürdigt. Dies zeigte ja schon die e Impressionistinnen-Ausstellung der Schirn. Walden nun bietet den noch Unbekannten, wo immer er sie entdeckt, die Chance zu Ausstellungen und nimmt ihre Holzschnitte oder Zeichnungen als Titel oder Illustration seiner Zeitschrift.

Einige der Namen, wie z.B. Gabriele Münter oder Sonja Delaunay oder Marianne von Werefkin sind heute allgemein bekannt, viele der Frauen sind jedoch wieder vergessen worden ( Marthe Donas, Jacoba van Heemskerck, Hilla von Rebay, Lavinia Schulz oder Maria Uhden). zu manchen fehlen sogar die genauen Lebensdaten oder die Werke sind verschollen. Die Ausstellung der Schirn konzentriert sich auf 18 dieser Künstlerinnen und benötigt dafür schon zwei Drittel der vorhandenen Ausstellungsfläche. Jeder Künstlerin wird ein quasi eigener Raum gewidmet. Der Parcour durch diese Räume erschließt das ganze Spektrum, der Richtungen wie der gewählten medien. Neben klassischen Bildern gibt es in der Ausstellung herausragende Leihgaben wie Gemälde und Arbeiten auf Papier, Grafiken, Holzschnitte, Bühnenbilder, Kostüme, Masken und historische Fotografien aus namenhaften Museen, Universitäts- und Privatsammlungen weltweit  Man sieht eindrucksvolle Figurinen und Ausschnitte aus einem frühen russischen Sience-Fiction-Film mit fantastischen Kostümen und Architektur. Zuweilen merkt man zwar deutlich, wessen Schülerin die Malerin war (z.B. Marcelle Cahn bei F. Leger) aber es gibt erstaunliche und aufregende Entdeckungen.

Die Ausstellung ist umfangreich und spannen dund erfordert durch die Vielzahl und Varianz der Objekte eine gute Kondition. Es empfiehlt sich daher zur Vorbereitung auf das vom Ausstellungsteam verdienstvoller Weise wieder angebotene Tutorial zuzugreifen. Das Digitorial ist responsiv und in deutscher und englischer Sprache erhältlich. Es ermöglicht dem Publikum, sich bereits vor dem Besuch mit den Künstlerinnen des STURM, deren beeindruckenden Werken sowie mit den verschiedenen Kunstrichtungen und Konzepten der Avantgarde zu beschäftigen – ob zu Hause, im Café oder auf dem Weg zur Ausstellung. Es vernetzt multimediale Inhalte in Form von Bild, Video, Ton und Text, stellt sie innovativ dar und erzählt sie ansprechend. Es ist online verfügbar unter www.schirn.de/sturmfrauen/digitorial

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