Sonntag um 17 Uhr bei Arte ein gelungenes Künstlerporträt – Manfred Scheyko bringt in „Ein Sommer mit Daniel Spoerri“ diesen zum Sprechen

Er ist einer der großen Objektkünstler des 20. Jahrhunderts: Daniel Spoerri.

Arte gibt seinem Programm folgenden Inhaltsangabe: So einfach kann Kunst entstehen. Nach einem opulenten Essen räumt man den Tisch nicht ab, klebt die Reste der Mahlzeit, die schmutzigen Teller, halbgeleerten Gläser und vollen Aschenbecher auf der Tischplatte fest, kippt das Ganze um 90 Grad und hängt es an die Wand. Daniel Spoerri war der Erste, der diese Idee hatte. Seine "Fallenbilder", die sogenannten "Tableaux-pièges", wurden sein Markenzeichen.

Der Schweizer Objektkünstler Daniel Spoerri ist einer der letzten Vertreter einer Künstlergeneration, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Kunst neue Ausdrucksformen eroberte: Gegenstände des Alltags wurden zu künstlerischen Objekten erklärt. Doch immerzu schmutzige Teller an die Wand zu hängen, wurde Spoerri schnell langweilig. Heute produziert er vor allem große Bronzeskulpturen und kleinformatige Assemblagen. Immer aber sind es Fundstücke vom Flohmarkt, denen er durch die erstaunlichsten Kombinationen zu neuer Bedeutung verhilft – in ihrer poetischen Verspieltheit gewitzt und anrührend.

Arte betont: Er arbeite nicht wie ein Bildhauer, sondern inszeniere Objekte. "Ich bin ein Clochard", sagt er, "der den Plunder in eine gedankliche Form bringt." Der Film stellt in Form einer Collage den Menschen Daniel Spoerri in den Mittelpunkt; einen wunderbaren Erzähler, versponnen, verspielt und immer neugierig – als hätte er noch ein ganzes Leben vor sich. Dabei ist er schon 80 Jahre alt.

Arte zum Künstler: Er wurde 1930 unter dem Namen Isaac Feinstein in Rumänien geboren. Der Vater, ein zum Protestantismus konvertierter Jude, wurde von den Faschisten umgebracht. Der Mutter gelang mit den Kindern die Flucht in die Schweiz. Wie sich dieses Kindheitstrauma bis heute in seinem Werk widerspiegelt, zeigt der Film auch.
Mit Humor und Selbstironie äußert sich Spoerri ungewöhnlich freimütig und offen über das, was ihn antreibt: die Heimatlosigkeit, die Entwurzelung. Die Themen Tod und Überleben sind das Leitmotiv seiner Werke.

Das Kamerateam besucht Daniel Spoerri in seiner Wiener Wohnung, beobachtet ihn bei der Arbeit in seinem Atelier sowie in einer Mailänder Bronzegießerei. In seinem "Kunststaulager" – einem Museum eigener Werke in Hadersdorf bei Krems an der Donau – erklärt er anekdotenreich das Makabre seiner Skulpturen. In der Toskana führt er uns durch den "Giardino di Daniel Spoerri", einen großen Skulpturenpark, den er vor 20 Jahren anlegte.
Und in Paris erinnert er sich an die große Zeit seines künstlerischen Aufbruchs in den 60er Jahren. Die Filmemacher besuchen mit ihm das Hotel "Carcassonne", wo er in einem winzigen Zimmer sein erstes Fallenbild kreierte. Die Nachbildung dieses Zimmers übrigens, gegossen in fünf Tonnen Bronze, steht heute in seinem Toskana-Garten. Ein Zimmer für die Ewigkeit, allerdings nicht zum Wohnen.

Wir sprachen mit Regisseur Manfred Scheyko über die Besonderheiten seines Künstlersporträts. Für ihn war Hauptproblem bei dieser Produktion, daß Spoerri ursprünglich keine besondere Lust, an diesem Film mitzuwirken. „ Er ist ein medienscheuer Künstler, der nichts so sehr fürchtet, wie festgelegt zu werden. Verständlich, denn es geht ihm als Künstler niemals darum, etwas Fertiges, Endgültiges zu schaffen. Das große, einzigartige Werk hat ihn nie interessiert. In seiner Kunst versuchte er immer,  Prozesse in Gang zu setzen, Emotionen zu wecken, zum Nachdenken anzuregen. Seine zentralen Themen sind ja Tod, Vergänglichkeit, Heimatlosigkeit.“

Manfred Scheyko: „Ich habe versucht, das Prozeßhafte seiner Kunst und die Hintergründe ihrer Entstehung umzusetzen, auch in der formalen Gestaltung des Films: also die Form einer Collage, mit ständig bewegter Kamera – es wurde nie ein Stativ benutzt, außer bei zwei Zeitraffer-Einstellungen. Im Grunde haben wir nichts weiter getan, als den Künstler bei einigen seiner Aktivitäten im Sommer 2009 zu begleiten. Deshalb auch der einfache Titel: "Ein Sommer mit Daniel Spoerri". Es ist erstaunlich, daß niemals zuvor ein Film über ihn in dieser Weise gemacht wurde – das ist das Neue daran, und deshalb wurde mein Filmprojekt auch akzeptiert.“

Sonntag, 18. April 2010 um 17.00 Uhr

Wiederholungen:
19.04.2010 um 08:00
24.04.2010 um 06:45
Ein Sommer mit Daniel Spoerri
(Deutschland, 2009, 44mn)
HR

http://www.arte.tv/de/woche/244,broadcastingNum=1102020,day=2,week=16,year=2010.html

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