So schön, so tragisch – „Marilyn Monroe. Fotografien einer Legende“ bei Schwarzkopf & Schwarzkopf

Denn diese ganze GeschisteGeschasti um die MM, das wir voll mittragen, bewegt mittragen, ist ja keine künstliche durch die Film oder Fotoindustrie gesteuerte Angelegenheit, sondern hat mit der Ausstrahlung der jungen, wie der vollerblühten, wie mit den ersten Müdigkeiten um die Augen erst recht schönen Frau zu tun, die uns als Marilyn Monroe bekannt ist. Wer sie wirklich war, weiß keiner, auch wenn bekannt ist, daß sie als Norma Jeane Baker 1926 – wie es heißt – das Licht der Welt erblickte. Sie wäre also heute 83 Jahre. Ihre Mutter, die beim Film arbeitete, ist bekannt und von ihr ist auch überliefert, daß sie ihr Kind gleich außer Haus gab, sie war dem psychisch nicht gewachsen und verbrachte Jahre später ihr Leben in psychiatrischen Heimen. Wer ihr Vater war, ist nicht bekannt, besser: unter den Möglichkeiten nicht eindeutig identifiziert.

So beginnt das Buch, weil es über Bilder eine Lebensgeschichte nacherzählt, die in groben Zügen Allgemeingut ist, aber in der es immer wieder neue Facetten gibt. „Sie selbst hatte immer davon geträumt, daß ihr Vater Clark Gable sei, was aber nur eine Erfindung von ihr war.“, heißt es auf Seite 4, wo Norma Jeane mit 6 Monaten in die Welt lacht. Auf den Aufnahmen, die man von Mutter und Kind sieht, erkennt man auch die feinen Gesichtszüge der Mutter, die nur einen leicht verhärmten Ausdruck tragen. Das Buch ist geschickt mit Bildern und Text verknüpft und groß gedruckte Zitate, halten das Interesse zusätzlich wach, wenn dort zum Beispiel auf Seite 8 steht: „Als Baby lernte ich laufen, und danach hat man mir nichts anderes mehr beigebracht.“ Marilyn Monroe.

Daß ihre Kindheit traumatisch war, hat Marilyn Monroe mit diesem Zitat nur angedeutet. Die vielen Kinderbilder zeigen, daß es für sie auch bessere Tage gab, aber der Text berichtet nur von Trostlosigkeiten. Schon mit der Pubertät wird ihr Gesicht zum Ausdruck von Lieblichkeit und vor allem einem warmen, sinnlichen und eigentlich auch fröhlichem Lächeln. Ob das alles geschauspielert ist, können wir nicht entscheiden, denn eine gute Schauspielerin müßte in der Lage sein, düstere Stimmungen mit strahlendem Mund zu widerlegen. Und Strahlen tut sie auf diesen Bildern, die sie als Fünfzehnjährige, aber eigentlich doch als junge Frau zeigen.

Für jemanden, der Marilyn Monroe nur aus den Filmen kennt oder aus ihren Luxusfotobänden, ist dieses Buch sehr informativ, weil es auch dem Kenner noch einmal die Knackpunkte serviert. „Es ist nicht bekannt, wie viele Abtreibungen und Fehlgeburten Marilyn in ihrem Leben hatte.“ auf Seite 19. Sie selber sprach immer davon mit 14/15 Jahren einen Knaben geboren zu haben, der ihr weggenommen worden war. Drei Wochen nach ihrem 16. Geburtstag heiratete sie einen Mechaniker, der ihr von ihrem weiblichen Vormund verordnet worden war und im Zweiten Weltkrieg als Soldat in Asien kämpfte. Das staunt man doch, daß so etwas in der amerikanischen Zivilisation überhaupt erlaubt war: mit 16 Jahren! Das wäre heute strafbar und Unzucht mit Minderjährigen.

Sie wurde von Fotografen als Modell entdeckt, was ihr Ehemann nicht wollte und weswegen sie ihn verließ. Die Bilderserien aus dieser Zeit zeigen eine gut gewachsene, vor allem liebreizend lächelnde junge Frau, ganz und gar nicht eine sexaufgeladene Ikone der verordneten Weiblichkeit. Demgemäß entwickelt das Buch, das man tatsächlich Seite für Seite lesen kann, weil es dem Lebensweg folgt, den Werdegang einer jungen Frau, die einerseits von Beginn an erfolgreich in der Wahrnehmung durch sie anschmachtende Männern war, die sich als nach ihr verrückt erklärten, die andererseits aber im Inneren stetes von tiefen Selbstzweifeln geplagt war. Eine höllische Mischung, suggeriert sie doch der Person eine unwahre Wirklichkeit, an die sie nicht glauben kann, weil sie diesen Glanz nicht in sich fühlt. Jetzt kommen die Filme und die ersten Erfolge und wir wollen nicht ihr Leben anhand des Buches hier nun weiterverfolgen, denn wir sind immer noch im ersten Kapitel von fünfen, die lauten: Aufgewachsen in schwierigen Zeiten“, „Nach den Sternen greifen“, Berufliche Erfolge und private Tragödien“, „Halb Königin, halb Waisenkind, „Die legende lebt weiter“.

Stattdessen wollen wir zeigen, daß man das Buch auch ganz anders nutzen kann. Man kann einfach blättern, da sieht man dann den sich ändernden Gesichtsausdruck, man sieht das künstlicher Werden, man erkennt die Inszenierungen der eigenen Person und man bringt immer mehr das fotografierte Gesicht mit ihren Darstellungen in den Filmen in Übereinstimmung. Man kann aber auch ganz anders vorgehen, so schauen wir eigentlich aufs Erste in jeden Band, der viele Fotografien enthält. Von hinten nach vorne blättern, dann beginnt es mit ihren Tod am 5. August 1962 , dem gegenüber ein Zitat ihres Exehemannes Arthur Miller steht: „Um zu überleben, hätte sie entweder zynischer oder noch realitätsferner sein müssen, als sie schon war. Stattdessen war sie eine Dichterin an einer Straßenecke, die versuchte, ihr Werk vorzutragen, während die Leute an ihren Kleidern rissen.“

Das ist ein schönes Zitat, eine poetische Beschreibung eines Lebens im Zwiespalt. Und doch etwas verblüfft nimmt man zur Kenntnis, daß die Ehe mit dem berühmten Dramatiker erst am 16. Januar 1996 geschieden wurde, anderthalb Jahre vor ihrem Ende. In der Erinnerung waren diese Zeitabschnitte sehr viel länger, weil dazwischen die Kennedys lagen, über die wir jetzt nichts mehr sagen, worüber vielleicht die Geschichtsschreibung im 21. Jahrhundert in den geheimen Papieren des Weißen Hauses mehr herausfiltert. Es gibt es also ein neues Buch, das auf neue Art Altbekanntes bringt. Eines kann es nicht. Das Geheimnis um die Ausstrahlung dieser Frau, die die einen zu Tränen rührte, die anderen verrückt machte, aber eigentlich niemanden kalt ließ, zu entschlüsseln.

Marilyn Monroe. Fotografien einer Legende, mit Texten von Nick Yapp, Schwarzkopf &Schwarzkopf  2009

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