Ob er so zufrieden wäre, wie die Ausstellungsbesucher feixend seine meist „ohne Titel“ bezeichneten Sextiraden goutieren? Im Ernst, auch wir mussten bei diesen Bildern sehr oft lachen. Wenn der Froschkönig vom 13.1.1984 in den Maßen 160 x 120 cm in Grün- und fleischfarbenen Tönen einen am Boden liegenden Euter besteigt, nein zwei, die eine Frau auf vier Beinen andeuten soll, die grimmig schaut und dem Froschkönig die Lust auch schon vergangen ist, dann ist das einfach komisch, genauso wie all die anderen „Paarungen/Freie Sexualität“, wie die Werke vor allem aus dem Jahr 1984 zusammengefasst heißen.
Manches sind eher gymnastische Übungen oder Defekte, manchmal – leider sehr selten – findet man einfach den Linienverlauf auf den Ölgemälden aufregend und sieht erst nachher, daß es konventionell um Männlein und Frauchen und ihr Zueinanderfinden geht. Daß die Frau vor allem aus Busen besteht, darf ja einer imaginieren, aber schöne gibt’s dabei sehr selten und überhaupt erinnern die roh- und rotfigurigen Nackten, mit der Differenzierung des Gelbs, dann doch sehr an den längst vergangenen Expressionismus, wo auch die Inhalte eine Funktion hatten, richteten sie sich gegen eine bürgerliche Welt, die die Sexualität nach außen nur als Fortpflanzung, nach innen aber als Männerspiele zuließ . Dass Frauen auch eigenständige sexuelle Wesen sind, war vielen etwas Neues, obwohl wir mit solchen Aussagen auch gleich wieder aufhören sollten, besteht doch große Kunst seit der Antike aus erotisch ansprechenden Körpern und ihren Verwicklungen.
Leich macht es Muehl einem auch mit seinen Wachskreiden und Acryl auf Papier nicht. Das ist alles so plakativ und vordergründig und man denkt bei jedem Blatt, daß man das alles schon gesehen hat. Faszinieren kann uns allenfalls der Sammler Rudolf Leopold und seine Motive des Muehlschen Kaufs. Sein Sohn zitiert ihn im Katalog; „Daraufhin hab` ich ihn auch im Gefängnis zweimal besucht, und dort hat er sogar eine Zeichnung von mir gemacht, wo er gleich auch eine Frau, die lüstern auf mich ist, dazugezeichnet hat. Da hab ich gesagt, na, wenn Sie das schon zeichnen, dann müssen Sie in alter Manier auch meinen Penis zeichnen, wie er spritzt grad – das hat er ja gerne gemacht, die wüstesten Sachen – und er machte das dann auch prompt.“ Das hat dann uns wieder gefallen, wie ein Rudolf Leonhard mit seinen Künstlern spricht.
Nicht nur an einem Bild kann man in der Ausstellung sehen, was Otto Muehl eigentlich kann, aber an diesem besonders. Da gibt es dieses Porträt vom deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer aus dem Jahr 1967, zum Fürchten gut. Das Kantige, das Überhebliche, das Eingeschnürte, das Katholisch-Verbiesterte – eben nicht das Katholisch-Lüsterne – kommt in diesem Siebdruck aus jedem Zug, dem verriegelten Mund, den Falten, dem Blick der Augen zum Ausdruck und korrespondiert geradezu unheimlich mit der Farbgebung, wo ein doch sanftes Rosa des Kragens und kleinen Stellen der Kopfpartien überlagert wird vom gräßlich gelben Hintergrund und den grüngelben Schlieren im Gesicht. Ja, so war er, der Herr Bundeskanzler. Und dieser hängt alleine. Denn als Ensemble begrüßen einen eigentlich zehn, meist in den Maßen 122 x 86 cm große Siebdrucke, die fast alle aus den Jahren 1989/90 sind: von Kurt Waldheim über Pot Pol, Muehls Privatheiligen Vincent van Gogh mit Pfeife oder auch mit Hut, Marilyn Monroe in verschiedenen Fassungen – also allesamt sehr ausgefallene Sujets – , auch Prinz Charles ist dabei, zu denen dann am Rande die ein Jahrzehnt später, also am 21.2.2000 gefertigten Ayatollah Khomeini und Fidel Castro stoßen. Welche Aussage dahinter steht? Das haben wir nicht herausbekommen und statt dessen lieber ganz lange das konturenlose Farbleben in Schwarz, Grau, Weiß und Gelb angeschaut, wo ohne Titel am 13.3.1990 in den Maßen 170 x 170 einfach Ölfarben sich auf der Leinwand ein Stelldichein geben. Das hat uns gefallen.
Bis 4. Oktober 2010
Katalog: „Otto Muehl. Sammlung Leopold“, Christian Brandstätter Verlag 2010. Wer Kataloge kauft, weiß meist warum. Die einen wollen ihr Erlebnis konservieren, auch Dingen nachspüren, Bilder vertiefen oder eben die wissenschaftliche Aufbereitung der künstlerischen Werkes dessen, um den der Katalog kreist, verfolgen. Bei diesem Katalog und bei diesem Künstler kommt noch dessen Skandallebensweg dazu, wobei auch auf den Anlaß der Gefängnisstrafe, der Mißbrauch von Kinder, Jugendlichen, Frauen, überhaupt Menschen eingegangen wird, vor allem aber versucht wird, davon das Künstlerische abzutrennen. Was nicht einfach ist, weil ja das Sexuelle auch Thema der Kunst bleibt. Uns hat vor allem interessiert, was Diethard Leopold über die Motive des Sammlers Leopold schreibt und was dieser alles unternommen hat, um Muehls Werke für seine Sammlung sichern zu können.
Die Gemälde und Drucke selbst sind hervorragend wiedergegeben, wobei das alte Problem bestehen bleibt, daß die Größe auf dem DIN A 4 Blatt keine Vorstellung über die tatsächliche Größe imaginieren kann, weshalb es wichtig ist, sich die hinzugefügten Angaben der Zentimeter zu Gemüte zu führen. Ganz sicher leben Muehls Bilder auch von ihrer Größe, denn im kleinen Format verlieren selbst die Farben ihre Gewalt.
Reiseliteratur:
Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005
Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.
Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007
Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007
Marco Polo, Wien 2006
Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch
Tipp: Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.
Anreise: Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.
Aufenthalt: Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien. Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.
Essen und Trinken: Völlig zufällig gerieten wir im Februar 2010 nur kurz in die Eröffnung des NASCH im Hilton Plaza. NASCH heißt das neue Restaurant aus gutem Grund, denn es geht auch ums Naschen, man kann sich seine Vorlieben in kleinen Portionen, dafür vielfältig aussuchen, in der Art der spanischen Tapas. Das Entscheidende am neuen Restaurant im Hilton Plaza aber ist, daß die Grundlage die österreichische Küche ist. Man kann sich quasi durch Österreich durchessen. Wir werden das ein andermal tun und dann darüber berichten. Das haben wir immer noch vor!
Mit freundlicher Unterstützung von Air Berlin, den Hilton-Hotels Wien und dem Wien Tourismus.