Das ist auch heute noch so, nur kommen seit 1989 die meisten Au-pairs aus Ost-, Südosteuropa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. In Felicia Zellers Stück „Gespräche mit Astronauten“ heißen diese Länder Rostland, Würgistan, Schlamparei, Mogelei, Ukulele oder Stohlen. Für die jungen Frauen von dort ist „Knautschland“ der Ort ihrer Sehnsucht, nur „Hängland“ wäre noch besser.
„Knautschland“ steht für Deutschland, und in einem im Programmheft abgedruckten Interview äußert Felicia Zeller, ein „knautsches“ sei ein politisch korrektes Verhalten, wie es in Deutschland bei berufstätigen Frauen ihren Kindermädchen gegenüber üblich sei oder, den eigenen Ansprüchen der Frauen gemäß, sein sollte. Respektvoller Umgang also, keine Hierarchie, kein Oben und Unten, Schwerelosigkeit ist angesagt wie bei dem Astronauten, der im Hintergrund der Bühne herumschwebt.
Das Stück wurde im September 2010 am Nationaltheater Mannheim uraufgeführt und war als Gastspiel bei den Autorentheatertagen in den Kammerspielen zu erleben. Regisseur Burkhard C. Kosminski hat einen vergnüglichen Theaterabend arrangiert mit viel Musik, Tanzen nach „Dschingis-Khan“ und pointierten Dialogen.
Bühnenbildner Florian Etti hat die Spielfläche mit Plüschtieren voll geschüttet. Dazwischen agiert das fünfköpfige Ensemble mit sehr viel Tempo, Präzision und Elan in wechselnden Rollen als gestresste Arbeitsgeberinnen, genervte Au-pairs oder quäkende Kinder.
Die Arbeitgeberinnen sind Managerin, Chefsekretärin, Filmproduzentin oder Wissenschaftlerin, alle schwer gestresst und von der Doppelbelastung durch Beruf und Familienmanagement überfordert. Die Au-pairs sind hauptsächlich an Outfit, Partys und Männern interessiert.
Frauenfreundlich sind diese Klischees wohl nicht, aber die Inszenierung ist so überdreht, grotesk und unterhaltsam, dass sich die Frage nach gesellschaftspolitischen Aussagen nicht wirklich stellt.
In Daniel Metzgers Stück „Balkanmusik“, im Januar 2011 am Staatstheater Mainz uraufgeführt, träumen sich drei erfolglose Musiker in den Osten. Ziel ihrer Sehnsucht ist der Balkan, eine Fantasieregion, in der es wild und urwüchsig zugeht. Die Musiker werden dort von Rebellen entführt, denen sie eine Revolutionshymne schreiben sollen. Einer der Musiker wird ermordet und einem anderen die Tat in die Schuhe geschoben. Am Schluss sitzen sie aber alle wieder in ihrem Auto und singen: „Wir schlafen für ein besseres Morgen auf der Rückbank der Gesellschaft“.
Die drei Musiker sind politisch engagiert, aber obwohl sie sich als antikapitalistisch verstehen und gern richtige Rebellen wären, ist ihnen die Radikalität und Gewaltbereitschaft der echten Revoluzzer nicht sympathisch.
Felix Mühlen (Schlagzeug), Lukas Piloty (Gitarre) und Stefan Graf (Bass) spielen die drei jungen Männer, die sich zum Heldentum nicht so recht eignen. Rebellenführer Iství n (Zlatko Maltar) dagegen ist ein Räuberhauptmann wie aus dem Märchenbuch.
Die einzige Frau im Stück ist die Räubertochter Mirjana. Pascale Pfeuti präsentiert sich in tadelloser Haltung und mit meistens unbewegter Mimik. Mirjana spricht ein altertümliches Deutsch, das sie aus Goethes Werken gelernt hat. Hinter der Fassade der Wohlerzogenheit steckt jedoch auch eine verführerische junge Frau, die ebenso intrigant wie entschlossen ihr großes Ziel verfolgt: Raus aus dem Balkan und nach Weimar.
Das turbulente Stück mit der eingängigen Musik von Tomo Polí¬c wurde von Jan-Christoph Gockel wirkungsvoll und spannend in Szene gesetzt und vom Publikum in der Box des DT mit stürmischem Applaus gefeiert.