Ist Schönheit göttlich? Zumindest scheinen die Götter zu wissen, was schön ist. Denn oft sind sie in ihrer himmlischen Sphäre umgeben von engelgleichen Wesen, die mit körperlichen Vorzügen stets verschwenderisch ausgestattet sind. Vielleicht so wie diese zierlichen Tänzerinnen von Siem Reap? Nahezu schwerelos schweben sie in einem üppigen Tropengarten mit ihren langen Gewändern dahin. Und ziehen dabei mit betörenden Gesichtszügen stets neue bewundernde Blicke auf sich. Ist dies vielleicht schon die dem Himmel entliehene ideale Schönheit?
Schönheitsideal in Stein gemeißelt
Die ernüchternde Antwort begegnet nur ein paar Kilometer entfernt an den Tempelwänden von Angkor Wat. Denn dort findet sich das unübertroffene Schönheitsideal, dem sich selbst die Tänzerinnen von Siem Reap von frühester Kindheit an verpflichtet fühlen. Es sind dies die unvergleichlichen Apsaras, die hier in Stein gemeißelt die Jahrhunderte überdauert haben. Sinnlich ihr Mund, grazil ihre Bewegung und erlesen ihre Kleidung. Dazu versehen mit einem monalisahaften Gesichtsausdruck, der als „Lächeln von Angkor“ nicht von dieser Welt zu sein scheint. Sogar ein göttliches Lächeln, das sich an diesem Ort der irdischen Sphäre offenbart?
Nur die Natur bleibt unbeeindruckt von solchen schwärmerischen Erwägungen. Vereinnahmend holt sie sich zurück, was menschliche Kultur ihr einst großflächig abgetrotzt hat. An vorderster Front ihrer Rückeroberungsarmee stehen die Würgefeigen, die gleich Pythonschlangen die alten Mauern und Tempeltürme mit ihren stämmigen Wurzelkrallen umklammern und schließlich zu Fall bringen. So als wollte die Natur sich nicht ein zweites Mal von dieser Stelle vertreiben lassen.
Mörderischer Umklammerungsgriff
Erging es nicht ähnlich auch der gesamten Kultur Kambodschas, die seit den mächtigen Khmer-Reichen alle südostasiatischen Kulturen an Schönheit und Eleganz stets überflügelte? Angkor-Kenner Chy sieht beim Rundgang durch die Tempelstadt als persönlich Betroffener eine Parallele zwischen dem mörderischen Umklammerungsgriff der Würge-Feigenbäume und dem rücksichtslosen Vorgehen des Steinzeit-Kommunismus unter seinem Diktator Pol Pot. Denn auch dieser schickte sich an, im Chaos des gesellschaftlichen Umbruchs die schönsten kulturellen Zeugnisse der Vergangenheit zu zerstören oder zumindest dem Verfall preiszugeben. Eine drei Jahrzehnte andauernde Katastrophe am Ende des letzten Jahrhunderts, die bis in die Gegenwart hinein ihre traumatischen Spuren hinterlässt.
Nur Chy hat, wie er augenzwinkernd berichtet, Grund zur persönlichen Freude. Denn nach Schließung aller Klöster zwangen die damaligen Machthaber seinen Vater, einen ehemaligen Mönch, zur Heirat mit einer jungen Frau, die dieser nicht kannte. Beide erhielten den offiziellen Auftrag, für Nachwuchs zu sorgen. Und da es bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung ernsthafte Schwierigkeiten gegeben hätte, machten sich beide sofort ans Werk – mit einem Ergebnis, das seinen gebannt lauschenden Zuhörern am Ende dieser anrührenden Geschichte gelassen entgegen lächelt. Und da der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, bereitet auch Chy sich gerade vor auf seinen baldigen Eintritt in ein buddhistisches Kloster.
Neues Leben auf Robinson-Crusoe-Inseln
In den Strudel dieser unsäglichen Ereignisse gerieten natürlich auch die Metropolen des Landes wie Siem Reap und Phnom Penh, deren Bevölkerung ohne Vorwarnung aufs Land deportiert und dort einem ungewissen Schicksal ausgeliefert wurde. Inzwischen hat die Zeit viele dieser Wunden geheilt, und in den Stadtzentren schießen die Restaurants, Bars und Hotels wie Pilze aus dem Boden. Ja selbst ein Nachtleben gibt es hier bereits zu entdecken. Allem voran die Pub Street in Siem Reap, in der sich schon kurz nach Sonnenuntergang alle Welt ein geselliges Stelldichein gibt.
Nur ein Gebiet gelangte bislang noch nicht in den Rang des öffentlichen Interesses. Es ist die Küstenregion Kambodschas, die sich über mehr als vierhundert Kilometer zwischen Thailand und Vietnam erstreckt. Sie ist gespickt mit Inseln und Inselchen, an denen selbst ein Robinson Crusoe Gefallen finden würde. Doch nun regt sich langsam auch hier neues Leben, das dazu beitragen soll, den Gästen des Landes nach ihrem Aufenthalt in den Zentren des Nordens auch die Schönheiten im südlichen Landesteil nahe zu bringen.
Schweben über dem Wasser
Den Anfang dieser Entwicklung macht die kleine Zwillingsinsel Song Saa, die als erste Privatinsel der Region erst vor wenigen Monaten als touristisches Refugium eröffnet wurde. Mit einem Schnellboot ist sie von Sihanoukville aus in einer halben Stunde leicht zu erreichen. Bereits bei der Anfahrt fallen am Strand die gepflegten Pfahlbauten ins Auge. Sie gewähren durch ihre günstige Lage offensichtlich einen unmittelbaren Zugang zum Meer. In der Mitte der Insel dagegen ducken sich Dschungel-Bungalows unter ausladende Palmen-Blätterdächer und geben den Blick frei über die kleine Tropeninsel bis weit hinaus über das bläulich schimmernde Meer. Ein Südseeparadies im Golf von Thailand?
Und immer wieder, so wird schon beim ersten Landgang deutlich, ist es das ständige Schweben über dem Wasser, bei dem sich das wohlige Gefühl des Abgehobenseins einstellt. In weitem Bogen schwingt sich ein Holzsteg über die Wasseroberfläche hinüber zu dem Restaurant auf Stelzen, das zusammen mit der stilvollen Bar eine architektonische Einheit bildet. Hier zu sitzen auf einer der beiden Terrassen, nur getrennt von den herauf schwappenden Wellen durch einen Bretterboden aus Treibholz, macht neugierig auch auf alles Andere, das man sich hier sonst noch hat einfallen lassen.
Luxus in Harmonie mit der Natur
Und an solchen Besonderheiten mangelt es wahrlich nicht. Allein das Angebot von herausragenden Plätzen, an denen zum Dinner eingedeckt wird, ist immens. Sei es am Pool mit den Füßen im Wasser oder am Strand im feinen Sand. Am Ende einer Rampe, die genau einem verschwiegenen Tisch für zwei Plätze bietet oder auf dem breiten Holzsteg, der die beiden Schwesterninseln miteinander verbindet. Wegen der Vielfalt dieses Angebots und der Vielseitigkeit der heimischen Khmer-Küche ist eine genießerische Abendstimmung jeweils vorprogrammiert.
Zwar Luxus, jedoch einer, der sich „in voller Harmonie mit der Natur“ abspielt, wie Rory und Melita Hunter betonen, die hier mit dem Erwerb ihrer Doppelinsel vor wenigen Jahren den Stein ins Rollen brachten. Nichts sollte durch den Ausbau der Zwillingsinseln in seiner Ursprünglichkeit beeinträchtigt werden. Weder die Inseln selber mit ihrem üppigen Baumbestand noch das Meer mit seinem Fischvorkommen. Und schon gar nicht die Nachbarinseln mit ihren Fischern, von denen manche auf Song Saa sogar neue Arbeitsplätze fanden.
Einssein mit der Natur
Das zentrale Anliegen der „Umweltbewahrung“ wird bereits frühmorgens beim Kayaking durch die Mangrovenwälder der Nachbarinsel erkennbar. Mit wendigen Booten geht es lautlos hinein in die von Mangrovenwurzeln geformte Wasserschneise. Nach Sonnenaufgang ist der Höhepunkt des Vogelgesangs erreicht, der hier bereits mit dem ersten Morgenlicht eingesetzt hat. Genau die richtige Zeit für eine Nachteule, um bei ihrem Heimflug noch einmal eine kurze Rast auf dem Ast eines Baumes einzulegen und die seltsamen Wasserfahrzeuge unter sich neugierig zu inspizieren. Ist dies schon das auch anderswo häufig angestrebte und doch selten erlebte Einssein mit der Natur?
Auch in der sternenklaren Nacht stellt sich ein ähnlich intensives Naturgefühl ein beim hinab gleiten vom Bungalow aus in die angenehm warmen Fluten. Nur knapp über dem Horizont ist der Polarstern mit seinem matten Licht gerade noch erkennbar. Voller Strahlkraft hingegen der Orion, der sich fast unmerklich über die Himmelsachse auf seiner Bahn nach oben bewegt.
Eine Welt voller Schönheit und Überraschungen
Und dann dieses seltsame Funkeln im Wasser. Sind es etwa die Sterne, deren Glanz an der Wasseroberfläche reflektiert, sobald die Arme eine Schwimmbewegung ausführen? Doch die Irritation dauert nicht lange. Denn schnell ist zu erkennen, dass fluoreszierendes Plankton die Ursache darstellt für dieses ungewöhnliche nächtliche Phänomen.
Insgesamt ist es eine Welt voller natürlicher und inszenierter Schönheit, die sich hier in dem kleinen Inselkosmos von Song Saa Private Island auftut. Bislang jedoch noch nahezu unbekannt in den europäischen Reisekatalogen. Fragt sich nur, wie lange noch.
Reiseinformationen „Kambodscha“:
Anreise: Günstig mit Condor, freitags direkt ab Frankfurt nach Siem Reap; auf allen Flügen sind neben der regulären Economy Class auch die Premium Economy und die Comfort Class im Angebot. www.condor.com; Von Phnom Penh aus sind private Helicopertransfers nach Song Saa möglich.
Einreise: Erforderlich ist ein noch 6 Monate gültiger Reisepass. Ein Touristenvisum wird bei der Einreise für 20 USD ausgestellt.
Reisezeit: Die beste Reisezeit ist Mitte November bis März; ab April steigende Temperaturen, von Mai bis Anfang November Regenzeit.
Reiseveranstalter: ID Reisewelt, www.id-reisewelt.de, Tel. 03491-407373
Unterkunft: Siem Reap: Navutu Dreams Resort & Spa, www.navutudreams.com; Phnom Penh: Hotel Sofitel Phnom Penh Phokeethra, www.sofitel.com; Inselhideaway: Song Saa Private Island, www.songsaa.com
Auskunft: ICS Travel, www.icstravelgroup.com
Reiselektüre: Stefan Loose Reiseführer Kambodscha von Beverley Palmer, 2012 4.Aufl., ISBN 978-3-7701 6707-4, EUR 22,99