„Wir graben alle 15 Tage durch die Schneedecke“, erzählt Fritz Schlierenzauer und stützt sich zwischendurch mal an der Schaufel ab, dann arbeitet er sich weiter durch die Schneeschichten. Derzeit liegt die weiße Pracht nur knapp 1,5 m hoch. Dies ist für die Region am Körbersee im hinteren Bregenzer Wald nicht viel. An der ausgeschachteten Grube ragen Messlatten in die Höhe – bis auf 5 Meter! „Manchmal schneit es drei Tage ununterbrochen“, erzählt Fritz weiter. Mit seinen 64 Jahren ist er ein echtes Urgestein der Region. Die Schneemessung für den Lawinenwarndienst betreibt er seit Jahrzehnten. Sofern es Neuschnee gibt, wird der Zuwachs täglich gemessen, weitergeleitet und archiviert. Dazu kommt noch die Grabung durch alle Schichten zweimal monatlich. „Wo liegt der Rekord?“ fragen wir den Spezialisten neugierig. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: „Anfang April 1988 waren es 3,49m. Dabei messen wir aber den über eine Wintersaison insgesamt gefallenen Schnee. Im Winter 1998/99 war das 16,49 m!“ Diese Zahlen hat er parat, es sind Rekorde. Genau nachsehen kann er im Computer, wo alles archiviert ist. Im Durchschnitt der letzten beiden Jahrzehnte waren es etwa elf Meter je Winter.
Der Wind ist Baumeister der Lawinen
Nach dem verheerenden Lawinenwinter 1954 mit vielen Todesfällen hat das österreichische Bundesland Vorarlberg mit Unterstützung der eidgenössischen Anstalt für Schnee- und Lawinenkunde in Davos am Weißfluhjoch einen eigenen Lawinenwarndienst entwickelt. Laien unterschätzen die Gefahren oft. Liegen doch die frisch beschneiten Hänge so harmonisch und friedlich in der Wintersonne. Aber der Schein trügt. „Der Wind ist Baumeister der Lawinen“, erklärt Fritz Schlierenzauer. „Von ihm aufgetürmte Wächten können am Grat abreißen.“ Auch große Neuschneemengen oder Tauwetter schaffen Risiken. Entscheidend ist, ob und wie sich die einzelnen Schichten der Schneedecke miteinander verbinden. Daher werden Schichtprofile erstellt und das Schneegewicht bestimmt. So kann ein Kubikmeter Schnee bei entsprechender Nässe bis zu 750 kg wiegen. Kein Wunder, dass hier auch Sicherheitscamps betrieben werden, um Skifahrer entsprechend zu schulen.
Im Gebiet Warth-Schröcken beiderseits des 1670 m hohen Hochtannbergpasses finden man in aller Regel gute Schneeverhältnisse. Aufgrund der topografischen Ausrichtung der circa 2500 m hohen Gipfel fällt gewöhnlich so viel von der weißen Pracht, dass Schneekanonen selten zum Einsatz kommen. Zwischen Widderstein und Karhorn führt die Passstraße vom Bregenzerwald kommend hinüber ins 1500 m hoch gelegene Warth. Vor 100 Jahren war es im Winter wegen der Lawinengefahr und damals fehlenden Verbauungen praktisch noch unmöglich, von einer Seite des Passes auf die andere zu gelangen. Eingerahmt vom Biberkopf im Norden und Gipfeln der Arlbergregion im Süden ist Warth auf der Ostseite gleichzeitig Anfang und Ende des über Reute nach Füssen hinunter verlaufenden Lechtales. Von Warth führt eine Strecke auch direkt nach Lech am Arlberg. Im Winter ist diese Verbindungsstraße wegen Lawinengefahr bis Anfang Mai gesperrt.
Jedoch auch ohne Auto gibt es reizvolle Möglichkeiten von Warth aus hinüber nach Lech zu gelangen. Schon 1894 hat Pfarrer Müller die Route im Winter auf Skiern vorbei am Karhorn durch das Auenfeld hinüber nach Lech befahren. Die Variante ist auch heute noch je nach Schneelage manchmal eine Herausforderung. Was liegt näher, als die beiden Skigebiete im Sinne einer „Skischaukel“ durch neue Gondelbahnen miteinander zu verbinden? Pläne bestehen, Gremien sind angehört, Genehmigungen erteilt. In der übernächsten Wintersaison wird es möglich sein.
Heiße Sechser und Pistenraupen
Dabei bietet die Region Warth – Schröcken selbst bereits 14 Liftanlagen, 68 km Pisten, Funparks, bewirtschaftete Hütten auf über 2000 m Höhe und fast ausschließlich baumfreies Gelände. Besonders beliebt sind die Sechsergondeln mit beheizten Sitzflächen und Wetterschutzhauben aus Plexiglas. Von der Talstation im Zentrum von Warth wird das bis über 2000 m hoch gelegene Skigebiet mit dem Steffisalp Express ebenso erreicht, wie mit dem Saloberjet, der vom Scheitel des Hochtannbergpasses aus startet. Ist man einmal ganz oben ausgestiegen, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten und Schwierigkeitsgrade. Dabei haben breite blaue Pisten auch für Familien und Anfänger ihre Reize, neben der schwarzen Abfahrt direkt zur Talstation für Könner. Dies alles intakt zu halten kostet Zeit und Arbeitsstunden. Insgesamt sind etwa 40 Angestellte im Dienste der Wintersportanlagen, die meisten davon in der Technik, als Pistenfahrer und nur wenige in der Verwaltung. Wintersportler sind heute verwöhnt, denn viele Skigebiete wetteifern um die Gunst der Gäste. Technikfreaks können nach einem Skitag in Warth-Schröcken die auf ihrem Skipass gespeicherten Aktivitäten, wie benutzte Lifte, Einstiegszeiten und gefahrene Höhenmeter im Internet abrufen. Dazu genügt die Registrierung mittels der Skipassnummer auf der Homepage www.warth-schroecken.com.
Nach Einbruch der Dunkelheit bewegen sich einige Lichter wie Glühwürmchen weit oben über die Hänge. Mindestens acht Pistenraupen sind unterwegs. Verhärtete Zonen werden mechanisch bearbeitet, abgefahrener Schnee zurück nach oben geschoben und verteilt. Fast eine ganze Nachtschicht kriechen die Fahrer mit diesen Spezialfahrzeuge die Hänge hinauf und hinunter. Da müssen die Sitze bequem sein. Wir sind bei einem Einsatz dabei. Sehr komfortabel und ergonomisch sitzt man, breite Fenster gewähren beste Sicht, ein Radio, übersichtliche Instrumente, ein richtiges Cockpitgefühl! Für uns ist es aber kaum vorstellbar, wie man sich hier oben in der Dunkelheit orientieren kann. „Wenn Schneesturm und Nebel ist, haben wir nachts eine bessere Sicht als am Tag“, erklärt der Pistenfahrer. Die Fahrzeuge sind hier acht Winter im Einsatz und gehen dann an die Lieferfirma zurück, zur Generalüberholung und Weiterverkauf. Einige der Raupen haben vorne eine Seilwinde. Sie hängen sich an im Berg verankerten Stahlpfosten, um gut gesichert die Steilhänge bearbeiten zu können. Wenn die Arbeit gegen Mitternacht beendet ist, sollte der Schnee etwa 10 Stunden ruhen. Das braucht er, damit sich die neu aufgebauten Schichten mit einander verbinden können.
Mit Schneeschuhen unterwegs
Heute haben wir uns einen Tag ohne Skier vorgenommen. Von der Passhöhe in Hochkrumbach geht es auf Schneeschuhen hinüber zum Körberseehotel.
Unbeholfen sind die ersten Schritte mit den eigenartigen „Gestellen“ an den Füßen. Doch schon nach wenigen Minuten findet jeder seinen Rhythmus. Gerade die sanfte Drehung, die beim gemächlichen Gehen mit Schneeschuhen statt findet, ist für die Wirbelsäule sehr wohl tuend. Am zugefrorenen Kalbelesee vorbei steigt der Pfad langsam an und führt zwischen einzelnen bereiften Zirbelkiefern über sanfte Hügel. Schon nach einer halben Stunde kommt das Ziel in Sicht. Schneeschuhe können an jedem stabilen Wanderstiefel befestigt werden. Die modernen Ausführungen sind ca. 40 cm lang u-förmig aus Aluminium mit verstellbaren Verschlüssen, die je nach Schuhgröße angepasst werden. Schon seit einigen Jahren findet diese Sportart immer mehr Anhänger. Ursprünglich dienten sie Trappern und Menschen, die in den entlegenen Gebieten Nordamerikas oder Skandinaviens weite Strecken über tief verschneites Land zurücklegen mussten. Mindestens doppelt so groß, aus Weidenruten geflochten, mit Lederriemen verbunden, verhinderten sie das tiefe Einbrechen beim Überqueren einer Schneedecke. Gerade dieser Vorteil ermöglicht es Naturfreunden, auch im Winter abseits der üblichen Touristenwege unterwegs zu sein. Wer neben den ausgewiesener Trails seine Spuren zieht, sollte nicht auf einen kundigen Führer verzichten. Der weiß, wo man sich bewegen kann, ohne die Tierwelt zu stören. Jedes Aufschrecken des Wildes bedeutet für dieses einen hohen Kalorienverlust, der gerade im Winter nicht so einfach auszugleichen ist. Zahlreiche Spuren von Schneehühnern und Hasen sind unübersehbar.
Langsam nähern wir uns dem Hotel Körbersee wieder. Heute hatte Fritz Schlierenzauer keinen Neuschnee zu messen. Vor dem Holzgebäude sitzen Familien in der Sonne und genießen den herrlichen Wintertag. Im Hintergrund erheben sich Mohnenfluh und die Braunarlspitze, rechts davon die hohe Künzel – verlockende Tourenziele mit Bergstiefeln und Rucksack im Frühsommer, wenn dann Enzian, Alpenrosen und Trollblumen wieder blühen. Aber dazu müssen wir noch einige Monate warten. Gegen Abend wird es still. Tagesgäste haben sich auf den Weg zu den Parkplätzen gemacht. Von hier geht es nur zu Fuß zurück. Im Westen hinter dem Abendrot ziehen dunklere Wolken auf. Wahrscheinlich werden die Schneeforscher morgen wieder etwas zu tun bekommen.
Informationen:
Allgemeine Informationen und Zimmervermittlung bei Tourismus Warth-Schröcken, A 6767 Warth/A 6888 Schröcken, info@warth-schroecken.com, www.warth-schroecken.com.
Die Skisaison beginnt meist Anfang Dezember und endet in dieser Wintersaison am 1. Mai. Ausrüstungen können vor Ort geliehen werden. Anreise entweder über die Bregenzerwaldstraße von Bregenz aus, oder über Füssen und Reute durch das Lechtal.
Ski in Ski out direkt in Warth, sowie in max. 10 Minuten mit Skibus von Schröcken aus. Kinderskikurse in den Skischulen, sowie Kinderbetreuung (ab 2 Jahren) auf Voranmeldung im neuen Skischulgebäude in Warth. Der Tagesskipass für Erwachsene kostet € 39,50, für Kinder ist er stark ermäßigt. Während der Wintersaison gibt es zahlreiche günstige Pauschalangebote.
Unterkünfte stehen vielfältig zur Verfügung. Gegenüber der Talstation Steffisalp Express liegt das 4* superior Wellnesshotel Warther Hof mit Südbalkonen und freier Sicht auf die umgebenden Gipfel. Eine weitläufige Wellnessanlage mit mehreren Saunen, einem Innen- und Außenschwimmbecken, Dampfbad, Whirlpool etc. bietet entsprechende Entspannung nach einem Tag auf den Pisten. In der so genannten Verwöhnpension sind Frühstücksbuffet, eine Mittagsjause mit alkoholfreien Getränken und das Abendessen enthalten. Auskünfte unter hotel@wartherhof.com, bzw. unter www.wartherhof.com.
Literatur: Faszination Erde – Österreich -Kunth Verlag, München. Ein ganz besonderer Leckerbissen für das Auge aus der bekannten Reihe des renommierten Müchner Verlages. Der Bildband „Faszination Erde Österreich“ zeigt, gegliedert von Ost nach West, die ganze Vielschichtigkeit der Alpenrepublik, auch jenseits der Klischees, in außergewöhnlich schönen Farbbildern – vielfach im Panoramaformat. Ausführliche Spezialseiten zu historischen, kulturellen und kulinarischen Themen beleuchten zusätzliche Facetten und geben wertvolle Hintergrundinformationen. Bei der Bildauswahl der besten „Geo-Fotografen“ wurde besonders darauf geachtet, dass neben den Landschaften, Städten und Stätten auch ein Bild des Alltags und seiner Menschen gezeigt wird. ISBN: 978-3-89944-338-7, 160 Seiten, Format: 23,1 x 29,5; Gebunden, mit Schutzumschlag, Preis: EUR 19,90. www.kunth-verlag.de