Es hilft auch nicht, dass die türkischen Zeitungen „Hürriyet“ und „Milliyet“ darauf hinweisen, dass „Märtyrer“ an Bord waren, die bereit waren zu sterben. Zitiert wurde der vielleicht bekannteste Islamist, Fethullah Gülen, der in den USA lebt, weil ihn in der Türkei mehrere Strafverfahren erwarten. Er soll gesagt haben, für eine solche Aktion müsse man sich selbstverständlich die Erlaubnis Israels einholen. Der Kommentator Mehmet Y. Yilmaz fragte: „Ist Fethullah jetzt auch schon israelischer Staatsbürger?“
Aydin Dogan, der Herausgeber und ehemaliger Medien-Mogul der Türkei liegt im tiefen Streit mit dem türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan und sein Medien-Konzern ist eng mit dem deutschen Axel-Springer-Verlag verknüpft. Somit wird der Dogan-Presse eine „Breitseite“ gegen Tayyip Erdogan unterstellt und findet somit wenig Gehör.
Wir brauchen hier sicher nicht weiter darauf hinzuweisen, dass Israel unzweifelhaft die Verhältnismäßigkeit der Dinge überschritten hat. Wer sich die Videos, die auf YouTube veröffentlicht wurden anschauen konnte, wird sich jedoch fragen, wie es denn kommt, dass „Friedensaktivisten“ sich ganz offensichtlich auf eine Auseinandersetzung und sogar auf einen Nahkampf vorbereitet haben. Die gefundenen „Verteidigungsmittel“ auf dem Schiff sprechen eine deutliche Sprache, wie ebenso die Brutalität, mit der die ersten Soldaten, die das Schiff vom Hubschrauber aus enterten, konfrontiert wurden. Ganz sicher war es die falsche Strategie der israelischen Führung, junge Soldaten so einfach mal auf einem solchen Schiff abzuladen, offenbar ganz ohne Strategie und ohne Vorbereitung auf das, was auf sie zukommen würde und wie sie sich verhalten könnten. Da hätte das israelische Militär mit Sicherheit andere Möglichkeiten nutzen können, die jenseits des Blutvergießens, der Wut und Gewalt und der direkten Konfrontation beide Seiten hätte besser aussehen lassen.
Sich solidarisch mit der palästinensischen Bevölkerung zu zeigen, sich für die Aufhebung der Blockade einzusetzen sind unterstützenswerte Ziele. Keine Frage! Doch auch hier könnte der Leitspruch Beachtung finden, den wir von unseren Großmüttern meist hörten: „Sage mir mit wem du gehst, und ich sage dir, wer du bist!“ Selbst wenn wir in Urlaub fahren, schauen wir uns normalerweise den Reiseveranstalter etwas genauer an, prüfen in Internetseiten, welche Hotels er bietet und wie es mit der Kundenzufriedenheit aussieht. Für diejenigen, die sich mit der ehrlichen und friedlichen Absicht an dieser Hilfslieferung beteiligt haben, die in friedlicher Absicht auf die Missstände in Gaza hinweisen wollten, für diejenigen wäre es nicht allzu schwer gewesen, sich Informationen über die türkisch-deutsche Internationale Humanitäre Hilfsorganisation (IHH) einzuholen. Nicht nur, dass ihr Verbindungen zur Hamas nachgesagt werden, ihr wird auch vorgeworfen, Spendengelder nicht nur zu humanitären Zwecken, sondern auch zum Kauf von Waffen zu verwenden. Bereits im Vorfeld wusste man, dass sie eine Konfrontation nicht scheuen werde. Gewalt mit Gewalt beenden zu wollen, hat noch nie zu einer friedlichen Lösung geführt. Das Ergebnis sind 9 tote Menschen, viele Verletzte und Hass. Nicht nur, dass Israel unter Umständen nun seinen letzten Verbündeten in der Region, nämlich die Türkei verlieren wird, sondern den Ultrarechten in aller Welt wird zugespielt. Anti-Israelische, Anti-Jüdische Parolen zu äußern gilt als politisches Bewusstsein in diesen Tagen.
Und wieder ist es die Religion, die mitspielt. Wenn ich in den vergangenen Tagen mit gläubigen Moslems in der Türkei diskutierte, wurde ich nach kurzer Zeit immer wieder gefragt, ob ich etwa Jüdin sei. Wenn ja, dann wolle man sich zurückhalten, wenn nein, dann warum in aller Welt ich denn auf der Seite Israels diskutiere? Eine objektive Betrachtungsweise in dieser Angelegenheit wird schwerlich akzeptiert sowie die Selbstkritik auf beiden Seiten offenbar eine übergroße Selbstüberwindung benötigt.
Heute wurde das irische Schiff „Rachel Corrie“ mit rund 1000 Tonnen Hilfsgütern und 15 Menschen an Bord ohne Waffengewalt geentert. Unter den Passagieren befinden sich die irische Friedensnobelpreisträgerin Mairead Maguire und der ehemalige hohe UN-Vertreter Denis Halliday. Ursprünglich sollte die „Rachel Corrie“ auch Teil der unglückseligen Hilfsflotte sein, bei der so ziemlich alles aus dem Ruder gelaufen ist. Ob das irische Schiff nun auf Grund der Friedfertigkeit seiner Passagiere ohne Auseinandersetzungen geentert wurde oder darum, weil man den gleichen Fehler nicht wiederholen wollte, sei dahingestellt. Fakt ist, dass es auch ohne Aggression und Gewalt geht. Und das hätte man früher wissen können. Bleibt zu hoffen, dass UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nicht deshalb am Mittwoch Israel zur Aufhebung der Blockade des Gazastreifens aufgerufen hat, weil Menschen gestorben sind und somit das Interesse der ganzen Welt geweckt wurde. Wenn dem so wäre, dann helfen echte „Friedensaktionen“ leider tatsächlich nicht. Darüber sollten wir alle nachdenken!