Die Regisseurin Rosamund Gilmore beendete ihre Ring-Deutung ebenso oberflächlich, ja fast peinlich, wie sie vor 3 Jahren begann, mit viel Schnickschnack eben. Warum immer noch schmuddelige Helden in Deutschland en vogue sind, scheint auf einem tiefgehenden geschichtlich bedingten Trauma zu basieren. Jedenfalls gab es eine Brünnhilde zu erleben, die ihren fünfstündigen Schicksalsweg im Pyjama durchleben musste und einen hehren Helden mit fleckigen Jeans; vielleicht vergaß Siegfried seine Brünnhilde auch deshalb so schnell, weil er Gutrune in Designerklamotten traf. Die Glitzerwelt der Gibichungen, mit Butler und Servierfräuleins, sollte eine Künstlerwelt darstellen, so erklärte es Frau Gilmore. Vielleicht ein Selbstporträt? Ja, auch Künstler sind Machtmenschen.
Doch Richard Wagners karmisches Weltendrama ist stark an die Musik gekoppelt und so nimmt die Geschichte dennoch ihren Lauf, deckt das Versagen des Wunderhelden auf (gottlob gibt es Untertitel), gesungen wurde anfangs sehr unsauber. Siegfrieds Schicksal ereilt ihn nach einem kurzen Flirt mit den Rheintöchtern bei Champagner im Wald. Sterbend stürzt er auf eine lebensgroße Hirschattrappe, doch hier nun darf er endlich mit Brünnhilde wieder geistig vereint sein. Auf einem weißen Konzertflügel aufgebahrt, wird er dann seinen beiden Gattinnen präsentiert. Gurtrune verweilt fortan in einer Schockstarre, Brünnhilde wird zur rächenden Hausfrau, der Rest ist hinlänglich bekannt.
Das praktische Einheitsbühnenbild hat Friedrich Oberle entworfen, welches zudem wohl auch das Budget des Hauses geschont hat. Eine Art Fabrikhalle mit fünf Säulen wurde anhand von verschiedenen Beleuchtungskonzepten zum etwas faden Handlungsrahmen dieser vielschichtigen Oper. Natürlich durften auch die Balletteinlagen nicht fehlen, Rosamund Gilmores tänzerische Vergangenheit steht immer mit auf der Bühne. Ob Schlangenkörper in schwarzen Säcken sich mit den Rheintöchtern vergnügen oder Tänzer mit Rabenflügel schlechte Nachrichten übermitteln, es darf getanzt werden. Die durchweg hässlichen Kostüme hat Nicola Reichert entworfen, auch das schon seit dem ’Rheingold`, tja man setzt auf Kontinuität.
Angefangen hat der lange Opernabend mit einer faden Nornenszene, natürlich tänzerisch untermalt, die Damen ( Karin Lovelius, Kathrin Göring, Olena Tokar) schienen mit der Erzählung viel Mühe zu haben, den dramaturgisch gestaltet wurde hier wenig. Glücklicherweise riss das Seil dann doch noch und das Publikum war erlöst. Nach dem ersten Akt hoffte man noch wohlwollend auf einen Opernabend der Steigerungen beinhalten würde, doch der sonst so spannende zweite Akt erwies sich als das Gegenteil. Die hellbraunen Uniformen von Hagens Mannen erinnerten an das faschistische Italien, ebenso der blaue Himmel, der sich in der Loftfassade spiegelte (wie kommt Militär nur in eine Künstlervilla?), irgendwie passte das nun gar nicht zur Musik. Die Farbkomposition des Bühnenbildes ermüdete zudem schnell das Auge, leider wieder kein Drama, auf das man bis zum Schluss vergeblich wartete.
Und die Musik?
Das Gewandhaus Orchester, unter der Leitung von Intendant Ulf Schirmer, agierte grandios. Wie ein musikalisch perfekt schwingendes Superstring-Element dominierte man den Abend, sodass sogar Richard Wagner zufrieden gewesen wäre. Fast rauschhaft, vorwärts drängend, der Grundtenor des Klangkörpers, geprägt von einer warmen Klangsprache, die bis zum Schlusston die Spannung halten konnte. Könnte es sein, dass der Hausherr sich etwas zu sehr auf die orchestrale Seite fokussierte und somit das Gesamtkunstwerk vergaß?
Sängerisch kann man den Abend nicht als Sternstunde bezeichnen. Christiane Libor debütierte als Brünnhilde, es war leider nicht ihr Abend. Sie kämpfte mit der Partie bis zum letzten Ton. Unausgeglichen die Phrasierungen, sie forciert so manche Höhe, von Sprachgestaltung keine Spur. Auch darstellerisch war sie keine Brünnhilde, zu eindimensional geschundenes Weib ihre Ausstrahlung.
Heldentenor Thomas Mohr, auch ein Rollendebüt, zeigte zu Beginn ebenfalls keine Bestform, entschädigte aber das Publikum im letzten Akt mit wunderschön gesungenen lyrischen Passagen. Das darf man über die Waltraute von Kathrin Göhring ebenso sagen, die diese undankbare Partie sehr differenziert und spannend gestaltete. Dem Hagen von Runi Brattaberg fehlte leider – trotz gebrochener Stimme – das dunkel dämonische Element, welches von Alberich (Jürgen Linn) mit mehr Stimmglanz abgeliefert wurde. Marika Schönberg (Gutrune) sang ihre Partie ordentlich, ebenso auch Tuomas Pursio ( Gunther), der dieser Figur stark neurotische Züge verlieh.
Auch der Männer-Chor, in der Einstudierung von Alessandro Zuppardo, zeigte sein gewohnt hohes stimmliches Niveau. Diese starke Chorszene wirkte allerdings hier etwas gehemmt, letztendlich schuld ist eine verfehlte Regie, die nur eine Geschichte zu erzählen versuchte, die gefällig und wohl modern sein sollte. Leipzig wird mit diesem ’Ring` nun etliche Jahre leben müssen, vielleicht gelingt ja doch noch ein ’Entrümpelung`.