Das Wachs-Truck genannte Monstrum ist ein Sinnbild für den mit immer größerem Aufwand betriebenen Wettbewerb im Skisport. Einzig und allein dafür konzipiert und konstruiert, der populärsten deutschen TV-Wintersportart – Biathlon – optimale Servicebedingungen zu gewähren: Ende Oktober offiziell übergeben – 18 m lang – Arbeitsplätze für sechs Skitechniker – Regale für 600 Paar Laufski – Antriebskraft 400 PS – Wert rund 400 000 Euro, finanziert durch Sponsoren ”¦
Die mobile Luxus-Wachskabine der Deutschen für den Skisport hat allerdings kein Alleinstellungsmerkmal. Die Preußen des Nordens, die Norweger, kreuzten als Erste mit einem in Richtung Wachsmobil umgebauten LKW auf. Das hat die Erzrivalen in Schweden provoziert. Der frühere Weltmeister und Olympiasieger der Langläufer, Gunde Svan, initiierte 2008 mit Hilfe von Scania den ersten offiziellen Skiwachs-Truck: 17 m, 20 Tonnen, eigene Generatoren für Licht, Heizung, Belüftung, Raum für 600 Paar Ski. Das wiederum wurmte die Norweger in ihrem Selbstverständnis als Begründer des modernen Nordischen Skisports. Sie zogen im folgenden Winter nach und setzten noch eins drauf: 18,7 m, 34 Tonnen, seitlich ausfahrbar 4,7 m breit!
Ein Wettbewerbs-Nachteil drohte den Deutschen. "Na klar. Da sind wir dann aktiv geworden. Haben argumentiert. Und uns bei den Schweden und Norwegern umgesehen. Und dann unseren Vorschlag für einen Wachstruck des Deutschen Ski-Verbandes auf den Tisch gelegt", berichtet Andreas Emslander. Der 38-Jährige, Lebensgefährte von Kati Wilhelm und seit kurzem stolzer Vater einer kleinen Lotte, ist der Chef des fünfköpfigen DSV-Wachs-Teams. Die modifizierte Sattelzugmaschine MAN TGX führt beim Biathlon ca. 400 Paar Ski für die Athleten mit, "fein säuberlich in Regalen aufgereiht". Dazu 60 Paar Testski "für die Serviceleute".
Der Unterschied zur Situation vorher, seien "wesentlich bessere Arbeitsbedingungen. Dauerte es vorher 2 – 3 Stunden, ehe wir alles aus Transportern in die vom Veranstalter angebotenen Wachskabinen, häufig Container, umgeladen hatten, so können wir heute praktisch loslegen, sobald der Truck festen Stand hat. Und nach Wettkampfschluss sparen wir die erwähnte Zeit und können nach 30 Minuten abreisen."
Rund 2,5 Tonnen Material hat der Truck an Bord: Ski, Wachse, Schleifmaschinen u.ä. Und für die Hauptarbeit, das Wachsen ("wo bis zu fünf verschiedene Schichten aufgebracht werden"), sei es nun spürbar angenehmer, durch Absaugvorrichtungen nicht mehr gesundheitsgefährdenden Dämpfen ausgesetzt zu sein. Im Hauptraum müsse man nun keine Atemschutzmasken aufsetzen. Und im kleineren, separaten Arbeitsraum, wo die verschiedenen Spezialpulver den Ski optimale Gleiteigenschaften verleihen sollen, "da benutzen wir die Atemfilter nur noch präventiv".
Inwieweit das rollende Ungetüm Anteil an den Erfolgen dieses Winters – Siege durch die Gesamterste Magdalena Neuner und Andrea Henkel, 7. im Gesamt-Weltcup, Einzelerfolge durch Andreas Birnbacher (3.) und Arnd Peiffer (6.) – hat, mag Emslander nicht benennen. Klar sei indes, "dass die gesamte Crew – normale Arbeitszeit nun reduziert auf 8 bis 17 Uhr – längst nicht so gestresst nach dem Winter sein wird."
Entlastend ist zudem, dass keiner der Wachsexperten den überlangen Spezialtransporter mit zusätzlicher Hydrauliktechnik für unwegsames Gelände bewegen muss. Für diesen Job hat man über die Bundeswehr einen dafür ausgebildeten Fahrer gewonnen. Da sind die Schweden sparsamer gewesen, bei denen ein Skitechniker die Riesenkiste durch die Landschaft bugsiert.
Kaum zumutbar, für einen "normalen" PKW- oder Kleintransporter-Lenker, wenn man sich die Route anschaut: Vom Trainingslager in Munio, Finnland (hinter dem Polarkreis), ging es zu den Weltcups der Skijäger nach Östersund (Schweden), über die Fähre retour nach Hochfilzen (Österreich), Oberhof (Thüringen), Nove Mesto (Tschechien) und Antholz (Südtirol). Dann wieder über die Nordroute nach Oslo und in das rund 1500 km entfernte Kontiolahti (Finnland). Ehe dann in heimischen Gefilden, in Ruhpolding, der Saison-Höhepunkt mit den Weltmeisterschaften vom 29.2. – 11.3 ansteht. Zwischendurch halfen Emslander und Co. bei der Tour de Ski der Langläufer in Oberhof und Oberstdorf. Was die Kollegen aus Skandinavien häufiger tun müssen, weil dort der Langlauf traditionell einen höheren Stellenwert als in Deutschland besitzt.
"Wir folgen mit dem Truck einem Trend, um auch auf dem Materialsektor weiterhin mit der Weltspitze konkurrieren zu können", erklärt Björn Weisheit, Sportlicher Leiter Biathlon beim DSV. Er, wie die Aktiven und das Team Emslander, hoffen, dass sich die Investition in Podestplätzen bei der WM auszahlen wird.