Freiburg, Deutschland (Weltexpress). Wir ertasteten den Namen Vauban zuerst wo er, bedächtig in Buntsandstein geformt, am Felsenhang des Schlossbergs von seinen Taten kündet. Er hatte die ans sonnengekrönte Frankreich gefallene Hauptstadt von Vorderösterreich zur Festungsanlage ausgebaut.
Die Siedlung linksrheinischer Sieger
über Großdeutschland, welche seinen Namen trug, stand nach ihrem Abzug erst leer – aber nicht sehr lange. Einige Gebäude der einstigen Besatzer wurden besetzt von einem bunten Haufen von Menschen auf der Suche nach neuen Lebensformen und dem Ort, diese zu verwirklichen.
Das Quartier, wo sich solvente solaren
Sie wurden anfangs geduldet, aber dann gab’s doch zu viel dreckige Wäsche zu waschen da draußen. Gar unästhetisch hing sie auf der Leine. An die wollte die „grüne Regierung“ der Unistadt auch seine unangepassten Bewohner binden. Die wenigen, die blieben, gelten jetzt als Exoten. Es solaren sich hier die Solventen, wohl meist grüne Gewissensträger. Von unserem Quartier im Quartier aus – auf deren Gelände in bunten Zeiten eine Wagenburg grüßte – lernten wir ihre grüne Festungsanlage kennen. Mitsamt deren Problemen.
Verbannt aus dem Vauban?
Denn natürlich verzichten nur Narren aufs Auto. Verbannt aus dem Vauban, fast. Statt jedem sein Carport jedem sein Hochgaragenplatz, selbstverständlich begrünt. Vorfahren zwecks Be- und Entladen erlaubt, immerhin sind Surfbrett und Sonnensegel schwerlich weit zu tragen.
Ohnehin fehlt es an ausreichender Parkfläche. Auf dem Biotop am Rand der Bebauung wäre noch Platz für eine zweite Heimstatt der hoffentlich nur E-Fahrzeuge. Oben drauf könnte diese Wiese doch auch ihren ökologischen Dienst erfüllen, oder?
Lebendige Kieze
Wir nehmen die Tram zurück zum Hotel und hinüber in die Stadt. Freiburg hat mehr vorzuzeigen als das Quartier. Lebendige Kieze wie die Wiehre. Gutbürgerlich, stimmt – aber mit Charme und Esprit den wir im Vauban vermissen. Gewachsene Strukturen bilden sich halt nicht über Nacht. Wohin in Freiburg wenn’s Feierling’s Biergarten nicht gäbe – zum Waldsee, in den Stühlinger, ins Grün und ins Grüne.
Noch immer wird auf dem Holbeinplatz jenes Kunststück von Wild wie wild bemalt. Das wär ein Sakrileg im Vauban.
Grünes Revier
Wieder im Quartier sind wir milde gestimmt. Lassen Gras wachsen über alte Geschichten, begeben uns erneut mutig ins grüne Revier. Treffen im „Süden“ dann doch noch auf ein bunt gemischtes Publikum. Wenn bloß das Vauban – trotz geschwungener Fußwege, teils besäter Straßen und allerlei freundlicher Fassaden abseits der Transversale – nicht so total durchgestylt erscheinen würde. Da ist der Backofen für Alle mit Lust auf leckeres selbst produziertes Brot eine willkommene Abwechslung beim Spaziergang durch ein ökologisch geplantes Viertel noch ohne Patina.
Dabei können Bewohner bei der Gestaltung ihrer Domizile individuell mitwirken. Was jedoch fehlt ist das Urwüchsige im geordneten Ökoparadies. Vermutlich verhindern dies – denken wir – sämtliche Baurichtlinien, sowie umfassende Verordnungen.
Ein ökologischer Leuchtturm
Am Hang oberhalb vom Quartier Vauban aber steht oder besser dreht sich ein Gebilde von Gebäude welches alldem Lügen straft. Das Heliotrop® bewegt sich, daher der Name, mit dem Lauf der Sonne wie Blüten oder Blätter heliotroper Pflanzen. Es war auf unserer Erde das erste Haus das mehr Energie produzierte als es für sein wohlig wohnliches Innenleben benötigte. Zu 100 Prozent regenerativ, emissionsfrei und CO2-neutral, seit 1994 ein ökologischer Leuchtturm. Uns blieb leider nur der Blick aus der Ferne und auf die umgebenden Weinberge. Dafür durften wir unten an der Straße das Sonnenschiff entern.
Rolf Disch empfängt in seinem Domizil auf Voranmeldung gern gelegentlich interessierte Besucher. Tja, ärgerliches Versäumnis, also schauten wir uns auf dem Oberdeck vom „ersten Gewerbebau in Plusenergiebauweise“ um, auch ein Werk des heimischen Freiburger Star-Architekten wie die angrenzende Solarsiedlung am Schlierberg, ein Projekt zur EXPO 2000, gekrönt vom Heliotrop®. Auf dem Oberdeck gewannen wir einen weiteren Überblick von diesem sowie jenem Ökoparadies, und einen tiefen Einblick in Vorgärten einiger Penthouses die hier prangen. Durften wir kucken? Angenehm unaufgeräumt, aber erstaunlich kleinbürgerlich erschien uns die heile Öko-Welt. Bildeten wir uns das nur ein – oder stand da wirklich ein Zwerg im grünen Habitus? Hineingepasst hätte er.
Unser Quartier im Quartier: Mit gutem Gewissen schlafen – das Green City Hotel Vauban