Wir aber sind erst am Anfang und Moderator Jörg Thadeusz plaudert vor sich hin und da er das nie geist- oder absichtslos tut, sind da kleine Pointen drinnen, die manche erst später erkennen. Susanne Pätzold spielt als Assistentin Britta die burschikose Trampelrolle und da Moderatorenarbeit viel schwieriger und nervtötender sein kann, als sie aussieht, finden wir, sie haben die Sache gut gemacht. Genauso wie Mark Scheibe & Band, die den Preisträgern und Laudatoren musikalisch aufspielten.
Denn vor den Preis sind die Reden gesetzt. Schließlich muß eine Auswahl – sichtlich manchmal unter sehr Guten den Besten zu finden – allen gegenüber begründet werden. Aber, vielleicht ging das etwas unter, es bleibt immer eine persönliche Wahl derer, die die Jury bilden. Und Jurys gab es so viele, daß wir sie unmöglich benennen können, wo schon die Vielzahl der Preise und potentiellen Bewerber eine herkömmliche Darstellung sprengt. Denn hier geht es um Preise, die in Verbindung mit dem Land Hessen stehen sollen, und alle Bereiche von Fernsehen und Film betreffen, vom Drehbuch angefangen und beim Regisseur noch lange nicht endend und nicht nur die Darsteller und fertige Filme auszeichnen, sondern auch die Kinos, in denen sie gezeigt werden.
Fangen wir also mit diesen an, denn kurz bevor diese Preisübergabe angekündigt wurde, galt es einen Exodus zu bestaunen. Reihenweise verließen Männer und Frauen den Saal der Alten Oper und die Hinterbänkler wunderten sich, was da los war. Hatte jemand auf der Bühne einen beleidigt. War so vielen schlecht geworden? Sollte das ein Affront sein und gegen wen? War es den Leuten langweilig? Mitnichten. Gerade diese waren sehr gespannt. Denn Minuten später standen dieselben oben auf der Bühne und nahmen dankbar den Hessischen Kinokulturpreis entgegen, der an zwei Gruppen für außerordentliche Leistungen und herausragendes kulturelles Engagement verliehen wird: den gewerblichen und den kommunalen Kinos, mit einem dicken Scheck.
Grundsätzlich gilt für diesen Preisabend: „Die Hesse komme“, aber ein Preis bringt die Internationalität der Buchmesse auch in den Hessischen Abend hinein, das ist der für die beste Literaturverfilmung, den die Buchmesse mit dem Preisgeld von 10 000 Euro beisteuert. Juergen Boos erkannte ihn gleich zwei Filmen zu: „Das letzte Schweigen“ nach dem Buch von Jan Costin Wagner – übrigens auch ein Hesse! – und Rebecca Millers „The Private Lives of Pippa Lee“. Waren wir froh, daß der nominierte Film „Eat Pray Love“ mit Julia Roberts in der Hauptrolle nicht ausgezeichnet wurde, den wir halten ihn für Oberkitsch.
Drei Preise sind es, auf die die öffentliche Aufmerksamkeit am stärksten gerichtet ist: Wer wird „bester Film“, wer „beste Darstellerin“, wer „bester Darsteller“? Immerhin gab es beim Film, vergleichbar also mit der Oscarpreisverleihung mit Briefumschlag, spannendem Öffnen, Verlesen, Freudenschreie, Laudatoren und Dankesbezeugungen, hier allerdings auf einen Film, der mit Hessen zu tun hat, beschränkt und die Beschränkung in den Dankesbezeigungen legte Jörg Thadeusz auch den Preisträgern auf, zur sichtlichen Genugtuung des Publikums, denn der Abend wurde auch so lang, immer länger, als geplant, was bei den vielen Preisen und der filmischen Begründung auf der Leinwand in der Natur der Sache liegt.
Für den besten Film waren Lars Kraumes „Die kommenden Tage“ nominiert und „Das Sandmännchen-Abenteuer im Traumland“ von Sinem Sakaoglu und Jesper Moller sowie „Shahada“ von Burhan Qurbani. Letztere gewann und die glückliche Hauptdarstellerin, die im Film eine vertierte Muslimin darstellt, die gegen ihren Vater und liberalen Imam die superorthodoxe Tochter gibt, gab sich als echte Frankfurterin zu erkennen. Maryam Zaree ist in Teheran geboren und lebt hier. Dunja Hayali und Pegah Ferydoni gaben die Begründung der Jury bekannt.
Das nächste sind die Darstellerpreise, die allerdings Fernsehpreise sind und also aus Fernsehfilmen stammen. Die Nominierungen galten bei den Frauen Anna Fischer für „Massenberg“, Martina Gedeck „Für Tatort – Wie einst Lilly“ und Jessica Schwarz für „Romy“. Jessica Schwarz aus Michelstadt, wo sie mit ihrer Schwester ein Hotel führt, gewann und konnte ihre Hessenart auch auf Odenwäldlerisch ’äscht` beweisen. Zu ihrer Leistung sagte die Jury: „Kann man gegen Romy Schneider anspielen? Kann man sie spielend wiederbeleben? Jessica Schwarz ist etwas nahezu Unmögliches gelungen: Sie hat uns weit über eine bloß äußere Rekonstruktion hinaus, ein inneres Leben dieser Legende erspielt und hat die Kino-Ikone vom mythischen Ballast befreit. Sie hat uns gezeigt, wie Romy Schneider gefühlt, wie sie wahrgenommen und erlebt haben mag. Sie hat uns kostbare Fragezeichen geschenkt, wo starre Ausrufezeichen eine Biografie längst eingezäunt haben“. Warum hat eigentlich noch nie jemand einen Laudatoren- und Preisbegründungspreis ausgerufen? Wir sind sicher, diese Formulierungen wären Anwärter!
Bei den Männern ging es um Matthias Schweighöfer und Milan Peschel für „Tatort – Weil sie böse sind“, Devid Striesow für „Verhältnisse“ und Ulrich Tukur für „Tatort – Wie einst Lilly“. Das Duo gewann und sicher hat die Jury ihre Gründe, die Hannelore Elsner – auch eine gelebte Frankfurterin – gewissermaßen poetisch vortrug und die als Begründungstext der Auswahl zur Nominierung lauten: „Milan Peschel und Matthias Schweighöfer spielen ein Paar, das unterschiedlicher nicht sein könnte und doch seit alters her zusammengehört: Herr und Knecht. Doch sie befreien sich spielerisch von dieser großen Typologie und schaffen zwei unnachahmliche Studien: da der Eine, der gut sein will und doch das Böse schafft und dort der Böse, der sich langweilt und aus Einsicht in seine verhunzte Existenz, sich dem Guten opfert. Schweighöfer ist ein moralischer Dandy und Peschel ein zärtlicher Vater und Mörder wider Willen.“ Aber wir hätten Devid Striesow vorgezogen, den wir überhaupt für einen verdammt guten Schauspieler halten, was sich auch in den Bildausschnitten dieser Produktion zeigte. Allein, wir saßen nicht in d er Jury.
Es gab Preise für das beste Drehbuch, den besten Hochschulfilm, den besten Kurzfilm, den besten Dokumentarfilm und den Sonderpreis der Jury. Auf der Bühne konnte man als weitere Laudatoren Alice Brauner, Tochter des legendären Atze Brauner sehen, Franz Dina, Lars Kraume, Susanne Lothar(!!!), Moritz Rinke, den Nibelungenstückeschreiber, Gernot Roll, Andreas Schmidt, Esther Schweins, Jasmin Schwiers, Mark Waschke, Ute Willing und Johanna Wokalek erleben. Und wir sind gespannt auf die Preisvergabe des Hessischen Film- und Kinopreises 2011. Denn nach der Preisverleihung ist vor der Preisverleihung.