Per Fährsprung zu Trauminsel und -häuschen – Im Zweistundentakt hybrid über die Ostsee

MF Copenhagen hat den Rostocker Seekanal verlassen. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Ostsee bei Rostock, 27.4.2023

Stralsund, Berlin, Deutschland (Weltexpress). „Dänische Insel mit drei Buchstaben?“, murmelt unser Gegenüber halblaut und kratzt sich ratlos den Kopf. Eine scheinbar verzwickte Kreuzworträtselfrage, aber eigentlich ganz einfach: unser Ziel. Auf dem Tisch vibriert ein Glas, als wäre es ungeduldig.

Blick vom Frühstückstisch auf den Warnemünder Seekanal. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Ostsee bei Rostock, 27.4.2023

Der Grund: 21.482 PS grummeln tief unten im Keller. Zielstrebig führt der Kurs nach Norden. Mit 18 Knoten. Bis die 170 Meter lange „Copenhagen“ mit der im Wind rotierenden schlanken 30 Meter hohen Rotorsegel-Trommel pünktlich von Kapitän Jes T. Andersen und Zweitem Offizier Sören Kristiansen gekonnt in ihr Bett manövriert wird.

Kapitän und Zweiter Offizier auf der Brücke von FS Copenhagen. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Ostsee, 27.4.2023

Nach nur einer Stunde und fünfundvierzig Minuten und einem ausgiebigen Frühstück mit Lachs, Hering, Müsli, Rühreiern und unbezahlbarem 180-Grad-Meerblick. Trotz oder wegen starkem Westwind mit bis zu sieben Wundstärken Bft. Des Rätsels Lösung: Wir sind an Bord einer der beiden Scandlines-Fähren mit umweltfreundlichem Hybridantrieb, die vom Rostocker Seehafen Gedser am Südzipfel der dänischen Insel Falster ansteuern. Sozusagen auf der Wasserautobahn zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Dänemark. Hier wird alljährlich kräftig zugelegt. Damit ist diese Reederei-Linie Spitzenreiter bei den Zuwachsraten. In ihrer 120-jährigen Geschichte unübertroffen.

Blick ins Restaurant im Vorschiff. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Ostsee, 27.4.2023

Nach einer knappen Stunde auf der E 47, die Gedser mit Kopenhagen verbindet, hätten wir beinahe das Hinweisschild „Mön“ verpasst. Rechts ab. Schlagartig verebbt der Verkehr. Über zwei Dämme und die Inseln Farö und Bogö erreichen wir unser Ziel. Dem Rätselfreund hat ein Prospekt weitergeholfen: „Mön ist die schönste Insel Dänemarks“, war zu lesen, „mit einer ganz einzigartigen Natur“.

Der 30 Meter hohe Rotorturm der „Copenhagen“. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Ostsee, 27.4.2023

Zwischen lauwarmem Kreidemeer und Eiszeit

Von Geschichten ist da die Rede, die über 70 Millionen Jahre alt sind. Damals befand sich dort, wo heute Dänemark liegt, ein lauwarmes Meer und einer bunten Lebewelt aua Tintenfischen, Seeigeln, Muscheln und Algen. Ihre Schalen lagerten sich auf dem Meeresboden ab und wuchsen allmählich zu einer dicken Kalkschicht an. Das Leben erstarb im Kreidemeer, an Land verabschiedeten sich die Dinosaurier für immer. Bis die Kontinente sich erhoben, Berge und Gebirge auffalteten. Auch das erstarrte Kreidemeer, bis vor 12.000 Jahren die Eiszeit das Land erstarren ließ. Wie Riesenbulldozer hobelten Gletscher nicht nur die Oberflächen ab, sondern schoben sie auch zusammen und bogen sie. Darunter auch bis zu 50 Meter mächtige Kreideschollen: Mön war geboren. Der deutschen Zwillingsinsel Rügen mit ihrem Königsstuhl erging es ebenso. Seitdem nagen die Kräfte des Meeres und der Erosion an der Insel. In 50.000 Jahren, rechnen die Experten, wird sie wieder verschwunden sein. Also keine Panik, auch wenn es für Geologen nur Sekundenbruchteile in der Erdgeschichte sind! Wir haben und nehmen uns Zeit.

Die Stralsunder Flagge der Besitzer auf Zeit flattert im Ostseewind. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Mön

Traumlage mit Brandungsrauschen

Nach einer guten Stunde ab Gedser kommt die kleine Inselhauptstadt Stege in Sicht. Im Touristenbüro am Hafen, der schon zu Hansezeiten angelaufen wurde, treffen wir Bitten Larsen. Sie drückt uns Schlüssel, Informationen und die Wegbeschreibung zum Ferienhaus in die Hand.

„Hyggelig“ heißt das dänische Wort für „gemütlich“. Hügelig ist die Strecke an die Südostküste. Und ziemlich schmal, gerade mal autobreit. Entsprechend gemütlich das Tempo. Die rechte Einstimmung auf „Meereshöhe Null“, wie für das Haus geworben wird. Die Spannung wächst mit jedem Kilometer. „Da, links die kleine Hütte“, ruft die aufmerksame Beifahrerin nach knapp zwanzig Minuten Fahrt, „das könnte es sein!“ Tachostand und exakte Wegbeschreibung geben ihr Recht.

Reetgedeckt, schwarze Wände und weiße Fensterrahmen – das Domizil für eine Woche. Ein hoch aufragender einzelner Baum scheint seine Zweige wie schützend darüber auszubreiten. Erst mal tief durchatmen. Stille weit und breit – bis auf das im Sekunden-Takt wiederkehrende Brandungsrauschen mit dumpfem Wellenklatschen. Schon das kann auf Viele beruhigend wirken – wie Seefahrt ohne Seegang.

Das einsame Ferienhäuschen in der Hjelmbugt, © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Mön

Angekommen im Paradies

Ein Rundgang ums Haus vor dem Auspacken muss sein. „Tatsächlich, dichter kann man nicht ans Wasser kommen!“, begeistern wir uns unisono für die Traumlage zehn Meter vor dem Strand – und sitzen schon mal Probe auf der Bank mit ungetrübtem 180-Grad-Seeblick von Ost über Süd nach West. Man kann nur staunen, wie viel Platz die kleine ehemalige und später modernisierte Fischerkate innen bietet.

Fröhliche Stimmung beim Kaminabend. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Mön, 2023

Es dauert nicht lange, bis Kaminfeuer, Teelichter und Kerzen eine warme Abend-Atmosphäre zaubern. In den Gläsern funkelt der Rotwein, das Buchenholz knistert und duftet, der Wind streicht neugierig ums Haus. „Angekommen im Paradies!“, finden wir. Im Gästebuch liest man denn auch: „Es hat so viel Charme, dass einem vor Rührung die Tränen kommen“. Wir fühlen uns wie frisch Verliebte. Ein Haus, seine Lage – so einfach kann Wohlbefinden sein. Wir geben uns ganz den Glücksgefühlen hin.

Makellos funkelt der Sternenhimmel. Unsere Wünsche? Die verraten wir nur den herabrieselnden Sternschnuppen. Die Leuchtturmblitze von Klintholmhavn im Südosten durchzucken die Nacht, waren zu DDR-Zeiten Richtfeuer für Flüchtlinge. Bei klarer Sicht sieht man sein Gegenstück auf Hiddensee: das Leuchfeuer vom Dornbusch. Als flackernde Irrlichter schleichen Schiffe auf dem fernen Horizont entlang.

180-Grad-Blick von der Ferienhaus-Terrasse auf die Hjelm-Bucht. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Mön, 20.10.2014

Erstaunliche Programmauswahl

Entspannter Tiefschlaf bei offenem Fenster im Wind- und Wellenrauschen. Bis die Sonne einen weckt. Ungeniert greift sie mit ihren Strahlen durch das kleine Giebelfenster mit Ostausrichtung. Aus dem zähen Frühdunst schälen sich allmählich die Steilküste auf der einen und der Wald auf der anderen Seite des menschenleeren Strandes. Das Signal! Unwiderstehlich lockt die glasklare, wellenbewegte See zum FKK-Bad, selbst bei kneifend frischen Vor- und Nachsaisontemperaturen. Ein Sprung von der Terrasse über den Schutzwall aus Findlingen, zwei, drei Schritte durch den weißen Sand und man kann abtauchen. Die Fischer in ihrem Boot an den scheinbar endlos langen Stellnetzen stört es nicht.

Der Drottingstohlen, berühmtes Gegenstück zum Königsdstuhl auf Rügen. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Mön, 27.4.2023

Je nach Wetter hat man die Freiluft-Wahl zwischen langen Strand- und Waldspaziergängen, Inselerkundungen per Fahrrad auf gut ausgebauten Wegen oder einer gemütlichen Autotour mit Küstenwanderung zu Möns Klint – die schneeweißen 120 Meter hohen Kreideklippen sind ein touristisches Muss. Kosten nur sechs Euro Parkgebühr. Ein kostenloser Fahrstuhl vom Strand nach oben erspart rund 480 Stufen.

Traumschlösschen Liselund im Osten der Insel Mön. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Mön, 31.10.2007

Sehenswert auch das romantische Schloss Liselund im klassizistischen Stil von 1790 mit seiner in Skandinavien einmaligen Gartenkunst und weiter westlich das beschauliche Fischerdorf Nyord. Wenn man unbedingt möchte, ist alles an einem Tag locker zu bewältigen. Aber wer will das schon?!

Den Tag endlos am Strand entlang, um Hühnergötter, die Glückssteine mit dem Loch, zu sammeln. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Mön, 20.10.2011

Spielt das Wetter nicht mit, kann man ungestört lesen, schreiben, mal wieder spielen, basteln, stricken, im Herbst direkt auf der Wiese am Haus Champignons sammeln, angeln, Rad- oder Ruderboot fahren, lange Strandspaziergänge unternehmen und dabei „Hühnergötter“ sammeln, die durchlöcherten „Glückssteine“ der Insel.

Alles weit weg vom Alltagsstress, der sich hier ganz schnell verabschiedet. Denn: Mön ist schön!

Informationen:

Fährtickets: Rostock-Gedser-Rostock (Abfahrt alle zwei Stunden. Buchungen: Scandlines: 0381-2073317.

Das beschriebene Haus ist zu buchen bei: Ferienpartner Mön, Storegade 2, DK-4780 Stege; E-mail: info@feriepartner-moen.dk; Telefon: +45-55 86 04 00; Homepage: www.feriepartner-moen.dk

Reiseführer: Polyglott on tour „Dänemark mit flipmap“: ISBN-13:978-3-493-56714-4, € 7,95

Schiffsdaten: MS COPENHAGEN (Schwesterschiff: BERLIN);Typ:RoPax-Fähre; Bauwerften: P + S, Stralsund, Fayard Munkebo/DK; Baujahr: 2011-16; Länge: 170 m, Breite: 24,8 m, Tiefgang: 5,5 m; Maschinenanlage: 15.800 kW (21.482 PS), Geschw.: 20,5 kn (max.): Einsparung durch Rotorsegel: zwischen vier und 20 4 % des gesamten Energieverbrauchs je nach Windrichtung und -geschwindigkeit; BRZ: 22.319; Passagiere: 1300; Lademeter: 1600 m, 96 LKW bzw. 460 PKW; Register: Lloyds; Flagge: Deutschland, Heimathafen: Gedser/Rostock

Mehr zum Hybridantrieb/Rotorsegel: https://www.scandlines.de/uber-uns/unsere-grune-agenda/wind-im-rotorsegel/

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