In einer chirurgischen Klinik lassen sich zwei Liebende physisch einander angleichen. Abwechselnd unterziehen sie sich Operationen, welche ihr Äußeres dem des Partners näher bringt. „Pandrogynie“ nennt sich dieses Vorgehen in „Open“. Cynthia, ein Hermaphrodit, ist fasziniert davon und nimmt die Begegnung mit dem besagten Paar zum Anlass, ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen. Daneben erzählt „Open“ von dem Transgender-Paar Nick und Syd, deren Liebesbeziehung von den durch Hormonbehandlungen und Operationen verursachten physischen Veränderungen auf die Probe gestellt wird. Alles ist echt, die Transgender-Paare und die „Pandrogynie“. Also noch ein Preis für künstlerischen Wagemut? Nein, denn das Künstlerische fehlt. Yuznas Werk erscheint nicht mutig, sondern als der hartnäckige Versuch, mit einem möglichst krassen Thema möglichste viel Aufmerksamkeit zu erzielen. „Pandrogynie“ ist nun sicher nicht die Lieblingsbeschäftigung einer Sonntagsschullehrerin, aber angesichts der üblichen Talk-Show-Gäste nicht weiter schockierend: „Die Frau, die sich ein Katzengesicht operieren lässt“, „Sie sagt: Ich will aussehen wie Barbie!“, „Für meinen Traumjob lege ich mich unter das Skalpell!“ – und alles „Heute! Live! Gleich nach der Werbung!“ Letzter ähnelt die lose Handlungsstruktur von „Open“. Nach der Episode in der Schönheitsklinik sieht man das Paar zu Hause. Das Telefon klingelt. Kurz darauf zieht in einer andern Wohnung eine nackte ältere Frau einen Morgenmantel an. Da Yuzna ein großer Freund des Physischen ist, zieht sie in gleich darauf wieder aus und steigt in die Dusche. Und? Ausgerutscht auf der Seife! Jetzt liegt sie in der Kabine. Schnitt. Andere Charaktere, andere Szenerie. Filmkunst lässt sich in der Szene nicht entdecken, dafür eine Bestätigung der bekannten Statistik: Die meisten Unfälle passieren im Haushalt.
Manche ereignen sich allerdings auch auf der Leinwand. „Open“ ist einer dieser cineastischen Unfälle. Eine stringente Handlung beizubehalten ist für Yuzna ein ernsthaftes Problem. Ob sein Filmtitel „Open“ sich auf die losee Handlungsstruktur bezieht, eine aufgeschlossene Geisteshaltung oder eine offene Beziehung, bleibt – nun ja, offen. Vermutlich fiel selbst dem Regisseur und Autor für seinen befremdliches Drama kein adäquater Titel ein. „Open“ gleicht optisch einem mit der Handkamera gefilmten Amateurwerk. Als Ensemble scheint Yuzna seine Freunde und Bekannten zusammengetrommelt zu haben, so unbegabt sind die Darsteller. Ihre Dialoge sagen sie mit weniger Überzeugungskraft auf als Kinder bei einer Grundschulvorführung. So entsteht ein bizarrer Einklang mit den gestelzten Sätzen. Die Konflikte wirken so aufgesetzt und unrealistisch wie die Charaktere, welche sie durchleben. Das Anliege, welches Yuzna vermutlich zu „Open“ bewegte, den Problemen einer stark unterrepräsentierten Minderheit Beachtung zu schenken, scheitert. Nicht etwa, weil die Figuren zu authentisch wären, sondern weil sie trotz ihrer Echtheit gekünstelt wirken.
In einer skurrilen Episode beschmiert die Besucherin einer Galerie die ausgestellten Bilder mit ihren Initialien und heftet Aufkleber mit ihrem eigenen Namen über die Täfelchen mit den Künstlernamen. „Das ist Performance-Kunst!“, erklärt sie empört ihrem irritierten Begleiter, als er ihr Verhalten kritisiert. Ähnlich wie die Frau mit den Bildern geht „Open“ mit seinen Protagonisten um. „Gibt es hier keine Kameras?“, fragt der Begleiter zurück. Jake Yuzna hatte jedenfalls eine.
Titel: Open
Berlinale Panorama
Land/ Jahr: USA 2009
Genre: Drama
Regie und Drehbuch: Jake Yuzna
Darsteller: Tempest Crane, Jendeen Forberg, Gaea Gaddy, Mory Diamond
Laufzeit: 80 Minuten
Bewertung: (0)