Die Hoffmann-Ausstellung ist eine vom Museum für angewandte Kunst (MAK) Wien eingerichtete Schau, was schon deshalb sinnvoll ist, weil von dort die Exponate kommen: viele Zeichnungen und Entwürfe von Bestecken und Silbersachen, wie Teekannen, von denen einige auch als fertige Produkte ausgestellt sind. Das Auffällig an Josef Hoffmann ist seine Fähigkeit, vom Gesamt her auf das Detail zu schließen, was sicher der Grund dafür ist, daß er seine Architekturentwürfe und gebauten Häuser – darunter so berühmte wie das Sanatorium Purkersdorf bei Wien oder das Palais Stoclet in Brüssel – minimierte und stattdessen der Großmeister des Design wurde, die in den Wiener Werkstätten eine Adresse erster Güte fanden, Sinnbild für das Leben von heute.
Ausgehend von der Gesamtidee eines Gebäudes waren alle anderen Entscheidungen wie Einrichtung, bis hin zum Möbelbezug, dem Porzellanservice oder dem Teelöffel dieser stilistisch untergeordnet. Man konnte auch den umgekehrten Weg wählen, und sozusagen vom künstlerischen Ausdruck einer Kuchengabel eine Wohnungseinrichtung konzipieren und dieser ein Haus bauen. All das nennt man Gesamtkunstwerk, dessen Propagandist Josef Hoffmann – von allen anerkannt – wurde. Hier fängt die Ausstellung mit seinen frühen Zeichnungen an und gleich bei der ersten: „Reiseskizze aus Pozzuoli“, datiert und signiert 1896, stutzt man. Da war doch was? Das erinnert einen doch an was? Dann fällt es einem ein. Ein nur in weitem künstlerischen Verständnis dazugehörendes Detail. In diesem Ort ist ein berühmter Filmstar geboren und tatsächlich befindet sich das Geburtshaus der Sophia Loren ein-zwei Häuser weiter als dies maurische Gebilde, das Hoffmann Jahrzehnte vorher abbildete.
Die Ausstellung selbst bringt dann die Entwürfe von Gegenständen, mit denen die Wiener Werkstätten, die Josef Hoffmann mit Koloman Moser und dem Industriellen Fritz Wärndorfer 1903, also ein Jahr nach der Beethovenausstellung und dem Beethovenfries in der Secession – gründete, an ihr Vorbild, die britische Arts und Crafts Bewegung mit William Morris, anknüpften und tatsächlich im bürgerlichen und versnobten Wien eine Vormachtstellung für zeitgenössisches Wohnen und Einrichten schufen, mit den Materialien und Farben und Formen, die sie vorgaben. Das war zum einen sehr viel Schwarz-Weiß, das war aber auch eine ungeheure Lust, mit Papier zu arbeiten, aus dem Lampen, Schmuck und viele andere Dinge entstanden, von denen man erst wußte, daß man sie brauchen kann, wenn man sie sah und kaufte. Wiener Werkstätten waren Kult. Und Hoffmann auch.
Das versteht man flugs, wenn man seine Besteckentwürfe sieht, die so praktisch wie formschön sind. Und bei der „Sandwichschere“, möchte man gleich zugreifen, allein sie ist gezeichnet und die späteren Objekte, wirklich und aus Bronze oder Glas oder Stoff, die sind sicher verwahrt. Eine große Übersichtstafel bringt einem Hoffmann im Zusammenhang der Siebener Gruppe nahe. Denn genauso wie im Gesamtkunstwerk alles verflochten ist, war es auch die Wiener Szene. Vom Siebener Club sind uns heute noch neben Hoffmann sehr bekannt Koloman Moser und Joseph Maria Olbrich, die tatsächlich die Welt ein wenig veränderte, wie sie es wollten. Bei Joseph Maria Olbrich, dessen Retrospektive nach Darmstadt nun im Wiener Leopoldmuseum zu sehen ist, weiß man eigentlich erst heute, wie gewaltig das Werkt des vierzigjährig Verstorbenen ist und – selten genug – nicht nur in Wien zu sehen. Koloman Moser ist dann wieder einer, der in Wien blieb und mit Recht eine lokale Berühmtheit ist.
Was die Schau nicht klären kann und auch gar nicht will, wäre eine Diskussion über das Ornament, über das moderne Ornament. Darin unterscheiden sich nämlich dann die einst zusammen Ausgezogenen: Adolf Loos und Josef Hoffmann beispielsweise. War es für den einen „ein Verbrechen“, war es für den anderen normales Schmuckelement, das seine Form suchte, die Hoffmann ihm gab. Toll, daß man dann auch noch einige seiner Möbel sehen kann. Wenigstens glauben wir, daß sie von ihm sind. Die vierteiligen Beistelltische, die hätten wir auch allzu gerne gleich mitgenommen. Aber dazu muß man nach Wien ins Dorotheum fahren, wo solche Stücke im Freiverkauf zu erwerben sind. Aber das ist sowieso eine naheliegende Idee nach den drei Ausstellung, dessen dritte mit Oberhuber wir jetzt hier verschweigen, weil kein Raum mehr ist: nach Wien fahren. Das haben wir noch vermißt, bei all den Prospekten und sinnvollen Ausstellungsbegleitern: eine Fahrt nach Wien zu den Originalen, was vor allem heißt, ins Museum Leopold, das Belvedere und das MAK. Nichts wie hin.
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Ausstellung: Bis 26. September 2010
Die Kataloge zu den Ausstellungen sind alle im Jahr 2010 im Verlag Hirmer erschienen:
Gustav Klimt, Beethovenfries. Zeichnungen, hrsg. von Annette Vogel Der Katalog führt nicht nur alle in der Stadthalle gezeigten Werke auf, sondern gibt vor allem erst einmal einen Überblick über die Situation in Wien, aus der heraus die Secession geschaffen wurde, in der dann zum Beethovenfest vom April bis Juni 1902 die spektakuläre Beethoven-Skulptur von Max Klinger erstmals öffentlich zu sehen war und in Verbindung mit dem Beethovenfries den Komponisten im Kontext mit der 9. Symphonie zu einer olympischen Gottheit machten. Das ist ein feines Buch, das auch den Maler und Mensch Gustav Klimt angemessen würdigt.
Josef Hoffmann, Ein unaufhörlicher Prozess. Entwürfe vom Jugendstil zur Moderne, hrsg. von der Stadthalle Balingen und Peter Noever, MAK Wien, betont auch im Katalog, daß es sich um eine Ausstellung des MAK Wien handelt. Das ist gut so, denn in Wien lagern in den Depots nicht nur die vielen Zeichnungen, Entwürfe, fertigstellten Produktionen von Hoffmann, sondern die vieler weiterer. Im Katalog wird entwickelt, wie der Architekt Hoffmann zu der Idee seiner Zeit, das Gesamtkunstwerk kam, demzufolge er auch für die Inneneinrichtung der Secession verantwortlich war. Zwar bleibt der Katalog wie die Ausstellung auf Entwürfe und einige Ausführungen, Bestecke, Vasen, Stühle etc. beschränkt, aber desto mehr ergibt es eine gemeinsame Linie, die durch eine ausführliche Biographie ihren Rahmen erhält.
Oswald Oberhuber, Raum und Linie, hrsg. von Stadthalle Balingen, ist ein in Schwarz Weiß besonders schön gestalteter Katalog, der inhaltlich an Klimt und Hoffmann anknüpft und sich in den Kontext der permanenten Moderne stellt. Auch dies wäre ohne das MAK Wien nicht gelungen, aus deren Bestand die Bleistift- und Ölkreideblätter kommen.
Alle drei Kataloge zusammen, ergeben – wie die Ausstellungen – einen so umfassenden wie differenten Eindruck von der Wiener Moderne. Eben so, wie sie war.