Nicht poltern, sondern kesseln – Der 1. FC Union Berlin will nach oben

Die Fotomontage zeigt Benjamin Kessel, in der letzten Saison Eintracht Braunschweig mit

Diese 2. Liga ist sehr ausgeglichen. Ein richtig großer Verein konnte knapp den Abstieg vermeiden. Die beiden „Neuen“, Freiburg und Paderborn, sind eigentlich alte Bekannte. Aus dem recht ausgeglichenen Teilnehmerfeld ragt nur RB Leipzig heraus. Das müsste der nächste Gewinner der Felge sein. Die Anwartschaft auf die Plätze 2 und 3 füllt eine längere Liste. In dieser Liga gibt es fast kein Mittelfeld. Hop oder Top heißt die Devise. Aus der Hauptstadt will der 1. FC Union Berlin den Sprung nach oben schaffen, Zielsetzung Platz 1 bis 6, alles kann, nichts muss.

63 Tage lagen zwischen dem letzten und den ersten Spieltag, acht Wochenenden lang ging es nicht um Punkte in der 2. Fußball-Bundesliga. Am 24. Mai erspielte sich der Union Berlin im eigenen Stadion einen 2:0-Sieg über Eintracht Braunschweig. Der erste Spieltag der neuen Saison brachte für die ambitionierten Köpenicker hingegen einen Punkt, nur einen Punkt. Am Ende wurden zwei Minuten zu lang für den ersten Dreier der Saison gespielt.

Zwei Spieler trugen vor 63 Tagen noch das Braunschweiger Trikot, wurden bereits damals von Stadionsprecher Christian Arbeit als zukünftige Fußballgötter begrüßt. Inzwischen sind Benjamin Kessel und Rafael Korte per Profi-Vertrag auch „richtige“ Fußballgötter. Im Stadion der Unioner – genannt An der Alten Försterei – ist es üblich, dass bei der Vorstellung des Spieltageskaders der komplette Name verlesen wird und die Ränge ergänzen mit Fußballgott. Das erspart manchmal ein Problem mit der Aussprache. Wie vor 63 Tage gehörten beide wieder zum Aufgebot, während Korte das Spiel von der Ersatzbank aus verfolgte, stand Kessel in der Startelf.

Das muss kesseln, bereits in der 5. Minute hielt der 1,91 große Verteidiger seinen Schädel hin und lenkte einen von Christopher Trimmel getretenen Freistoß in das Tor. Michael Rensing hatte das Nachsehen. Ein Einstand nach Maß für den Neuzugang. Die Leute im Stadion tobten, bis auf die gut gefüllte Tribüne mit den Gästefans, die dummerweise in der ersten Halbzeit direkt hinter dem Rensing Tor standen.

Gewissermaßen als Entschädigung, konnten sie aus nächster Nähe Didier Ya Konan zu sehen, wie sein Schuss an Daniel Hass vorbei den Weg in das Tor fand. Ungefähr zwei Minuten vor Schluss den Ausgleich zu erzielen, das hat was. Ein Punkt ist schließlich immer noch besser als eine Niederlage, zumal das Ergebnis dem Spielverlauf entsprach.

In der „Alten Försterei“ war alles wie immer. Super Fußballstimmung, die üblichen An-und Abreiseprobleme, Bier und Bratwurst zu moderaten Preisen, doch eines ist anders: Der Spielerkader ist der beste seit der Gründung des 1. FC Union Berlin am 20.01.1966.

Das Stadionheft allerdings war in der vergangenen Saison nur das zweitbeste geworden und mit dem ersten Heft zur neuen Saison leistete sich Präsident Dirk Zingler einen Klops. „Voller Stolz stellen wir fest, dass Union von allen Fußballclubs, die auf dem Gebiet der früheren DDR ihre Heimat haben, der einzige ist, der sein Jubiläum als Vertreter des deutschen Profifußballs feiern darf.“ Bemerkenswert, immerhin war der 1. FC Union Berlin 2009 der erste Meister der neu gegründeten 3. Profi-Liga.

Ein Blick auf aktuelle Teilnehmerliste von Liga 3 erinnert an alte DDR Oberligazeiten. Das ist ja nicht schlimm, für den 1. FCU ist die 3. Liga überhaupt kein Thema, sondern die 1. Liga. Hätte ja was, im Jahr des 60. Jubiläums aufzusteigen. Das Umfeld dafür wurde geschaffen und der Kader gibt das her. Benjamin Kessel soll der neue Chef in der Abwehr werden, dazu ist er auch torgefährlich, immerhin erzielte er bei seinen bisher 20 Einsätzen in der ersten Spielklasse zwei Tore und in der zurückliegenden Zweitliga-Saison fünf Tore bei 28 Einsätzen. Das ist kein schlechter Wert für einen Defensivspezialisten.

Mit dem Neuzugang Stephan Fürstner, einst im Nachwuchs des FC Bayern München groß geworden, wurde ein Spieler geholt, der eine Mannschaft besser machen kann. Ihm kommt die nicht häufig anzutreffende Begabung zu, ein Spiel lesen zu können. Er ist einer der besten defensiven Mittelfeld-Spieler der Liga, kann das Spieltempo vorgeben. Gegen Düsseldorf hat er von diesem Können einiges durchblicken lassen. Selten gab es einen Fehlpass. Erstaunlich, dass er in der Wertung des Kickers für dieses Spiel nur mit der Note 3 bedacht wurde.

Ein weiteres Plus zu den vorangegangenen Spielzeiten ist die Breite des Kaders. Ein Blick auf die Reservebank beim Spiel gegen Düsseldorf verdeutlicht das. Michael Parensen, Collin Quaner oder Roberto Puncec hätten bei anderen Vereinen vermutlich in der Startelf gestanden.  Wichtig wird nur sein, diese Spieler entsprechend bei Laune zu halten. Es wird für sie nicht immer ein Platz in der Startelf sein. Fazit: Der erste Heimauftritt der Eisernen war vielversprechend, es wurde nicht nur gearbeitet sondern auch richtig gut gespielt.

Vorheriger ArtikelKleiner Konzertsaal in Dresden
Nächster ArtikelSheldons Handlanger