Nervenmühle Qualifikation – eine Frage der Leistungsfähigkeit, technischen Sicherheit und mentalen Stärke

Dass Sebastian Bayer auch nicht weiter sprang, aber mit dem besseren zweiten Versuch den Vorkampf der besten Zwölf dennoch erreichte, macht die Sache für Reif eher noch ärgerlicher. Denn die beiden sind weniger Mannschafts-Kollegen, denn Konkurrenten…

80 000 füllten das Olympiastadion am ersten Tag der olympischen Kernsportart. Diesen Status hat die Leichtathletik, weil sie schon 1896 beim olympischen Neubeginn des Spektakels im antiken Griechenland auf dem Programm. Und traditionell bei Laufen, Springen und Werfen die meisten Teilnehmer – nun mehr als 2000 – um die meisten Medaillen – 47 x Gold, Silber und Bronze – kämpfen.
Vor dem eigentlichen Medaillenkampf in den Finals müssen die Athleten durch Vor- und Zwischenläufe sowie im Wurf und Sprung durch die Nervenmühle Qualifikation. Weitspringer Bayer, Europameister vor wenigen Wochen in Helsinki mit vorzüglichen 8,34 m, erklärt: "Ich bin in der Lage, 95 % meiner Wettkampfversuche gültig zu haben. Aber das gelingt nicht, wenn ich den Anlauf mit 100 % Geschwindigkeit absolviere. Laufe ich jedoch langsamer an, um einen gültigen Sprung zu haben – was sehr wichtig ist bei nur drei Versuchen in der Qualifikation -, dann reicht vielleicht die Weite nicht. Weil ich beispielsweise zu weit vor dem Balken abspringe."

Stabhochspringerin Silke Spiegelburg, mit dem deutschen Rekord von 4,82 m als Jahres-Weltbeste in der olympischen Arena, über die bevorstehende Qualifikation: "Die gehe ich wie einen normalen Wettkampf an. Unabhängig von der festgelegten Qualihöhe für den Einzug in den Endkampf. Meine Einstiegshöhe in den Wettkampf richtet sich nach den äußeren Bedingungen und nach meiner Tagesform. Unter 4,40 m werde ich aber wohl nicht beginnen, sondern eher später…mittlerweile bin ich auch lange genug im Geschäft, um abzuschätzen, was ich zu tun habe, um die Hürde Qualifikation erfolgreich zu meistern."

Die 26-Jährige reist mit einem Arsenal von insgesamt elf verschiedenen Fiberglas-Stäben an und dürfte damit dei deutsche Athletin mit dem größtem Wettkampf-Gepäck sein.

Speerwerferin Christina Obergföll, Silber Athen 2004 und Bronze 2008, strebt für die Qualifikation – Weite noch offen – die Strategie des ersten Versuches an: "Reingehen, als wenn es um die Medaillen geht. Möglichst mit dem ersten Versuch alles klar machen, dann die Sachen packen und das Stadion verlassen."

Werner Goldmann, seit 1988 bei Olympischen Sommerspielen (Ausnahme Sydney 2000), einer der erfolgreichsten Wurftrainer der Welt (aktuelle Schützlinge Robert Harting bzw. Julia Fischer im Diskuswurf), über die speziellen Anforderungen und die Gefahr des Scheiterns in den Qualifikationen: "Allgemein hat es mit der Leistungsfähigkeit der Athleten zu tun. Mit ihrer technischen Sicherheit und ihrer mentalen Stärke oder Anfälligkeit. Wichtig ist, große Wettkämpfe als ’normale Wettkämpfe‘ zu sehen und sich von Riesentrubel rundherum gerade bei Olympischen Spielen nicht verrückt machen zu lassen. Dass aber sogar Ausnahmesportler, die alle Qualitäten besitzen, gerade mit Qualifikationen so ihre Sorgen haben, war bei der mehrfachen Diskus-Weltmeisterin Franka Dietzsch zu beobachten. Die hatte davor stets regelrechte Magenrevolten."

Damit die Olympioniken nervlich auf Quali- und Wettkampfstress optimal eingestellt sind, gehören mehrere Mentaltrainer zum Betreuerstab der deutschen Olympiamannschaft.

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