Die gute Nachricht: der Babyherzschlag wird umgehend übertönt. Die schlechte Nachricht: von einem enervierenden Rock-Song. Die ganz schlechte Nachricht: die pummelige Lea vollführt dazu einen ungelenken Striptease. In seiner aufgesetzten Lässigkeit und Pseudo-Laszivität ist ihr Tanz in einem roten Bikini-Oberteil und blauer, gepunkteter Unterhose inklusive Wälzen im grünen Gras so prätentiös und bemüht wie der unausgegorene Jugendfilm „Going South“. Dass ihr Freund Matthieu die Kassette aus dem Autoradio zieht, wirkt da wie eine Erlösung. „Immer noch schlapp?“, fragt Lea ihn verdutzt. Offensichtlich ja. Auch der Zuschauer fühlt sich schlapp und geschwächt nach Leas unappetitlicher Darbietung. Ganz anders scheint der französische Regisseur Sebastien Lifshitz seine weibliche Hauptfigur zu sehen. Lea soll eine verführerische femme fatale sein. Leider eignet sie sich dazu so wenig wie Mutter Beimar aus der Lindenstraße. Als könne Lea die Gedanken des Publikums lesen, knurrt sie ihren Kumpel Sam, den Dritten im Bunde, an: „Hör auf zu filmen.“ Das gleiche möchte man dem Regisseur zurufen. Doch Lifshitz eineinhalbstündige Mischung aus Road Movie und Jugendfilm hat da erst begonnen. „Hast du uns jetzt schon satt?“, fragt Sam kurz darauf in die Kamera. Dass hier bereits die Zuschauer aus dem Kino drängen, ist Antwort genug.
Kein hippes jugendliches Road Movie ohne Knarre. Darum führt Lea scherzhaft mit einer Waffe ein paar Schießübungen vor. Obwohl es hellichter Tag ist, stört sich niemand an ihrer Schießerei auf einer öffentlichen Wiese. „Wo hast Du die her?“, fragt sich nicht nur Matthieu mit Blick auf die Pistole. „Die lag neben dem Zigarettenautomaten.“, antwortet Lea. Klar doch. Seit Raucher sich aufgrund der strengen Anti-Raucher-Gesetze wie Verbrecher fühlen müssen, taugt der Zigarettenautomat im Spielfilm als Sammelplatz Krimineller, die Waffen, Drogen und Leichen (Rauchen tötet) so achtlos herum liegen lassen, wie ihre Kippen. Auf der Landstraße lernen die Jugendlichen, sich selbst und einander zu lieben. „Plein Sud“ nutzt diese vermeintliche sexuelle Identitätsfindung lediglich für einige plumpe Sexszenen, anstatt die psychologischen Tiefen seiner Charaktere zu erforschen. Was als abenteuerliche Reise ins Erwachsensein vorgeführt wird, erinnert an eine Klassenfahrt. Man sitzt am Lagerfeuer zusammen und spielt Gitarre, tobt am Strand und macht ein bisschen unter Gleichaltrigen herum.
Sam ist nebenbei schwul und genau wie Lea in Matthieu verliebt, an dessen Gesichtszügen sich die Kamera in „Plein Sud“ kaum satt sehen kann. Diese Menage-a-trois wird zeitweise durch den jungen Jeremie zu Vierecksbeziehung ausgeweitet. Sams Suche nach seiner verschwundenen Mutter soll für ein wenig Familiendramatik sorgen und der Reise ein Ziel geben. Das hat die oberflächliche Geschichte auf ihren melodramatischen Umwegen jedoch längst aus den Augen verloren. Psychologische Tiefe und Dramatik finden sich auch im Süden nicht.
Titel: Plein Sud – Going South
Berlinale Panorama
Land/ Jahr: Frankreich 2009
Genre: Jugenddrama
Regie und Drehbuch: Sebastien Lifshitz
Darsteller: Yannick Renier, Lea Seydoux, Theo Frilet, Nicole Garcia, Pierre Perrier
Laufzeit: 90 Minuten
Bewertung: *