Die Netzhoppers, nach Zwangsabstieg wegen finanzieller Engpässe wieder in die oberste Etage zurückgekehrt, waren nie in der Lage, ihre Nachteile zu kompensieren. Dass sie mit rund 400 000 Euro nur etwa ein Viertel des Etats der Berliner zur Verfügung haben, bringt zwangsläufig massive Qualitätsunterschiede im Kader nach sich. Bis auf einen Akteur stehen im 14-er Aufgebot der Hauptstädter durchweg Netzprofis mit aktuellem oder früherem Status als Nationalspieler. Das trifft bei den Randberlinern aber lediglich auf den 32-jährigen Kapitän Manuel Rieke zu, der vormals beim BR-Vorgänger SCC sowie vorübergehend in der deutschen Nationalmannschaft als Spielmacher/Zuspieler fungierte. Zudem kann Trainer Mirko Culic bei zehn Akteuren, darunter zwei 18-Jährige, im Gegensatz zum Champions League-Starter BR Volleys allein schon im Training nie zwei komplette Sechser üben lassen.
Dennoch war die Netzhoppers-Crew zuversichtlich. Begründet in der Bilanz von bislang drei Siegen bei sechs Bundesliga-Prüfungen, schwankenden Leistungen der Berliner und deren Anforderungen aus dem Donnerstag-Auftritt in der europäischen Meisterklasse in Montenegro. „Vielleicht spielt uns in die Karten, dass die Volleys geschlaucht oder müde sind“, war vor Anpfiff aus dem Netzhoppers-Lager zu vernehmen.
Das Gegenteil war der Fall. Denn die Volleys hatten etwas gut zu machen. Bei den Montenegerinern in Budva kassierten sie mit 2:3 eine Niederlage. Waren 0:2 in Rückstand geraten, weil sie fünf Satzbälle nicht durchbrachten und den Durchgang noch 30:32 abgaben. Schafften den 2:2-Ausgleich, um den Tiebreak-Satz deutlich zu verlieren.
„Die Mannschaft sollte gegen die Netzhoppers an die Aufholphase zum 2:2 in Budva anknüpfen und so fokussiert von Beginn an starten“, sagte BR-Trainer Mark Lebedew. Um „frische Luft und neues Blut“ ins Spiel zu transformieren, schickte der Australier drei neue Leute in die Startformation. Als Zuspieler führte nun der WM-Dritte und Urberliner Sebastian Kühner Regie. Den Part als Hauptangreifer vertraute er Ex-Nationalspieler Christian Dünnes und den des Libero dem Tschechen Martin Krystof an. Die US-Brüder Kawika (Zuspiel) und Erik Shoji (Libero) sowie der Australier Paul Carroll (Diagonal) blieben auf der Bank.
Dünnes war mit 16 Punkten Punktbester der Partie. Kühner markierte zehn Zähler (Aufschlag, Angriff, Block) – eine ganz seltene Quote für einen Passgeber – und erhielt von Culic die Auszeichnung als bester Spieler (MVP). Und Krystof demonstrierte, dass er halt, langjährig vertraut mit den Kollegen, momentan in der Annahme zuverlässiger und effektiver seinen Job verrichtet als der in der Feldabwehr vielleicht einen Tick stärkere Neuzugang Erik Shoji.
Zwei Liberos der Weltklasse, zwei fast gleichwertige Einsatzformationen – was auf den ersten Blick als Luxus-Konstellation gelten könnte, ist ein ungewohntes Problem für Lebedew nach drei Meistertiteln: „Ja, diese Situation ist auch für mich neu und eine echte Herausforderung – nicht nur für mich, sondern für den Verein. Normalerweise gilt die Aufmerksamkeit acht bis neun Leuten, die das Spiel tragen.“
Nun jedoch steht Lebedew auf fast allen Positionen vor der Qual der Wahl. Wer spielen soll und wer draußen bleibt, wem Vertrauen geschenkt wird und wem nicht”¦
Gegen Budva gab er Shoji als Libero den Vorzug und musste dann mitansehen, wie jener als Wackelkandidat in der Annahme vom Gegner förmlich unter Beschuss genommen wurde und diesem Druck nicht stand hielt.
Spielerisch läuft es insgesamt mit dem Einbau von vier Neuzugängen „noch nicht optimal. Obwohl es mit der Zeit besser geworden ist, haben wir da noch Luft.“
Was das soziologische Mannschaftsklima angeht – also das Sichabfinden mit Einsatzzeiten und der internen Hierarchie -, da signalisieren beispielsweise Kühner und Dünnes „keine Probleme mit der Lage zu haben. Wenn wir reinkommen, wollen wir der Mannschaft helfen und geben alles.“
Aussagen, die für Lebedews Personalführung sprechen. Jener äußerte sich, bei den Ergebnissen liege man in der Bundesliga – nur eine Niederlage 2:3 in Friedrichshafen -, im Pokal (Viertelfinale beim Erzrivalen am Bodensee!) und in der Champions League (je ein Sieg und eine Niederlage) noch „voll im Plan“.
Die teilweise „nicht überzeugenden Vorstellungen“ (O-Ton Lebedew) haben die Volleys allerdings in ihrem Selbstverständnis nichts anhaben können. Und so erklärt denn Kühner nach dem Schnelldurchgang gegen die Netzhoppers selbstbewusst: „Jetzt müssen wir rasch regenerieren und am Mittwoch in Rottenburg genauso konzentriert und aggressiv wie heute auftreten. Denn Rottenburg ist derzeit ja noch die einzige ungeschlagene Mannschaft der Liga.“
Stimmt, weil sie noch nicht die Kräfte mit den beiden Topteams Friedrichshafen (gegen Düren verloren) und Berlin gemessen haben!