Die Geschichte von „The Boys in the Band“ begann nicht im Filmstudio, sondern am Broadway. 1969 erzielte der um Erfolg ringende Autor Mark Crowley einen Überraschungshit. Homosexuelle Protagonisten zeigten Kino und Theater schon lange. Nur, wie Kressley in Robeys Dokumentarfilm „Making the Boys“ ausführt, „nicht gerade aus einer positiven Perspektive“. Schon Christopher Marlowe lässt seinen bisexuellen „Edward II“ für eine homosexuelle Affäre foltern, Ben Johnsons intriganter Anti-Held „Volpone“ zählt einen Hermaphrodit zu seinen Gefährten. Tennessee Williams schwule Figuren begehen Suizid, vorzugsweise aus Selbsthass. Im Kino sah es kaum besser aus. Rob Epsteins beschäftigt sich in seiner hintergründigen Dokumentaion „The Celluloid Closet“ ausführlich mit der Repräsentation Homosexueller im Film. Überleben sie, müssen sie zum Erhalt der reaktionären Wertordnung als abartig oder schlecht dargestellt werden. Mark Crowley ließ einen seiner Charaktere daher trotzig ausrufen: „Nicht jede Schwuchtel bringt sich am Ende einer Geschichte um.“ Das Dialogzitat ist proklamatisch für die Kontroverse, welche sich bis heute um Crowleys Theaterstück erstreckt. „The Boys in the Band“ sprechen Tabuwörter wie schwul und homosexuell aus, sterben und morden nicht. Gleichzeitig jedoch sind sie voller Selbstabscheu, verhöhnen einander, schämen sich ihrer Homosexualität, benehmen sich affektiert, einer ist Innendekorateur und der einzige Schwarze heimlich verliebt in einen Weißen, bei dem seine Mutter Hausmädchen war.
Pointiert und scharfsinnig dokumentiert Robey die unterschiedlichen Emotionen, welche das Stück heute und damals weckte. Er lässt Autor Mark Crowley, dessen Theaterkollegen wie Edward Albee, Aktivisten der Schwulenbewegung und Künstler von dem Einfluss des Stücks auf ihr privates und berufliches Leben sprechen. Man erfährt, wie negativ sich die Darstellung Homosexueller auf die Karrieren von Schauspieler auswirken konnten, wie selbstverständlich Diskriminierung bis in die Achtziger war und nebenbei wer sich alles in Roddy McDowells Strandhaus traf. Intelligent, berührend und mit bissigem Humor gelingt Robey mehr als ein Einblick in ein vergessenes Kapitel von New Yorks Theatergeschichte. „Making the Boys“ zeichnet ein schillerndes und komplexes Bild der im Wandel begriffenen Schwulenszene der späten Sechziger. Im Juni 1969 drehte William Friedkin in New York „The Boys in the Band“. Für die Gay Community gab es in diesem Monat wichtigeres, nicht nur weil Judy Garland starb. Am 28. Juni versuchte die Polizei das als Schwulenbar bekannte ‚Stonewall Inn‘ in Greenvich Village zu stürmen. Die Besucher der Bar leisteten erfolgreich Widerstand. Zum ersten mal hatten die Homosexuellen einen Sieg über den Polizeiterror errungen, dem sie ausgesetzt waren. Ein Jahr später wurde zu Ehren der ‚Stonewall Riots‘ die erste Gay Pride Parade in New York gefeiert.
Drei Monate zuvor, am 17. März 1970, feierte Friedkins „The Boys in the Band“ Premiere. Das Drehbuch hatte Mark Crowley persönlich dich am Original verfasst, die Besetzung stellte weitgehend das Bühnenensemble. Der Film war ein Flop, eine vergessen Randnote in Friedkins Resumeé, bevor er mit „The French Connection“ und „Der Exorzist“ zum Star aufstieg. „The Boys in the Band“ waren überflüssig geworden bevor sie sich behaupten konnte. Vielleicht trugen sie dennoch ihren Teil zur Gay Liberation bei. Manchmal ist ein Schritt zurück nur Anlauf für einen großen Sprung.
Titel: Making the Boys
Berlinale Panorama
Land/ Jahr: USA 2009
Genre: Dokumentarfilm
Regie und Buch: Crayton Robey
Mit: Mark Crowley, Edward Albee, Robert Wagner, Tony Cushner, William Friedkin, Paul Rudnick
Laufzeit: 93 Minuten
Bewertung: *****