Mein Sohn, Du gehörst zu mir! – Serie: Über die Tragik von Missbrauch und Verstrickung in der Mutter-Sohn-Beziehung (Teil 1/2)

Giovanni Bellini - Madonna degli Alberetti (Madonna mit dem Bäumchen) um 1487

Ein 50-Jähriger erzählt, als er neben seiner Mutter auf dem Sofa saß, habe sie selig lächelnd wie ein kleines Mädchen ihren Kopf an seine Schulter gelegt. In ihm habe sich wie elektrisiert alles dagegen gesträubt. Er habe sich als Vaterersatz missbraucht gefühlt. Die Beziehung seiner Mutter zu seinem Bruder komme ihm manchmal wie bei einem alten Ehepaar vor. Der Vater der Mutter war früh verstorben, und von ihrem Mann hatte sie sich getrennt und ihre Kinder allein erzogen. Vor allem in der Kriegs- und Nachkriegsgeneration, in der Väter gefallen waren oder verspätet aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrten, ergaben sich Verhältnisse, wo die Söhne als Partner-, ja sogar als Vaterersatz dienten.

Karl Haag beschrieb in seinem 2006 erschienenen lesenswerten Buch „Wenn Mütter zu sehr lieben – Verstrickung und Missbrauch in der Mutter-Sohn-Beziehung“ die seiner Meinung nach inzestuöse Mutterliebe. Während der sexuelle Missbrauch von Töchtern durch ihre Väter in der Öffentlichkeit breiten Raum einnehme, sei der subtile Missbrauch der Söhne durch ihre Mütter noch tabuisiert. Er betrachtet anhand eigener klinischer Fälle, der Geschichte (Katharina von Medice), Literatur (Elias Canetti) und Gemälden (Hans Baldung von Grien) den historisch-gesellschaftlichen Kontext. Der Titel ist dem 1986 erschienenen Bestseller von R. Norwood „Wenn Frauen zu sehr lieben. Die heimliche Sucht gebraucht zu werden“, wie er selbst schreibt, entlehnt.

Jeder Sohn hat zwangsläufig eine Mutter, die auch meist für ihn die wichtigste Bezugsperson beim Heranwachsen und im Prägungs- und Erziehungsprozess darstellt. Oft jedoch finden sich missbräuchliche Verstrickungen. In diesen kann der Sohn meist in subtiler Weise zum Partnerersatz werden, oder er gerät in eine Elternrolle, die sogenannte Parentifizierung, oder er wird für die Mutter zum Vertrauten, der ihr Nähe und Geborgenheit vermittelt, eine symbiotische (Symbiose: Enge Beziehung, in der Teile der Individualität infolge Kontrolle und Überwachung verloren gehen) Beziehung. Er kann auch für sie Lebensaufgabe und Lebenssinn, ihr ganzer Stolz und ihr Aushängeschild, darstellen. Oft genug wird auch das Kind, Sohn oder Tochter, als Waffe im Ehekonflikt oder nach der Scheidung eingesetzt. In allen Fällen wird der Sohn funktionalisiert, sicher auch oft genug für den Vater, und in seinem eigenen Wert nicht mehr anerkannt.

Sicher haben alle Mütter und Eltern Erwartungen an ihre Kinder. Das ist auch gut so. Wenn diese Erwartungen aber zu Ansprüchen heranwachsen, gehen die Kinder in den Besitz der Eltern und Mütter über. Im Gegensatz zu Wünschen oder Erwartungen, die nicht erfüllt werden müssen und noch Freiheit besteht, müssen Ansprüche erfüllt werden. Bitten, Wünsche und Erwartungen werden oft mit Ansprüchen gleichgesetzt und als solche verstanden. Beispiele wurden im vorhergehenden Absatz erwähnt. Durch diese Inbesitznahme gehen sämtliche Freiheit und Selbstbestimmung verloren, und die Kinder verlieren ihr eigenes Leben. Diese Ansprüche lassen sich oft nicht trennen, überschneiden sich, beziehungsweise mehrere Formen und Ansprüche der Mutter an das Kind spielen sich gleichzeitig oder nacheinander ab. Das Kind ist für die Ansprüche der Mutter da und wird von der Mutter für ihre Interessen ge- und ausge -nutzt. Man kann auch von einer parasitären Beziehung sprechen, da der Nutzen mehr einseitig ist.

Die Mutter wendet sich also in unangemessener, dem Kind nicht förderlicher Weise ihrem Kind zu. Neben der körperlichen Nahrung braucht das Kind für seine reife Entwicklung sozusagen als seelische Nahrung zwei Formen von Zuwendung und emotionaler Sicherheit., einmal im primären Bereich von Nähe, Geborgenheit, Wärme und Körpernähe, zum anderen in der weiteren Entwicklung und sekundären Phase im Bereich der Förderung von Ausprobieren, Selbständigkeit, Expansion, Welterkunden und autonomen Lebensaufbau. Wird das Kind im ersten Bereich neben emotionaler Vernachlässigung und mangelnder Zuwendung von Spannungen wie Angst und Wut überschwemmt, findet es keine emotionale Sicherheit und innere Ruhe, auf deren Hintergrund es in die zweite Phase eintreten kann. Auch wenn der erste Bereich förderlich ist, kann es in der zweiten Phase von Ängsten und Ansprüchen behindert werden, die eine autonome Entwicklung behindern.

Missbrauch findet sich nicht in allen Eltern-Kind- bzw. Mutter-Sohn-Beziehungen, sondern nur mehr oder weniger unter bestimmten Bedingungen. Die Ursache dieses missbräuchlichen Verhaltens und der seelischen Übergriffe sehe ich in einer (Psycho-)Traumatisierung, also bösen oft wiederholten und alltäglichen Erfahrungen, der Mutter, meist aus ihrer eigenen Kindheit, oft beider Eltern, wo sich ähnliche Umstände wie in der Beziehung zu ihren Kindern abspielten, eventuell in späteren traumatisierenden Erfahrungen, etwa in einem schwer belastenden Umfeld wie verletzenden Familien- oder Ehepaarstreitigkeiten. Diese Belastungen ereignen sich aber meist auf dem Boden früherer Traumatisierungen der Mutter. Es ist ja nicht so, daß aus einem völlig verängstigten Menschen mit der Geburt des Kindes plötzlich ein völlig anderer, souveräner Mensch werden kann, obwohl manche Mütter durchaus an Profil gewinnen. Warum das so ist, wäre eines weiteren Artikels wert.

Allgemein bilden Erfahrungen den Maßstab für spätere Wahrnehmungen der Realität in Gegenwart und Zukunft, werden folglich hineingesehen. Inwieweit die Macht der Vergangenheit den Zukunftsentwurf prägt, ist für jeden durch die Tatsache leicht nachvollziehbar und bekannt, dass gute Erfahrungen Hoffnung, schlechte das Gegenteil machen. Wie neurobiologische Untersuchungen bezeugen, ist die die oben dargelegte Traumatisierung nicht nur ein seelischer Vorgang, sondern ist auch als organisches Substrat in den Nervenzellen, deren Verästelungen und Verknüpfungen und den biochemischen und –physikalischen Informationsvermittlungen als inzwischen eigenständiger Vorgang fest verankert, so daß die Traumatisierung nicht so leicht aufzuheben ist. Jedenfalls ist eine Beherrschung mit der Ratio kaum möglich, so daß der Mensch von den Gesetzen der Traumatisierung automatisch beherrscht wird. Alles andere, etwa vorangegangene Traumatisierungen und deren Folgen mit dem Verstand zu beherrschen, halte ich für illusorisch.

Die traumatisierenden Erfahrungen müssen nicht selbst gemacht werden, sondern können auch über Generationen hinweg übertragen und weiter vererbt werden. Da die geprägte Person der Mutter auf ein in den psychosozialen Erfahrungen völlig ungeprägtes Wesen, ihr Kind, trifft, nimmt dieses sie in sich auf, verinnerlicht oder introjiziert sie, wie man den unbewussten Einbezug eigentlich fremder Anschauungen psychologisch benennt. Einer von den bedrohlichen Inhalten ihres Selbst- und Weltbildes bzw. ihrer –anschauung voll überzeugten Mutter, deren Inhalte sie noch dazu ihrem Kind selbst vorlebt, kann ein Kind ohne eigene Lebenserfahrungen wenig entgegen setzen. Diese verinnerlichten Bedrohungen werden zu einer inneren Realität des Kindes.

Die Mutter bezieht in die als Folge der erlebten Bedrohungen resultierenden Ängste automatisch das Kind, ihr Nächstes und ihr Liebstes, ein, oft umso stärker, je mehr sie sich ihm verbunden fühlt und es liebt. Sie erlebt sich in Gemeinsamkeit mit dem Kind, sich selbst im Kind und kann nicht mehr zwischen sich und dem Kind unterscheiden. Das Kind wird von der Mutter besetzt, zum Teil ihrer selbst, das Objekt Kind zum Selbst der Mutter und die Mutter zum Selbst des Kindes. Selbstpsychologen sprechen vom Selbstobjekt und der projektiven Identifizierung. Es findet also eine Differenzierungslosigkeit, Grenzenlosigkeit oder Entgrenzung statt.

Diese Ängste können Verlassenheits-, Ansteckungs-, Krankheits- und Sexualitätsängste, aber auch narzisstische Ängste vor Sünde, Schuld, Schmach, Peinlichkeit, Blamage, Verachtung und Lächerlichkeit, die die Herabsetzung des Wertes beinhalten, und vieles mehr sein. Die Ängste mischen sich, etwa, wer sich verlassen und einsam fühlt, erlebt sich in seiner subjektiven Wahrnehmung und oft genug in den Augen eines Umfeldes als nicht geliebt, wenig wert und unattraktiv. Wer sich ansteckt, sieht sich unvorsichtig und leichtsinnig oder wer seinen sexuellen Trieben nachgeht, ist triebhaft, flittchenhaft oder ein Hurenbock. So jemand will die Mutter selbst nicht sein und soll ihr Kind auf keinen Fall sein. Häufige Sätze sind „Was sollen die Leute oder die Nachbarn denken!“ In den für andere harmlosesten Situationen, etwa wenn ein Kind frech und laut ist, sich schmutzig macht oder ungezogen ist, was nicht traumatisierte Mütter gelassen hinnehmen, darin können Mütter Katastrophen sehen und Dramen veranstalten. Dieser Vorgang wird Katastrophisierung genannt.

In der Frühphase des Kindes, in der es noch mehr um Körperwärme, Hautkontakt und Geborgenheit geht, strahlt eine verunsicherte und ängstliche Mutter alles andere als Ruhe und Geborgenheit aus. Die Spannungen der Mutter gehen als Spannungen in das Kind über, meines Erachtens ein häufiger Grund für eine Neurodermitis. Eine innere Abwesenheit der Mutter etwa in einer Depression oder mangelnde Zuwendung können zu einer Nahrungsverweigerung oder Magen-Darm-Störungen führen. Zur körperlichen Nahrung gehört zum Gedeihen des Kindes auch die seelische Nahrung der gelassenen Zuwendung. Wenn dann noch zusätzlich zur Verunsicherung der Mutter innerhalb der Familie Streitigkeiten etwa um die richtige Fürsorge und Pflege vorhanden sind, werden die Spannungen der Mutter und die des Kindes verschärft.

In der Phase, wo das Kind mit eigenen Schritten zur Welterkundung anfängt, muß die Mutter folglich alles tun, um ihre Ängste und Bedrohungen zu verhindern, und je stärker diese sind, desto mehr Einfluss ausüben. Die Folge sind eine Kontrolle und Machtausübung über das Kind bis zur Totalität. Absoluter und sogar vorauseilender Gehorsam sind gefordert. Das Kind muß schon die Wünsche der Mutter kennen, bevor diese überhaupt artikuliert sind. Das für das Kind wichtige Ausprobieren, Selbsterkunden, um eigene Erfahrungen zu sammeln, kann nicht zugelassen werden, da es zu sehr mit Ängsten besetzt ist. Die Bedrohungen für das Kind sind auch Bedrohungen für die Mutter. Die narzisstische Gemeinsamkeit und somit Verstrickung setzen sich somit fort. Schließlich will sie eine gute Mutter sein, die alles Böse von ihrem Kind fern hält. Da die Mutter das Kind bedroht sieht, wird das Kind eine Bedrohung für die Mutter und als Folge und umgekehrt die Mutter für das Kind. In Extremzuständen wie bei schweren psychischen Erkrankungen kann dann die Mutter wie die christliche „Alma mater“, wo die Mutter Gottes Maria ihren schützenden Mantel ausbreitet, ihrem Kind den Schutz anbieten für die Ängste, die sie ihm selber bereitet hat. Und das kann dann eine Lebensaufgabe für die Mutter sein, die ihr Stabilität vermittelt. In dem Artikel über die „Soteria“ habe ich einen selbst erlebten Fall erwähnt, wo eine 80 jährige stabile Mutter ihren über 50 jährigen Sohn, ein menschliches Wrack, täglich durch den Klinikpark führte.

Eine geängstigte Mutter vermittelt ihrem Kind auf diese Weise Ängste, die im Kind ursprünglich nicht vorhanden sind. Da es die Urängste der Mutter sind, kann sie das Kind nicht von diesen Ängsten nicht befreien, beruhigen und trösten. Da die Mutter sich selbst im Kind und nicht das Kind als eigene Person sieht, also nicht zwischen sich und dem Kind differenzieren kann, gehen Empathie bzw. Einfühlungsvermögen verloren, und es geschieht eher das Gegenteil von Trost und Beruhigung. Insofern kann ein Kind nicht mit seinen Ängsten und Sorgen zu einer derartig geprägten Mutter gehen, zumal diese oft von der Mutter selbst stammen. Unabhängig von der Mutter entstandenen Ängsten und Schmerzen, begegnet eine ängstliche Mutter, wenn die Ängste in ihr etabliertes Bedrohungsschema passen, mit Verstärkung. Oft kommt auch vor, dass sie das Kind aggressiv anfährt, es sei eine Belastung für sie, und das Kind muß Angst vor der Mutter haben. Dadurch würde es also nur noch mehr geängstigt und belastet. Deswegen müssen traumatisierte Kinder und spätere Erwachsene ihre Ängste für sich behalten und werden sprachlos und oft erinnerungslos, da sie keinen Adressaten haben, wie besonders von sexuell missbrauchten Mädchen und Frauen bekannt ist, während der meist subtile sexuelle Missbrauch von Jungen noch sprachloser und tabuisierter ist..

Weiterhin spielen sich Teufelskreisläufe ein. Ein ängstliches, unruhiges Kind ist oft nervig, aggressiv, was wiederum die Eltern ärgert und nervt, und sie mit vermehrten Spannungen reagieren müssen. Auch geht beim Kind die Aufmerksamkeit für Spielen oder Lernen etwa in der Schule verloren, da es ausschließlich mit der Gewinnung der inneren Ruhe beschäftigt ist wie beim Aufmerksamkeits-Defizit- Hypermobilitäts-Syndrom (ADHS). Durch das mögliche Schulversagen sehen sich die Eltern im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung in ihren Ängsten bestätigt.

Da es offenbar eine Anlage des Menschen ist, Freiheit und Selbstbestimmung zu wahren, muß das Kind zwangsläufig zur Selbstbehauptung gegen die Gebote und Verbote protestieren, trotzen, verweigern, sabotieren oder in einer reiferen Position zu Gegenbeweisen antreten. Auch bei einem Kind mit kaum noch eigenem Willen tritt die Verweigerung doch noch irgendwo auf. Das Unterdrückte schafft sich irgendwie Bahnen, auch wenn diese noch so pervers oder paradox sind, etwa bei der Magersüchtigen, die die Nahrung bis zum Tod verweigert, um ihren letzten Willen aufrecht zu erhalten, oder bei dem Schizophrenen, der Arbeit und überhaupt Kontakt verweigert, stattdessen in seiner Welt der Stimmen lebt. Das psychische Überleben in der Selbstbestimmung ist der Magersüchtigen offenbar wichtiger als das körperliche Überleben. Sie stirbt lieber körperlich und beraubt sich aller Entwicklungsmöglichkeiten, als in ihrer psychischen Selbstbestimmung unterzugehen und einen seelischen Tod zu erleiden, so paradox es auch klingen mag.

Um die Gebote und Verbote, Trotz und Verweigerung können sich heftige Machtkämpfe entspinnen, in denen das Kind als das Schwächere meist den Kürzeren zieht, sozusagen platt gemacht werden kann. Aber ein Kind kann auch durch Identifizierung auch von den Eltern lernen und mit den Waffen der Eltern zurückschlagen. Die Tragik ist, dass die Mutter in ihren Bemühungen oft das Gegenteil erreicht und gleichzeitig das Kind gegen die eigenen von der Mutter übernommenen Ängste antrotzt. Durch dieses Wechselspiel von Angst und Trotz gerät das Kind in eine innere Zerrissenheit. Beim Kind kann sich ein Wechsel von Trotz, Gehorsam und Anpassung abspielen.

Die Verstrickung geht weiter, indem die Mutter für ihre in ihren Augen berechtigten Bemühungen vom Kind Honorierung, also Dankbarkeit beansprucht, andererseits bei Nichterfüllung etwa vorwirft, „Wie kannst Du mir so was antun!“. Das Kind muß mit Schuldgefühlen reagieren und zu dessen Vermeidung gehorchen. Jede Selbstbestimmung beantwortet es mit Schuldgefühlen. Manche Mütter reagieren mit Leiden, Schmerz und ihren Tränen, in ihren Augen verursacht durch das Kind. Da das Kind es nicht besser weiß und nicht anders kennt, übernimmt es die Sichtweise der Mutter. Sowohl durch Stärke als auch durch Schwäche erreicht die Mutter Macht über das Kind. Als Erwachsener wird das so geprägte Kind große Angst haben, irgendwen zu verletzen, und sich bemühen, jegliche Verletzungen zu vermeiden. In einem neuen Umfeld entsteht für den Erwachsenen das Problem, daß andere Personen infolge anderer Prägungen anders wahrnehmen und eventuell gar nicht verletzt sind oder an anderen Stellen als angenommen verletzt reagieren.

Da die Mutter den Verlust der Selbstbestimmung als ihr Leiden kennt, leidet sie mit ihrem Kind mit, das nun wiederum unter dem Leiden der Mutter leidet – ein gemeinsames Leid, das beide in trauter Zweisamkeit, auch "folie í  deux" genannt, vereint. Eine weitere zentrale Folge der Traumatisierung ist die Spaltung, die oft so ablaufen kann, daß der Eine leidet und der Andere ihn pflegt und versorgt und beide wiederum vereint sind.

Aus dem Bisherigen ist zu entnehmen, daß als Folge der Traumatisierung schicksalhafte Abläufe entstehen, wofür beide Seiten eigentlich gar nichts können. Insofern ist Missbrauch eigentlich kein zutreffender Ausdruck, schon gar nicht als bewusster Vorgang, sondern es handelt sich eher um eine tragische Verstrickung. Der Begriff Missbrauch ist entsprechend dem gesellschaftlichen Kontext, in dem bei tragischen Abläufen irgendjemand schuld sein muss, mit Schuld verbunden. Diese wird dann in diesem Kontext am großen Erwachsenen festgemacht, der es eigentlich besser wissen müsste, da Kinder als unschuldig gelten. Dieser muß wiederum seine Schuld auf das Kind abwälzen. So machen etwa sexuell missbrauchende Väter die Schuld meist an der Tochter fest, die sie verführt hätte. Durch die Verinnerlichung wird das ursprüngliche Opfer zum Täter nach den introjizierten Prägungen, und Missbrauch und Verstrickung können so über Generationen weiter gegeben werden.

Im zweiten Teil des Artikels nach diesen mehr allgemeinen Ausführungen wenden wir uns mehr der Verstrickung speziell zwischen Mutter und Sohn zu.

Literatur:

Karl Haag (2006): „Wenn Mütter zu sehr lieben – Verstrickung und Missbrauch in der Mutter-Sohn-Beziehung“, Kohlhammer

Gerhard Amendt (1994):  „Wie Mütter ihre Söhne sehen“, Fischer-Verlag

http://www.stern.de/panorama/:Das-Vaterbild-Männer-Söhne 2C/625840.html

Deborah P. Margolis (1996): “Freud and his Mother. Preoedipal Aspekts of Freud’s Personality”

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