Das ESC-Spektakel wird 2013 wohl in Stockholm inszeniert, auf jeden Fall in Schweden veranstaltet. In diesem Königreich wird der Monarch, wird der Adel und die Bourgoisie Dank eines bürgerlichen Parlaments wohl wenig kritisiert. Debatten über die örtliche Menschenrechtslage werden nicht zu erwarten sein, meint Stefan Kuzmany in Spiegel-Online und schreibt: "Bleibt nur zu hoffen, dass die Aufmerksamkeit für Aserbaidschan und die Situation seiner Bürger, die unter einem autoritären Regime leben müssen, nicht sofort abflaut, wenn der ESC-Wanderzirkus weitergezogen ist."
Wir vom WELTEXPRESS bleiben dran, mein Guter, und empfehlen schwedische Sitten statt Gardinen. Beispielsweise die des Öffentlichkeitsprinzips. Behördliche Schriftstücke, verrät dazu Wikipedia, sind "mit geringen Ausnahmen der Presse und allen Privatpersonen zugänglich. Niemand muss angeben, warum er ein Schriftstück einsehen möchte, noch muss man sich ausweisen. Es ist seit 1766 verfassungsrechtlich garantiert und ist damit die weltweit älteste Verfassungsregelung zur Informationsfreiheit. Auch auf dem Gebiet des Datenschutzes, dem Gegenstück zur Informationsfreiheit, gehört Schweden zu den Vorreitern: Während das weltweit erste Datenschutzgesetz 1970 in Hessen verkündet wurde, trat das weltweit erste nationale Datenschutzgesetz 1973 in Schweden in Kraft." Chapeau.
Davon kann sich Aserbaidschan eine schöne Scheibe abschneiden, wie wir uns vom Gegrillten, das vor uns steht, überzeugen können. Wir? Zwei Redakteure vom WELTEXPRESS sitzen samt Bloggerin mit Drang nach Brandenburg im Berliner P-Berg-Restaurant KASPI, um den ESC zu schauen und ab und an auf unsere Schlepptops. Unter www.restaurant-kaspi.de teilt man mit, was wir vor uns sehen: eine "exklusiven Auswahl an Speisen und Getränken", welche die Gäste, die hier und heute auf die Flachbildschrime gucken, um in Baku dabei zu sein, "auf eine kulinarische Reise in den fernen Kaukasus" entführt.
Wir werden mit deutschem Wasser und aserbaidschanischem Wein versorgt und gefragt, wen wir als Sieger sehen. Wir vom WELTEXPRESS entscheiden uns für Schweden. Offensichtlich sind wir die einzigen, die das tun, und ernten alles andere als anerkennende, nämlich skeptische Blicke. Dem Siegertisch würde ein heißer Preis winken, hören wir, wärend wir uns in die Speisekarten vertiefen.
Vorweg eine heiße Suppe. Entweder Borschtsch, also die traditionelle Rote-Beete-Suppe mit Weißkohl, Möhren, Kartoffeln und oft allerlei anderem guten Gemüse sowie Rindfleischstreifen, verfeinert mit Crème fraí®che, oder Soljanka, ein Teller voller Stücke Fleisch und Wurst, aber warum nicht mal Cartcho. Das ist eine pikante Suppe mit Lammfleisch, Paprika, Tomaten, Chilischoten, Koriander und Reis. Die Pelmeni sind ebenfalls lecker und werden mit Lamm- und Rindfleisch gefüllt. Passend dazu trällert eine Rentnerinnengang aus Russland. Sechs (nicht sex) singende Matrjoschkas mühen sich redlichen, backen Brot und bewegen sich rührend.
Als Hauptgericht raten wir zu Sadsch mit Lamm auf Holzkohle oder aserbaidschanischem Plov mit Lamm. Das ist ein Reisgericht mit Lamm, Zweibeln und getrockneten Pfirsichen. Zudem sind Kalb- und Lammspieß gut. Wer etwas Ungewöhnliches mag, wählt Schaschlik vom Stör. Dazu gibt es gegrillte Tomaten. Im KASPI wird fast alles gegrillt, auch Käse. Neben Fleisch vor allem Gemüse wie Zweibeln, Tomaten und Paprika. Offensichtlich grillen die Kaukasier alles. Jetzt singt die Schwedin und tanzt wie … wollen wir lieben nicht schreiben. Wir vergaben zuvor bereits 12 Punkte, ohne Loreen tanzen gesehen und ihr Lied gehört zu haben. Wird sie siegen und wir mit ihr?
Vergessen Sie nicht, das aserbaidschanische Lawasch in die Hand zu nehmen und das dünne Fladenbrot in die saftigen, öligen Pfützen auf ihrem Teller zu tunken. Das mundet. Und wir genießen Anke Engelke, die aus Hamburg von der Reeperbahn verkündet: "Heute Abend konnte niemand für sein eigenes Land abstimmen. Aber es ist gut, wählen zu können. Und es ist gut, eine Wahl zu haben. Viel Glück auf Deiner Reise, Aserbaidschan! Europa beobachtet Dich! Und hier sind die Ergebnisse der deutschen Jury”¦"
Dann siegt sie: Loreen, obwohl Roman Lob, der für Deutschland an den Start ging, mit dem von Jamie Cullum, Steve Robson und Wayne Hector komponierten Titel "Standing Still" wirklich sehr gut rüberkam. Doch die Osteuroäer können damit offensichtlich weit wenig anfangen als wir. Nur aus dem Baltikum gibt es Punkte. Aus Estland gab es immerhin wie aus Irland, Ungarn und Portugal zehn davon. Da wollten wir immer schon mal hin und werden bald in unseren Reise-Rubriken berichten.
WELTEXPRESS gewinnt im KASPI? Ja, richtig, noch ein Abendessen, aber nur für zwei!
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Restaurant KASPI, Sredzkistraße 28, 10435 Berlin, täglich von 15 Uhr bis Mitternacht geöffnet. Website: www.restaurant-kaspi.de