Zum Berliner Publikum gesellten sich viele Gäste, darunter etliche Fans, die „ihren“ in der deutschen Hauptstadt gastierenden Theatern nachgereist waren.
Zweifellos hat die Werbung eine Menge zum Erfolg des Festivals beigetragen, auch wenn deren Strategien glücklicherweise nicht die Ziele verfolgten, die sich die Marktgestalter in den Kopf gesetzt haben, die in dem Stück „Die Schöpfer der Einkaufswelten“ nach dem Dokumentarfilm von Harun Farocki in einer Produktion des Schauspiels Hannover aufs Korn genommen werden.
Unter der Regie von Tom Kühnel mit den wunderschönen Stabpuppen von Suse Wächter, in beeindruckendem chinesischen Ambiente bot das hervorragende Schauspielensemble eine ebenso amüsante wie schockierende Entlarvung der Feldzüge, durch die der gesamte Globus in ein grenzenloses, uniformiertes Konsumentenparadies umgewandelt werden soll, wobei nicht nur die Mao-Bibel, sondern auch die gesamte abendländische Dichtung und Philosophie sich als Leitfaden zur Markeroberung nutzen lässt.
Zum Abschluss des Festivals im Deutschen Theater gab es „Die lange Nacht der Autoren“ in der in Werkstattinszenierungen vier vom alleinigen Juror Michael Althen ausgewählte neue Stücke zu sehen waren.
Der große Wurf ist mit dieser Auswahl wohl nicht gelungen. Mit dem Stück „In Neon“ von Julia Kandzora begann der Abend recht zäh. Die Geschichte eines Mannes, der seine Identität verloren hat und sie trotz verzweifelter Suche nicht wiederfinden kann, geriet ins Langweilige trotz des schauspielerischen Einsatzes von Susanne Wolff, Ole Lagerpusch und Felix Goeser und der beachtlichen Regieeinfälle von Simon Solberg.
Auf dieses Befindlichkeitsdrama folgte nach halbstündiger Umbaupause ein weiteres: „Süßer Vogel undsoweiter“ von Laura Naumann. Hier geht es um eine Gruppe Jugendlicher, die aus dem Provinzkaff heraus will, in dem sie lebt, aber den Absprung nicht schafft. Auch hier waren gute Regie und beeindruckende schauspielerische Leistungen zu erleben, die das Stück dennoch nicht zum Leben erwecken konnten.
In einem Interview hatte Michael Althen mitgeteilt, dass in einigen der zu den Autorentheatertagen eingesendeten Stücken Gott und Hitler tragende Rollen spielen. So weit hat der Autor Carsten Brandau sich nicht vorgewagt. Er hat sich der Namen Andreas Baader und Gudrun Ensslin bedient, und lässt die Beiden in einem deftigen Schwank als konsumbesessenes Kapitalistenpaar auftreten. Brandaus Stück wurde durch das Schauspieltrio Judith Hofmann, Alexander Khuon und Jörg Pose unter der Regie von Rafael Sanchez deutlich aufgewertet und vom Publikum begeistert gefeiert.
Höhepunkt und Schluss der langen Nacht war das Stück „Sam“ von Katharina Schmitt, ein Monolog, zu dem die Autorin angeregt wurde durch das „Cage Piece“, einer einjährigen Performance von Tehching Hsieh, genannt Sam.
Die Werkstattinszenierung mit Samuel Finzi unter der Regie von Sebastian Hartmann hatte die Qualität einer hervorragend gearbeiteten Uraufführung. Hier stimmte einfach alles, und die von dem Künstler, der sich ein Jahr lang in einen Käfig einsperren ließ, gestellte Frage nach der Verwendung von Lebenszeit bekam elektrisierende Wirkung.
Ein zweifellos genialer Einfall war der Auftritt eines lebendigen Lamas, das von Sam als Besucher begrüßt wird und mit dem er spricht, während er es mehrmals im Kreis herumführt.
Der Herr im Frack, der vorher in distanziertem Schweigen dagestanden oder sich wie eine Maschine zu übersteuerter Musik bewegt hatte, während seine Stimme über Band zu hören war, der Mann, für den es ein Jahr lang keine persönlichen Kontakte gegeben hatte, wendete sich nach Abschluss seines Performance einem lebenden Wesen zu, das ihm eine ganz zarte, rührende Aufmerksamkeit entgegenbrachte.
Ein Stück, mit dessen Aufführung sich solche künstlerischen Höhenflüge verbinden lassen, ist zweifellos ein Glücksfall, und es ist ein großer Verdienst, dass Michael Althen diesen Schatz zu Tage gefördert hat.