Das Gebotene wirkte so, als ob jemand beim DEL-Rekordmeister die Festplatte gelöscht und das erfolgreiche Betriebssystem wieder installiert hatte!? – „Ja, so kann man das sehen“, bestätigte Kapitän Andre Rankel.
Noch fünf Tage zuvor hatte man sich gegen den Tabellenletzten Straubing beim 2:0 mehr als schwer getan. Setzte beim 6:2 in Augsburg mit Unterstützung einer Sonderzug-Besatzung von 800 Schlachtenbummlern ein Achtungszeichen. Und fertigte dann im dritten Spiel unter dem Kölner Ex-Trainer Uwe Krupp den Tabellen-Konkurrenten vom Rhein deklassierend ab!
Es war der Ausbau einer Sechser-Siegesserie, womit der sechste Rang verteidigt wurde. Hat es unter dem Neu-Berliner Krupp zwischendurch Sonder-Krisenappelle gegeben? Oder höchstintensive Video-Gegner-Vorbereitungen? Hat man den Mental-Coach aktiviert oder was ist passiert? – „Nichts Besonderes“, sagt Rankel. „Natürlich haben wir gesprochen. Natürlich hatten wir die übliche Gegner-Vorbereitung. Ja und vorgenommen hatten wir uns, aggressiv aufzutreten, Forechecking zu machen, schnell nach vorne zu spielen, die Füße zu bewegen. Wie wir das umgesetzt haben, damit dürfen wir heute sehr zufrieden sein.“
Sehr zufrieden kommt in Rankels Bewertungsskala sehr selten vor. Der eher nebenläufig gemachte Hinweis auf die mobilen Füße aber erklärt einiges. Wenn alle Mitspieler dies tun, stört man Spielaufbau und Angriffsversuche des Gegners massiv, hat gute Pass-Optionen bei Scheibenbesitz und kreiert im Vorwärtsgang Torchancen.
Neu-Eisbär Marc Noebels, mit zwei Treffern und einer Torvorlage „Man of the Match“ erläuterte, was läuferischer Einsatz bewirken kann: "Alle haben heute Torhüter Petri Vehanen unterstützt. Den Rest erledigt er. Er fängt meist die gegnerischen Schüsse locker weg.“
Die kollegiale Hilfe erhielt Kölns Danny Aus den Birken übrigens nicht. In der Fangquote nicht schwächer als Vehanen. Doch nach dem 0:5 hatte er genug, verließ entnervt seinen Kasten. Seine Mitspieler hatten das weihnachtliche „Macht hoch die Tür, macht weit das Tor“ allzu wörtlich genommen. Dem Spiel der Gastgeber kam entgegen, dass die Haie ihnen die neutrale Zone weitgehend kampflos überließen.
Möglicherweise lähmte das schlechte Gewissen die Kölner Profis, weil ihre miserable Punktequote (bei vielen Verletzten) zum Rauswurf von Krupp im Oktober führte. Unter dessen Führung sie immerhin zweimal im Meisterschafts-Finale standen.
Der 49-jährige Krupp erlag nicht der Gefahr nachzukarten. Vor Anpfiff räumte er noch ein, die Konfrontation mit seiner früheren Mannschaft sei emotional eine „besondere Situation“. Ob er nach dem Ausgang daher „besondere Genugtuung“ empfinde? – Nein. Es sei ein „sehr gutes Auftreten“ seiner jetzigen Gruppe gewesen, das verdient mit drei Punkten belohnt wurde: „Ansonsten, das Thema ist abgehakt. Rückwärts schauen bringt nichts.“
Eine professionelle Antwort.
Aber vermutlich nur die halbe Wahrheit. „Vielleicht haben wir ihm heute ein kleines Weihnachtsgeschenk bereitet“, äußerte jedenfalls Marc Noebels mit breitem Grinsen. Zuvor hatte er das Frage-Antwort-Spiel selbstbewusst eröffnet: „Na, heute könnt ihr doch mal lächeln, wir haben schließlich gewonnen.“
Krupp erlag auch nicht der Versuchung, seit der Amtsübernahme alles auf den Kopf und umstellen zu wollen. Orientierung und Rückbesinnung auf die eigenen Stärken statt Arbeiten an Fehlern: Laufen, Tempo, Gegner und gegnerisches Tor unter Druck setzen. Beim vorherigen 6:2-Sieg in Augsburg gab es sechs Torschützen. Beim 6:1 über Köln fünf. Dabei zwei Treffer im Überzahlspiel, das zwischenzeitlich zum schwächsten der Liga degeneriert war.
Das Auseinandersetzen mit Fehlern dagegen nervt und zieht runter. Und ist sehr zeitaufwendig.
Krupp setzt spielerisch wie personell auf Re-Start-Effekte: Alles beginnt bei null. Was war, ist Vergangenheit. Die Karten auch für Vertragsgespräche werden neu gemischt!
Dass Niklas Sundblad als Kölns Trainer an die Spree gekommen war, gehört zu weiteren Besonderheiten des Abends. Denn der Schwede war Krupps Assistent in Köln, ehe er in der Vorsaison Ingolstadt sensationell zur Meisterschaft coachte. Dort kündigte er völlig unerwartet und nahm im Oktober Krupps Job an. Wenn man so will ein Re-Start nicht alltäglicher Umstände.
In Berlin sagte er nur: „Die Berliner sind besser gelaufen und waren die bessere Mannschaft. So eine Niederlage – das kann halt passieren.“
Ex-Eisbär Richie Regehr, nun RB München, nannte dieser Tage den Kreis seiner Titelkandidaten: Neben München und Mannheim noch Wolfsburg und Iserlohn.
Die Eisbären waren (noch) nicht dabei. Deren Fans holten nach dem karnevalistischen 6:1 aus ihrem Liedergut jedoch wieder das zukunftsfrohe „Klingelingeling – der EHC wird Meister“ hervor.
Vermutlich hatten sie Wind von der Aussage des sportlichen Eisbären-Leiters bekommen. Stefan Ustorf äußerte Anfang Dezember wenig erklärbar, dass die Eisbären „doch noch Meister“ werden könnten. Hintergrund könnte sein, dass Krupp sich interessiert zeigte. Wenig später folgte dessen plötzliche Einigung mit dem Haie-Management und nur Stunden darauf die Meldung seines Wechsels in die Hauptstadt…
Straubing, Augsburg, Köln waren Rivalen auf Rängen hinter Berlin. Ob der Re-Start-Effekt auch gegen Kontrahenten aus der ehrenwerten Gesellschaft ausreicht, wird sich nun zeigen – gegen Wolfsburg, Iserlohn und Ingolstadt.