Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Karola Bady, ehemalige Redakteurin bei „Sportbild“ und ATN-Pferdepsychologin mit Schweizer Diplom, hält schon über Jahre einige Landgestüte im Auge und nimmt diese kritisch unter die Lupe, wie das der WELTEXPRESS in einem Interview mit ihr im August 2017 dokumentiert.
Über die Diskussion um die Schließung des Landgestüts Dillenburg in Hessen durch die grüne Umweltministerin Priska Hinz, ist eine längst fällige Diskussion um Hengsthaltungen in anderen Bundesländern entfacht worden.
In Hessen war der Aufhänger für die Abschaffung der Hengsthaltung die tierschutzwidrige Haltung der Pferde. Dahinter stand die Kritik an der großzügigen finanziellen Subventionierung von Landgestüten in Zeiten, da kommunale Kassen so leer sind wie die Landessäckel.
Auf der Suche nach einem Weidehengst für ein wissenschaftliches Experiment hat Karola Bady sich die Landgestüte im Norden über einige Jahre genau angesehen und zuerst den Fokus auf ihren Lieblingshengst Lemon Park aus dem Celler Landgestüt gerichtet, da er wegen seines Charakters, seiner Blutlinien mit Doppelveranlagung und seiner Nachzucht besonders geeignet erschien. Der Kauf des Hengstes schlug fehl, wie in obigem Interview berichtet wird, nachdem Frau Bady auf die unzureichende Haltung der Hengste hingewiesen hatte.
Diese tierschutzwidrigen Praktiken bestehen nach wie vor. Im August 2018 gab es wieder die traditionelle Hengstparade, wo auch Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) zugegen war in dem „bei weitem größten und zweitältesten deutschen Staatsgestüt“.
Karola Bady setzt sich mit einem Blick hinter die feine Fassade der Hengstzucht und ihrem politischen Umfeld kritisch auseinander.
Das Interview
Paschel: Ist das Landgestüt Celle wirklich ein als Auslaufmodell?
Bady: Nach der Rüge des Landesrechnungshofes muss Dr. Axel Brockmann sparen. Der Sonnenkönig von Celle – wie er zuweilen genannt wird -, Landstallmeister Dr. Axel Brockmann, musste nach der Rüge des Landesrechnungshofes von 2014 einige Rückschläge verkraften. Zuletzt war er in der Presse wegen überraschender Todesfälle der Spitzenhengste Don Crusador, Dancier, des erst siebenjährigen Qualito oder Londonderry, einer Institution. Die Hengstparaden waren nur im Gespräch, weil sich Hengste befreit und deshalb schwer verletzt hatten. Unruhe gab es wegen seiner Ankündigung, es werde die klassischen Hengstparaden nicht mehr geben. Damit war aber gemeint, dass Brockmann sich gezwungen sah, einfach nur ein neues Konzept auszuarbeiten. Im Zentrum der Kritik stand der Landstallmeister vor allem, weil er Ausgaben von jährlich 5,8 Mio. unzureichend dokumentiert und 2,13 Mio. Fördermittel verbraucht. Trotz der Rüge kaufte er 2018 wieder fast 20 neue Hengste ein.
Nach der Schließung des Landgestüts Dillenburg in Hessen und Zusammenschlüssen von Zuchtverbänden als Reaktion auf die angespannte Marktsituation, geraten jetzt altbewährte Landgestüte wie Celle ebenfalls in den Fokus. Der Landesrechnungshof rügte die Finanzpolitik von Axel Brockmann, die Dokumentation der Finanzen ist demnach katastrophal. Angefangen hat Brockmann 2007 mit 108.000 Euro Zuschuss. Die MHH (med. Hochschule) oder TiHo (Veterinärklinik Hannover) wären überglücklich, bekämen sie jährlich 2,13 Millionen aus den Landeskassen!
In der Behörde, die dem Landgestüt als Kontrollinstanz übergeordnet ist, phantasiert die neue Ministerin Otte-Kinast von den schönen Hengsten und ihrem Besuch bei der Hengstparade, während ihr Vorgänger den Etat zum Hengsteinkauf um 100.000 Euro beschränkt hatte. Christian Meyer sah sich dafür im Landtag kollektiver Schelte ausgesetzt, weil die Landespolitiker ihr Wappentier gefährdet sahen und sich trotz der hohen Kosten „nicht vom Tafelsilber in Celle trennen“ wollten. Hätte es je einen Betriebsausflug ins Landgestüt gegeben, hätten Minister und Staatssekretäre sich der Erkenntnis öffnen müssen, dass die Haltungsbedingungen der Pferde nicht artgerecht sind.
Paschel: Hat das Landgestüt in Celle hat wirklich ausschließlich Boxenhaltung?
Bady: Ja, die Cellesche Zeitung entgegnete der Kritik aus dem öffentlichen Raum, dass es in Adelheidsdorf, der Prüfungsanstalt für eigene und fremde Junghengste, Weideflächen gäbe. Davon haben die Hengste in Celle aber nichts! Führanlage ja, Auslauf nein. Dazu kommen über die Jahre immer wieder Vorwürfe in Fachmedien zur Behandlung der Hengste. Ein Experiment mit einem Celler Hengst in der Hofreitschule in Bückeburg zeigte auf: Unerklärliche Kieferverletzungen und muskuläre Dysbalancen bei“Labiat“. Schnittverletzungen bei anderen Hengsten, eine einseitige Erblindung bei Satisfaction FRH. Koppen, Weben und andere Verhaltensstörungen sind Folgen reiner Boxenhaltung und Langeweile. Die Maße der Boxen entsprechen nicht mehr den Anforderungen der heutigen Zeit.
Paschel: Wurde der Bestand an Hengsten nach der Rüge durch den Rechnungshof denn gesenkt?
Bady: Ja, dabei musste Dr. Brockmann seinen Bestand bereits von 120 Hengsten auf 80 senken. Wie genau das erfolgt ist, darüber spricht der Landstallmeister nicht – und ein Großteil der Hengste hat gar nicht genug Kundschaft.
Beispiele:
Satisfaction FRH: Dieser Springhengst wurde verkauft und ging über den Stall Beerbaum zu Marco Kutscher, von dort nach Skandinavien. Mittlerweile soll er bereits seine neue Box auf dem Gestüt Haras de Circée in der Normandie bezogen haben
Lancier: räumte die Box.
Lemon Park: gab öffentlich Rätsel auf, ob er verstorben sei oder doch privat Gnadenbrot bekam.
Vollblüter Seborga: ist nach Westfalen verkauft. Alles ohne Dokumentation.
Paschel Im Landtag hat das anscheinend lange niemanden interessiert?
Bady: Ja, so ist es. Die Hengstparaden sind ja auch eine Gelegenheit für Politiker sich zu profilieren, wogegen die Besucher sich bei den Hengstparaden überzeugen konnten, dass einige Trakte der geschichtlich erhaltenswerten Gebäude inzwischen leer stehen. Gebäude, die den Ansprüchen moderner Tierhaltung längst nicht mehr entsprechen, wie in Dillenburg.
Der Leiter der Außenstation in Oberndorf sagte zur Verhaltensstörung des inzwischen ebenfalls verstorbenen Jahrhunderthengstes Lauries Crusador: „Wenn der bei mir in Oberndorf ist, kommt er in den Paddock, dann koppt er nicht und webt auch nicht“. Kommen die Vatertiere nach der Saison im Juli zurück ins Landgestüt, sind die Verhaltensstörungen aber wieder da. In der Natur läuft das Fernwanderwild Pferd am Tag problemlos auf der Suche nach Futter 20-30 Kilometer. In Celle stehen die Tiere aber 20 Stunden und mehr in der Box, nur für das „Absamen“ auf dem Phantom sind sie kurz draußen. Führanlage und eine Stunde Bewegung in der Halle reichen einfach nicht aus.
Von den Fördergeldern kommt bei den Bediensteten auch nicht viel an, denn wer sich mit den Bereitern unterhält, verspürt durchaus Unmut über die allgemeine Lage. Einige Außenstationen sind inzwischen geschlossen, Pakete mit Hengstsamen stehen unbeaufsichtigt vor der Tür. Die Beamten haben mehr Freizeit und geben extern Unterricht, um das schmale Salär aufzubessern, während der Landstallmeister im Ruf steht, weiter zu feiern und sich mit öffentlichen Geldern züchterische Träume zu erfüllen. Gewinne erwirtschaftet er damit kaum, da er von den Einnahmen einen Teil an Mitbesitzer der Hengste auszahlen muss. Es kümmern sich rund 80 Beamte und Angestellte um den Hengstbestand und die Gaststuten, also quasi hat jeder Hengst einen für ihn zuständigen Mitarbeiter. Ein Luxus, den sich private Gestüte nicht leisten. Die Sanierung der Gebäude aus der Gründungszeit mit Erlass vom 27. Juli 1735 durch Georg II., König von England und Kurfürst von Hannover, wie gern zitiert wird, um die Kostüme zu erklären, verschlingt wohl den Löwenanteil der Fördermittel. Auch von den Baumaßnahmen profitieren die Hengste nicht.
Paschel: Der Landstallmeister Dr. Axel Brockmann hat sich aber doch bemüht!
Bady: Verzweifelt wirkte der Versuch von Dr. Brockmann, alles so darzustellen, dass es kürzlich die letzte „klassische“ Hengstparade gegeben habe. Daraus wurde in den Medien und in der Öffentlichkeit: „Keine Hengstparaden mehr“. Dabei arbeitet der Landstallmeister nur ein neues Konzept aus, mit dem er zukünftig durch die Hengstparaden im Herbst ein Plus von 30.000 Euro erzielen möchte. Ob ihm das gelingen wird, aus einer antiquierten Show für die Züchter ein Highlight für eine ganz neue Zielgruppe zu formen, wird die Zukunft zeigen. Wenn nicht, rückt das Management für ein mittleres Wirtschaftsunternehmen, das Celle als Landgestüt bei dem Finanzaufkommen heute darstellt, wieder ins Fadenkreuz der Kritiker. Dem kann sich dann auch der Landtag nicht mehr verschließen.
Hengste zu Sonderpreisen anzubieten, damit der „kleine Züchter“ sich das für seine Stuten leisten kann, ist nicht mehr zeitgemäß. Die Zahl der Stuten sinkt allerorten und die Verkaufspreise sind am Boden, mit wenigen Ausnahmen. Treue Kundschaft hat sich über Jahre Privathengsten zugewandt, die ihre Leistungsbereitschaft im großen Sport unter Beweis stellen, nicht nur ländlich. Die PR Strategie, dass auch die Celler Hengste auf Turnieren siegen und die Hannoversche Zucht zu den besten der Welt gehöre, fallen eher in den Bereich der Erzählung und unterliegen der Interpretation. Dieses Etikett beanspruchen nämlich zeitgleich auch die Zuchten in Holstein, im Gestüt Zangersheide in Belgien auf deutschen Blutlinien aufgebaute Nachwuchspferde und nicht zuletzt die Trakehner.
Paschel: Vielen Dank, Frau Bady, für diese aufschlussreichen Informationen, die wahrscheinlich einigen Leuten gar nicht ins Geschäft passen.
Links zu Quellen:
http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Am-Wochenende-wieder-Hengstparade-im-Landgestuet-Celle