Nürnberg, Bayern, Deutschland (Weltexpress). Am Mittwoch, den 25. November 2015, ist „Tag des Hutes“. Des Schlapphutes, Strohhutes und Filzhutes wie des Zylinders: Seit rund 1.000 Jahren tragen Menschen im Gebiet des heutigen Europa Hüte. Die Kopfbedeckung ist nicht nur praktisch und schützt vor Sonne und Regen, sie zeigt auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe oder Gesellschaftsschicht an – oder unterstreicht als modisches Accessoire die eigene Persönlichkeit.
Dass Modetrends auch früher schon heftige Kontroversen entfachten, können Besucher ab 3. Dezember 2015 im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg in der neuen Sonderausstellung „In Mode. Kleider und Bilder aus Renaissance und Barock“ erfahren. Vor allem die Frage, welche Kleidung für Männer und welche für Frauen angemessen sei, beschäftigte die Gemüter. Hüte nehmen dabei eine besondere Rolle ein. Denn bis ins 16. Jahrhundert verhüllten Hauben die Haare der Frauen. Nur Männern war es gestattet, Hüte zu tragen. Als mit Barett und Hut erstmals haarsichtige Kopfbedeckungen in die Frauenmode Eingang fanden, galt dies als Traditionsbruch.
Damen- oder Herrenhut? Die Einordnung wurde damit schwieriger. Ein dunkler Hut mit hohem, gefälteltem Kopfteil und breiter Krempe aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde 1859 vom Germanischen Nationalmuseum noch als Hut eines Nürnberger Ratsherrn angekauft. Diese Bestimmung ist jedoch nicht zwingend. Dass solche Kopfbedeckungen auch von Frauen getragen wurden, belegen einige kleinformatige Blätter aus einem Bestand von mehr als 100 Kostümbildern, die der Zeichner, Radierer und Kupferstecher Wenzel Hollar 1642 bis 1650 in London und Antwerpen anfertigte. Die Kopfbedeckung einer Nürnberger Kaufmanns-Ehefrau mit breiter Krempe und davon klar abgesetztem Kopfteil und Federschmuck erinnert stark an den vermeintlichen Ratsherrenhut.
Frauen, die Männerhüte tragen? Ein Skandal!
Die Orientierung derartiger Frauenhüte an männlichen Vorbildern veranlasste Sittenwächter zum Verfassen modekritischer Cross-Gender-Pamphlete. Als Affront gegen die Natur, die Bibel und die gesellschaftlichen Konventionen wurde die Kritik an Frauen, die männlich konnotierte Kleidung trugen, gegen Ende des 16. Jahrhunderts vor allem in England immer lauter. Zunächst standen kurze Haare und breitkrempige Hüte im Fokus, später auch „männliche“ Wämser und Halskrausen. Den „man-women“ wurde zudem ein aggressives Verhalten und das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit vorgeworfen, also das Aneignen vermeintlich männlicher Verhaltensweisen. Als Höhepunkt der Diskussion erschienen 1620 zwei Pamphlete im Abstand von einer Woche: „Hic Mulier. Or, The Man-Woman“ und als Pendant „Haec Vir: Or The Womanish-Man”, das das weibische Auftreten von Männern verspottete.
Das Titelbild von „Hic Mulier“ zeigt die im Text kritisierte maskuline Frau, wie sie sich die Haare stutzen lässt und sich im Spiegel mit Halskrause und breitkrempigem, federgeschmücktem Hut betrachtet. Das Buch mahnt tugendhafte Frauen eindringlich, nicht den „Mannweibern“ zu folgen.
Das Tragen von Hüten und Wämsern wurde gar mit dem Verhalten von Huren gleichgesetzt. Eine Passage auf der vierten Seite kritisiert den kurzen Schnitt des Wamses nicht nur als unförmig, sondern auch als Einladung zu ausschweifendem Verhalten. Eine etwa zeitgleich erschienene fiktive Lebensgeschichte einer Kurtisane prangert in Form eines Flugblatts ebenfalls das mit modischer Kleidung verbundene anrüchige Verhalten an: Frauen trügen Wämser, um den Männern zu gefallen. Außerdem könnten sie unter den weiten Schößen ganz einfach uneheliche Schwangerschaften verstecken.
Mehr über Mode des 16. und 17. Jahrhunderts und wie sie gedeutet wurde, erfahren Besucher ab 3. Dezember 2015 in der neuen Sonderausstellung „In Mode. Kleider und Bilder aus Renaissance und Frühbarock“ im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.