Kontraste im „Pfannenstiel“ – Interessante Begegnungen im Norden Idahos

© Foto: Rainer Hamberger

„Wie wär ´s mit einem Round-up?“ Für uns Möchtegern-Cowboys die Gelegenheit aktiv am Ranchleben teilzunehmen. Was wir landläufig unter Western-Romantik verstehen war schon immer und ist auch heute noch ein Leben voll harter Arbeit und Verantwortung. Einen guten Einblick in diesen Alltag bekommt man auf der Western Pleasure Ranch in Nord-Idaho in der Nähe von Sandpoint. Während wir beim Frühstück genüsslich Pfannkuchen mit Huckleberries,  einer Art wild wachsender Blaubeere verzehren, sind Wrangler schon unterwegs die Pferde von der Weide zu holen. In eine Staubwolke gehüllt traben die Tiere den Weg entlang. Die temperamentvolleren streben in weit ausholendem Galopp dem Corral zu, wo der beliebte Hafer wartet.
Heute ist ein besonderer Tag. Der „Shoer“ macht Station. Seine Werkstatt befindet sich in einem Van älterer Bauart. Damit ist der Hufschmid von Ranch zu Ranch unterwegs. Irgendwo müssen in diesem Landstrich immer Hufeisen erneuert werden.
Dann ist es soweit. Die Pferde sind für den „Trailride“ gesattelt. Verträglich reihen sich Quarter Horse, Apaloosa und andere Arten hintereinander ein. Es geht über Wiesen, durch dichten Wald und über weit gestreckte Hügel. In der Stille ist nur das Schnauben der Pferde zu hören oder das Rascheln eines Weißwedelhirsches, der im Dickicht das Weite sucht. Verkohlte Stämme, kurz vor dem Auseinanderbrechen sind Zeugen einer Rodung, die schon viele Jahre zurückliegt. Junger Wald ist nachgewachsen. Eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt erweckte die kahlen Stellen zu neuem Leben.
„Schaut da wächst ein Apfelbaum“, Melly deutet auf ein kümmerliches Bäumchen an dem tatsächlich Früchte hängen. „Als Holzfäller den Wald rodeten, verspeisten sie auch Äpfel. Kerne fielen achtlos auf den Boden und mit der Zeit entwickelten sich Bäume, die hier ja ungestört wachsen konnten.“ Das Fallobst ist ein unerwarteter Leckerbissen für die Pferde. Abends  sitzen wir dann doch am Lagerfeuer. So ganz ohne Romantik und Vergnügen geht es eben nicht.

Sandpoint – liebliche Kleinstadt am Seeufer

„Habt ihr den Adler gesehen?“ Linda deutet zur Insel, wo sich auf der Spitze eines abgestorbenen Baumes der große Vogel niedergelassen hat. „Adlerpaare bleiben ein Leben lang zusammen“, fährt sie in ihren Erklärungen fort. Wir sind auf Idahos größtem See, dem Lake Pend Oreille unterwegs. Die „Shawnodese“ ist im klassischen Stil eines alten Flussbootes gebaut und kann 30 Passagiere befördern. Die wichtigsten Personen sind jedoch Ron, der Kapitän, der das Boot sicher über den See steuert, und Linda, die nicht nur ein wandelndes Lexikon ist, sehr bewandert in Geschichte und Biologie, sondern sich auch um das leibliche Wohl der Gäste kümmert. Interessant ist jede Fahrt. Einmal geht es um geschichtliche Fakten rund um den See, ein andermal steht Tierbeobachtung im Vordergrund, und bei einer Sonnenuntergangsfahrt wird man mit allerlei Nachtischen verwöhnt. Am besten man lässt das Abendessen davor ausfallen.
Natürlich bietet der See vor allem im Sommer viele Wassersportmöglichkeiten. Ein neuer, sehr umweltfreundlicher Trend breitet sich gerade aus: Auf einem Surfbrett stehend sich mit einem langen Paddel durchs Wasser bewegen. Abgeschaut hat man sich das wohl bei den Bewohnern Hawaiis.

Lebhaft geht es zu in Sandpoint. Boutiquen verkaufen Kunsthandwerk, Marken-Sportartikel, aber auch elegante Bekleidung. Downtown ist überschaubar und zu Fuß lassen sich alle Sehenswürdigkeiten erreichen. Am Ende landet man in einem der gemütlichen Lokale, zum Beispiel bei Mick Duff. Er und sein Bruder betreiben eine „Micro-Brewery“ mitten in der Stadt. Die jugendlichen Besitzer stecken voll neuer Ideen. So ist es nicht verwunderlich, dass man ohne Vorbestellung schwerlich einen freien Platz findet. Sehr erfolgreich ist auch der Betreiber des „Trinity at City Beach“ eines der besten Restaurants Sandpoints mit einer großartigen Lage direkt am See.
Vom Stadtpark erklingt Gitarrenmusik. Einmal in der Woche ist Markt. Farmfrische Lebensmittel und Selbst-Gestricktes werden feilgeboten, dazu musikalische Unterhaltung.  Irgendwie fühlt man sich hier gleich zuhause.

Durch Wälder und über Hügel führt die Straße etwas südlich von Sandpoint zu einem lokalen Flughafen, an den ein bemerkenswertes Museum angegliedert ist: das Bird Aviation Museum. Der Name verweist auf den Wissenschaftler und Erfinder Dr. Forrest Bird, bekannt durch seine Erfindungen in der Luftfahrttechnik, die zur Entwicklung von Beatmungsgeräten für den allgemeinen medizinischen Gebrauch führten. Sie senkten vor allem die Säuglingssterblichkeit unter Frühgeborenen drastisch. Es gibt zahlreiche Flugzeuge der letzten 50 Jahre zu sehen, wie auch medizinisches Gerät. Dr. Bird ist einer der wenigen Wissenschaftler, die von fast allen Präsidenten der letzten Jahrzehnte nationale Auszeichnungen erhielten.

Bereits beim Blick auf die Landkarte fällt der Staat Idaho durch seine markante Form auf. Der lang gestreckte Panhandle, vergleichbar dem Griff einer Pfanne grenzt im Norden an Kanada. Im eigenen Land stößt er im Westen an Washington und Oregon,  östlich an Wyoming und der südliche Rand an Nevada und Utah. Ungefähr 1.5 Mio. Einwohner verteilen sich auf 216.632 Quadratkilometer Land.  Während über Gebiete wie Sun Valley oder Craters of the Moon hin und wieder in den Medien berichtet wird, ist der Norden noch weitgehend unbekannt, deswegen nicht weniger interessant und landschaftlich sehr schön.  Unterwegs in den Vereinigten Staaten macht man immer mehr die Erfahrung, dass gerade kleinere Städte nicht nur kulturell ein äußerst vielseitiges Angebot haben, sondern auch einen ganz besonderen Charme entwickeln: weg von den gigantischen Zentren hin zu einem sehr persönlichen Miteinander von Gast und Einwohner.

Coeur d ´Alene ist mit ca. 44.000 Bewohnern die größte Stadt im Idaho Panhandle und liegt am gleichnamigen See. Die herausragenden Türme des Coeur d ´Alene Resorts bestimmen das Stadtbild. Gleich daneben sonnt sich Groß und Klein am öffentlichen Strand. Auch die Anlegestelle für Schiffsrundfahrten befindet sich in der Nähe. Im hoteleigenen Yachthafen wartet ein Motorboot auf uns. Es befördert Golfer zum nur wenige Minuten entfernten Rasen.

Schlafzimmer im Hundebauch

Über Nebenstraßen geht es weiter Richtung Süden. Im späten Sommer stehen die Getreidefelder, welche jetzt kilometerlang die Straße begleiten, kurz vor der Ernte. Teilweise hat sie schon begonnen. Plötzlich erhebt sich aus der Ebene bei Cottonwood eine beinahe haushohe Hundegestalt. Bei genauerer Betrachtung erkennt man deutlich einen Beagle und das Zeichen für Bed and Breakfast. Tatsächlich führt eine Treppe in den Hundebauch. Aus dem Andenkenladen dröhnt lautes Sägen. Dennis und Frances sind beide Motorsägen-Künstler. Das Ferienappartement im Beagle machte sie über die Grenzen Idahos bekannt. Viele Pläne warten noch auf die Verwirklichung.

Unterwegs auf Seitenstraßen

Rauch hängt in der Luft. Der Sommer war viel zu trocken. Immer wieder flammen Waldbrände auf. Wir sitzen entspannt in einem Kodiakboot, unterwegs auf dem Clearwater River in der Nähe von Syringa. Während Tim uns gekonnt zwischen Felsbrocken und Niedrigwasser hindurchmanövriert, genießen wir die wilde Landschaft und vor allem die Ruhe. Nein um diese Zeit gibt es keine Bone-Crusher oder Widowmaker,  Stromschnellen die den Namen Knochenbrecher oder Witwenmacher tragen. Der Fluss fließt gemäßigt den Felsen entlang. „Ihr hättet mal im Frühjahr da sein müssen. Das hat richtig Spaß gemacht!“ Tim ´s Augen strahlen bei der Erinnerung an die wilden Fahrten, wenn der Fluss nach der Schneeschmelze viel Wasser führt. Tim ist für den Sommer Guide auf der River Dance Lodge. Untergebracht in gemütlichen Blockhäusern ist sie der ideale Ausgangspunkt die Gegend um den Clearwater oder den Lochsa samt Hinterland zu erkunden.

Beinahe hätten wir das bescheidene Schild des Reflections Inn übersehen. Umgeben von einem großen Garten liegt diese Unterkunftsmöglichkeit unweit von Kooskia. Ruth, die Besitzerin zeigt uns stolz die Zimmer. Jedes ist individuell möbliert mit antiken Möbeln. Dazu mit liebevoll ausgewählten Bildern und Kunstwerken dekoriert, jedes in einem besonderen Stil.  Zum Abschied drückt uns Ruth ein Buch über die interessante Geschichte dieses Teils Idahos in die Hand.
Schilder entlang der Straße erzählen vom Leben der Nez Perce Indianer, die hier siedelten, bis sie von nachrückenden Siedlern vertrieben wurden. Vor allem als man Gold auf dem Indianerland fand, gab es kein Zurück mehr für die gierige Menge weißer Schatzgräber. Jahre später wurden die Indianer mit einem Bruchteil des Wertes des gefundenen Goldes entschädigt. Auf dem Weg nach Lewiston liegt der historische Nationalpark Nez Perce.  Vergangenheit aber auch Gegenwart des Indianervolkes sind Hauptthemen, über die man im Besucherzentrum informiert wird.

Mehr Studenten als Einwohner? Das munkelt man in Moscow.  Bei einem Spaziergang durch die an der Grenze zu Washington liegende Stadt im Norden Idahos könnte man es fast glauben. Junge Leute wohin man schaut. Bei der demographischen Entwicklung, die auch nicht vor Idaho halt macht, etwas Besonderes. Gleich mehrere Universitäten haben hier ihren Sitz u. a. die University of Idaho.
„Diese kleinen Monster habe ich aus Stoffen von alten Jacken zusammengenäht“, erklärt Susan. Kuschelig und gar nicht erschreckend sehen die phantasievollen Stofftiere aus. Susan arbeitet in einem Buchladen, der sehr viele Bücher über alternative Themen führt. Ob in der Gastronomie oder beim Kunsthandwerk überall trifft man auf individuelle Sonderbewegungen.
Es ist schon spät am Nachmittag. Doch zu einem Besuch im Round-Lake Statepark reicht es noch. Am Picknickplatz wird gegrillt. Im Wald sucht man nach Pilzen und vorne auf dem Steg hält man geduldig die Angelrute ins Wasser. Auf dem See ist ein Kanu unterwegs. Gesprächsfetzen trägt der Wind übers Wasser. In diese Abendidylle hinein machen wir uns auf den Weg.

Informationen

Bequem erfolgt die Anreise mit der Lufthansa z. B. nach Vancouver oder Calgary/Kanada; www.lufthansa.de. Von dort aus auf dem Landweg in die USA per Mietwagen. Das Visum wird problemlos bei der Einreise erteilt. Flüge von Deutschland nach Idaho erfordern mehrmaliges Umsteigen. Flüge und Mietfahrzeuge in die Region gibt es z.B. bei CRD International; www.crd.de

Unterkünfte bzw. Reisestationen

In der Nähe von Sandpoint für Ranchferien  www.westernpleasureranch.com; für die Fahrten auf dem Lake Pondereille bei Sandpoint: www.lakependoreillecruises.com; Restaurant am Seeufer: www.trinityatcitybeach.com; am Südufer etwas außerhalb malerisch am Ufer gelegen: www.lodgeatsandpoint.com; die Kleinstadt Sandpoint unter www.visitsandpoint.info; www.birdaviationmuseum.com, am Ufer des Coeur d ´Alene Lake das gleichnamige Resort: www.cdaresort.com; als Ausgangspunkt für Rafttouren die River Dance Lodge: www.riverdancelodge.com; in der Universitätsstadt Moscow Best Western Plus University Inn; www.uinmoscow.com

Allgemeine Auskünfte

In Deutschland wird Idaho von Rocky Mountain International vertreten; Kontakt per E-Mail unter info@rmi-realamerica.de, bzw. Telefon: 069-25538230. Die Website von Tourism Idaho ist www.visitidaho.org.

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