Im ersten Akt
schwebt Tannhäuser, ein Minnesänger, des Lebens in der starren höfischen Welt der Wartburg überdrüssig, in Ritterrüstung von oben herab auf die Bühne. Von unten kommen, mit etlichen Hebebühnen, erscheinen viele Botticelli-Venusse in Nacktkostümen und langen blonden Perücken aus der Lusthölle Venusberg.“Ein Ritter schwebt in die Welt der Sinnlichkeit, die aus dem Unterbewußtsein aufsteigt.“ erklärt im Interview Intendantin Kirsten Harms die Szene. Die Deutsche Oper hat nach monatelangem Umbau ihre Bühnentechnik auf den neuesten Stand gebracht und Bernd Damovsky, für Bühnenbild und Kostüme zuständig, beherrscht perfekt das Spiel mit der neuen Technik, die die drei Ebenen Himmel, Erde und Hölle bestens visualisiert. Kulissen können komplett entfallen. Hierdurch wird der Aufmerksamkeit für Gesang und die Inszenierung verstärkt und fehlende Kulissen fallen überhaupt nicht mehr auf.
Tannhäuser war ein Minnesänger im Mittelalter. Intendantin Kirsten Harms hat diese Oper als Mittelalterspektakel inszeniert, ohne zu viel Pomp und Schnörkel. Die Musik ist so gewaltig, dass eigentlich weniger mehr ist in puncto Bühnengestaltung: eine perfekte Inszenierung!
Tannhäuser wird nach einiger Zeit auch des Lebens im sinnlichen Überfluss bei der Göttin/Teufelin Venus überdrüssig und will zurück auf die Erde. Venus entlässt ihn erst, nachdem Tannhäuser die Heilige Jungfrau Maria angerufen hat und der Höllenspuk verschwindet. Ritter mit (Metall)Pferden erscheinen auf der Bühne – ein erhebender Ritterchor ertönt: die Rittergemeinschaft auf der Wartburg, die ihn schon vermisste – nimmt ihn wieder in ihre Runde auf. Er will zurück zu Elisabeth, deren Herz er schon eroberte, bevor er in die Venushölle entschwand.
Im zweiten Akt
schwebt eine ganze Brigade Ritterüstungen wie von höheren Sphären herab, Sphären, die die Wartburg ja auch symbolisieren soll (Wartburg, ein kultivierter Ort, so Harms). Ante Jerkunica, Bass, singt den Oheim der Elisabeth, deren Spielfigur, wie sich im weiteren herausstellt, auch eine Vermischung von Sujets darstellt, so auch der Heiligen Elisabeth von Thüringen. Der Oheim fordert die Ritter-Minnesänger zu einem Sänger-Wettstreit auf: „Könnt Ihr der Liebe Wesen mir ergründen?“ Der Sieger darf sich wünschen, was er will. Der herausragende Chor der Deutschen Oper, exzellent dirigiert von William Spaulding, wird mit der Hebebühne aus der Erde kommend auf ein erhöhtes Niveau gehoben. Sie singen in historischen Kostümen auf der erhöhten hinteren Rampe, während im Vordergrund die Ritter sich den Wettstreit bieten. Die changierend Illumination von goldrotgelb und blau lässt die Ritterrüstungen und alle auf der Bühne in wechselvollem Stimmungslicht leuchten. Wolfram von Eschenbach, erhebend gesungen von Christoph Pohl, besingt die reine geistige Liebe, die hehre Minne und grüßt den Abendstern, eben die Venus. Er liebt Elisabeth ebenfalls und hofft, seinen Rivalen Tannhäuser herauszufordern, der sich prompt provozieren lässt. Tannhäuser, herausragend gut interpretiert von Stefan Vinke, greift das Thema Abendstern auf und singt verbotenerweise von seinen lustvollen Erfahrungen im Venusberg, ein absoluter Tabubruch in der Wartburg. Elisabeth bricht zusammen. Deswegen soll er eigentlich gehängt werden und nur, weil Elisabeth, „engelsgleich“, für sein Leben fleht, wird seine Strafe in eine Buss-Pilgerreise nach Rom umgewandelt, wo er beim Papst um Vergebung suchen soll.
Der dritte Akt
zeigt ein Hospiz mit Krankenhausbetten, in Anlehnung an die Heilige Elisabeth von Thürigen die sich auch für die Armen und Kranken einsetzte. Sie gründete nach dem Tod ihres Mannes das erste Hospiz in Marburg, die erste Sozialeinrichtung des Abendslandes.
In den Betten liegt der Chor (als Moribunde), der liegend singt. Elisabeth, ergreifend gesungen von Riccarda Merbeth (die auch die Venus singt), wartet auf den Rom-Heimkehrer Tannhäuser, jedoch ist dieser nicht unter den zurückkehrenden Pilgern zu finden. Herzzerreissende Gesänge von Elisabeth und Wolfram, der ihr seine Gegenwart als Trost anbietet bestreiten die Zeit und Elisabeth bricht, erschöpft vom langen Warten und Bangen, zusammen. Wolfram, der Meinung, sie sei tot, singt das bezaubernde, berühmte Abendstern-Lied als Tannhäuser doch noch auftaucht. Tannhäuser ist am Boden zerstört, der Papst hat ihm die Absolution verweigert. Auf seinen Hirtenstab zeigend, sagt er: „Wie dieser Stab in meiner Hand nie mehr sich schmückt mit frischem Grün, kann aus der Hölle heißem Brand Erlösung nimmer dir erblühn.“ Tannhäuser will demoralisiert zurück in die Venushölle, wovon ihn jedoch Wolfram, obwohl Rivale, abhält als der gute Freund der er einstmals war „als Tannhäuser noch fromm war“. Er verbirgt ihm, dass Elisabeth tot ist, die jedoch sterbend dort liegt, während Tannhäuser erneut singt, dass er zur Venus zurückkehren wird.
Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust: Elisabeth ist Venus und Venus ist Elisabeth
Hier passiert das Bühnenparadox, dass Elisabeth sich erhebt und auf einmal die Venus singt: zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust – ein Motto, dass die ganze Oper durchzieht. Verlogene Sexualmoral zuungunsten der Frauen und, wie Kirsten Harms im Interview sagt: „Die Frau wird zur Ikone, die gleich der Gottesmutter unberührbar und asexuell über allem Irdischen thront.“ Dieser Glorifizierung des Weiblichen sei die Inquisition gefolgt. Irgendwie drängt sich der schreckliche Vergleich zum Heute auf mit der Verhüllung der Frauen im Islam. Den ersten lebendig Verbrannten gibt es ja schon – welch` ein Grausen!
Elisabeth ist also Venus und umgekehrt: „Das ist der große Moment der Erlösung, den Wagners Oper verheißt“, so Harms.
Die Aufführung erhielt, unter der hervorragenden musikalischen Leitung Donald Runnicles bei vollem Haus standing Ovations.
Weitere Aufführung: 15.02.2015, vier Stunden mit zwei halbstündigen Pausen.