Bis zur Hüfte eintauchen in das eiskalte Wasser der Donau? Ein verweichlichter Warmduscher war Sebastian Kneipp jedenfalls nicht. Für ihn, der bereits in seiner Jugend an einem bedrohlichen Lungenleiden erkrankt war, bedeutete diese Art der Selbstüberwindung zum Glück auch seine Lebensrettung. Und bestätigte sich damit nicht auch die von ihm gehegte Vermutung, dass der durch kaltes Wasser angeregte Körperkreislauf zugleich auch die menschlichen Selbstheilungskräfte aktiviert? In der Tat eine bahnbrechende Erkenntnis angesichts der häufig noch im Trüben fischenden medizinischen Kunst seiner Zeit.
So kamen die Ärzte in der Umgebung von Wörishofen aus dem Staunen nicht heraus. Lief ihnen doch schon bald die Kundschaft weg, um sich ausgerechnet von einem Pfarrer durch kalte Körpergüsse aus einer gewöhnlichen Gießkanne kurieren zu lassen. Einen „Kurpfuscher“ wollten sie in ihm sehen und gaben erst Ruhe, als sich sogar der Papst in Rom von ihm nach dieser neuen Methode behandeln ließ. Mit Kneipps spektakulärem Erfolg war für Wörishofen zugleich auch der Grundstein gelegt von einem Bauerndorf hin zu dem schmucken Kurort „Bad Wörishofen“ am Rande der Allgäuer Alpen.
Heublumenauflage und Blitzguss
Seit mehr als hundert Jahren zeigen sich die Bürger „seiner“ Stadt nun schon erkenntlich und pflegen sein Erbe. Überall zeugen Kneipp-Plaketten an den Häusern von seinen Wirkungsorten. Oder erwecken Stadtbrunnen den Eindruck, als schwebe der Geist Kneipps noch heute über den Wassern. Selbstverständlich hält auch ein gut sortiertes Kneipp-Museum mit Fotos und Alltagsgegenständen die Erinnerung an das bewegte Leben des größten Sohnes Bad Wörishofens wach. Und wer könnte sein überlebensgroßes Denkmal übersehen, das im Stadtzentrum von einem hohen Sockel herab Respekt einflößt?
Wichtiger jedoch als die eher dekorativen Elemente im Stadtbild sind die Kneipp-Anlagen, die im Verborgenen der Hotels und Pensionen auf ihren Einsatz warten. Zum Beispiel im Hotel Sonnengarten oberhalb der Altstadt. Hier lädt Kneipp-Spezialistin Anke nach einer entspannenden Heublumenauflage im Rückenbereich ein zu einem der legendären Kneipp-Güsse. Das Angebot ist reichhaltig und reicht, je nach Bedarf, vom Knie-, Schenkel- oder Armguss über den Brust-, Gesichts- oder Vollguss bis hin zum Blitzguss, der massageähnlich und stoffwechselfördernd Haut und innere Organe anregt.
Wassertreten und Barfußschnecke
Die wohl bekannteste und am leichtesten zugängliche aller Kneipp-Anwendungen jedoch ist das Wassertreten. Mit warmen Beinen wadentief in das kalte Wasser einzusteigen und sich wie ein Storch stelzenartig darin fortzubewegen, erfrischt ungemein. Und lässt sich zudem hervorragend kombinieren mit einer Fußmassagen-Warmlaufphase, die auf einer kreisförmigen Barfußschnecke oder entlang dem ausgedehnten Barfußweg über Sand und Steine hinweg in der Tat durch dick und dünn führt. Eine harte Herausforderung für jede von weichen Schuheinlagen verwöhnte Fußsohle.
Doch die Anstrengung ist bei einem entspannenden Spaziergang durch den nahen Kurpark schnell wieder vergessen. Dort wo ein Duft- und Aromagarten die Sinne verwirrt und 6000 Rosenstöcke in 550 verschiedenen Sorten sich bereits mit frischen Knospen auf ihre sommerliche Blütezeit vorbereiten. Stadtführerin Karin ist ganz in ihrem Element, als sie die von Kneipp entschlüsselten Geheimnisse des Heilkräutergartens erklärt. Einer Anlage, deren Einzelpflanzen vom Johanniskraut über die Schafgarbe bis hin zum Bockshornklee bereits zu seinen Zeiten mit ihrer heilenden Wirkung ein breites medizinisches Spektrum abdeckten.
Blütenexplosion im Frühling
Nun jedoch ist Eile geboten, denn soeben schallen aus dem Stadtzentrum Musikklänge herüber. Dazu gedacht, einer heimischen Festlichkeit den würdigen Rahmen zu verleihen? Es ist, so Werner Büchele als Initiator dieser Aktion, die alljährlich stattfindende feierliche Eröffnung des Osterbrunnenfestes. Eine Frühlings-Initialzündung, bei der zu Beginn der Saison die zahlreichen Brunnen der Stadt für eine Zeitlang festlich herausgeputzt der Öffentlichkeit präsentiert werden. Andächtige Stille stellt sich ein, als die in zünftiges Weißblau gekleidete Stadtkapelle sich zur Begrüßung kräftig ins Zeug legt.
Bis sie schließlich mit großem Gefolge zum nächsten Brunnen-Schmuckstück weiterzieht. Vorbei an Blumenbeeten und Rabatten, aus denen der Frühling mit unzähligen Narzissen, Tulpen und Hyazinthen prächtig hervor quillt. Eine Blütenexplosion, mit der Bad Wörishofen alle vergleichbaren Städte des Landes übertrifft, wie Kurdirektor Horst Graf nicht ohne Stolz erklärt. Ein Geschenk an alle alten und jungen Gäste, die der Kurstadt schon immer die Treue hielten oder aber die neuen Attraktionen zu schätzen wissen.
Schneebedeckte Allgäuer Alpen
Zum Beispiel auf sportlicher Ebene das respektable Wegenetz, das besonders die Wanderer anspricht. Allen voran der Kneipp-Waldweg, der an mehreren Stationen wie dem soeben eingerichteten „Ort des Träumens“ zur Rast einlädt. Zudem wird er auch als „Allee der Jahresbäume“ seit mehr als einem Vierteljahrhundert gesäumt von den jeweiligen Bäumen des Jahres, die hier – wie diesmal die Traubeneiche – alljährlich unter starker Beteiligung der Öffentlichkeit eingepflanzt werden. Eine „symbolische Handlung für Nachhaltigkeit“, wie der Landtagsabgeordnete Josef Miller während der Pflanzaktion betont.
Aber auch die Überland-Radfahrwege können sich sehen lassen, für die sogar Kraft sparende Elektroräder zur Verfügung stehen. In der Begleitung der Wegescouts Volker und Franz führt die Strecke zunächst in Richtung Süden nach Hartenthal, dabei stets die Schnee bedeckten Allgäuer Alpen vor Augen. Nach erholsamem Zwischenstopp verläuft die Radstrecke mitten durch gelb leuchtende Löwenzahnweiden, wo auf dem Rückweg nach Bad Wörishofen die schmucke Barockkirche von Gammenried die Blicke auf sich zieht.
Einsaugen heimischer Kräuterdüfte
Doch nicht nur die bayerische Voralpenlandschaft gibt es hier zu entdecken. Denn nur wenige Minuten von der Stadt entfernt tut sich überraschend eine Südsee-Kulisse auf, wie man sie hier nicht erwartet hätte. Es ist die Südsee-Therme Bad Wörishofen, die mit ihren tropisch anmutenden Palmenarealen und einem geöffneten Glas-Schiebedach den tropischen Sommer zu ihrem Dauergast macht. Besonders in den großen Beckenanlagen, die zur Bewegung einladen. Und natürlich den kleinen Pools, in denen sich bei zusätzlich mit Mineralien angereichertem Thermalwasser die Zeit entspannt verträumen lässt.
Ebenso wie in den phantasievoll gestalteten Saunaräumen mit ihren unterschiedlichen Attraktionen. Unglaublich entspannend die Meditations-Sauna, in der während des Aroma-Aufgusses an der Vorderseite bunte Koi-Fische in einem riesigen Becken ihre Kreise ziehen. Oder in der Kräuter-Sauna nach Sebastian Kneipp, wo sich beim Einsaugen heimischer Kräuterdüfte gegen Ende des Aufenthalts der Kreis der Begegnungen mit der Leitfigur Bad Wörishofens allmählich schließt. Ein göttliches Vergnügen, das Pfarrer Kneipp seinen Gästen hier bereitet!
Reiseinformationen „Bad Wörishofen“:
Anreise: Mit dem Auto: A7 über Würzburg, Ulm, Memmingen oder A9 über Hof, Nürnberg, München, weiter jeweils A96 nach Bad Wörishofen; mit der Bahn über Augsburg oder München; mit dem Bus: www.komm-mit-reisen.net
Reisezeit: Ganzjährig, besonders attraktiv im Sommerhalbjahr.
Unterkunft: Hotel Sonnengarten, www.hotelsonnengarten.de; Kneipp- & Gesundheitsresorts Kneippianum und Sebastianeum, www.kneippianum.de und www.sebastianeum.de; KurOase im Kloster, www.kuroase-im-kloster.de; Kneippkur- und WellVitalhotel Edelweiss, www.hotel-edelweiss.de; Kurhotel Marienbad, www.marienbad.de
Essen und Trinken: Gasthof Rössle, Hauptstraße 14, Telefon: 08247-5397; Neubrand`s Stüble, Bahnhofsplatz 4a, Telefon: 08247-7451
Fahrradverleih: Thomas Osswald, Rosenstraße 1, Telefon: 08247-6838, www.Fahrrad-osswald.de
Therme: Thermenallee 1, Telefon: 08247-399399, www.therme-badwoerishofen.de
Auskunft: Kurverwaltung Bad Wörishofen, Hauptstraße 16, Kurhaus, Telefon: 08247-993355, www.bad-woerishofen.de