Es war der Krebs, ein ganz gemeiner dazu, der Peter Roehr zur Strecke brachte und schaut man sich heute sein auf ganz bestimmte Verfahren konzentriertes Werk an, dann würde einen sofort interessieren, wie es künstlerisch mit ihm weitergegangen wäre. Aber erst einmal zur Sammlungsgeschichte in Frankfurt. Als Gemeinschaftsprojekt präsentieren das MMK, Flaggschiff der Moderne auch als Museumsbau durch Hans Hollein, und das ehrwürdige Städel, das ist das Städelsche Kunstinstitut, das als Stiftung durch einen Herrn Städel Anfang des 19. Jahrhunderts gegründet wurde, nun gemeinsam diese Ausstellung, die ausdrücklich die Frankfurter Sammlungen zum Inhalt hat, von denen rund 100 Werke in beiden Museen zu sehen sind. Das liegt auch daran, daß diese beiden Frankfurter Museen umfangreich Werke von Peter Roehr besitzen, weil – und das wissen viele nicht – der Sammlungsauftrag für das Städel von altersher die Weiterführung der Sammlung als Aufgabe hat, ganz abgesehen davon, daß in Roehrs Todesjahr 1968 das MMK noch lange nicht bestand.
Aus sechs Jahren künstlerischer Betätigung schöpfen nun beide Sammlungen und bringen eine jeweils eigene Gewichtung vor, die aber durch Roehrs künstlerische Methode, das Serielle, den gemeinsamen Rahmen finden. Wenn man sich die einzelnen Werke anschaut, hat man das irrlichternde Gefühl, in eine andere Zeit abgetaucht zu sein, so neu, so weiß, so seriell eben kommen diese an den Wänden hängenden Tafeln daher, so als ob Peter Roehr soeben diese Art der Verfertigung der Welt durch verschiedene Gegenstände, die er in ein Raster zwingt, durchführe. Kein Wunder, daß man sofort an Andy Warhol denkt – nicht nur, weil er auch nicht so lange lebte, sondern weil er der weltberühmte Großmeister des Seriellen wurde. Diese Assoziation ist erlaubt, aber sie sagt nichts darüber aus, wer was zuerst entdeckt und angewandt hat, sondern viel über das, was man die Ästhetik der Zeit nennen könnte, wie jede Epoche – und die Sechziger Jahre sind ein, gesellschaftlich und politisch ganz besonderes Jahrzehnt – sich eine eigene Sprache und auch eigene Kunstsprache wählt.
Und blickt man von heute her zurück, dann kann man dies sowohl als die der Gesellschaft adäquate Sprache bezeichnen, wie sie auch als konträr charakterisieren. Denn den heißen politischen Inhalten und dem Partygehabe und flottem erotischen Leben der Sechziger steht eine kühle, nüchterne und äußerst kalkulierte Kunst gegenüber, die reduziert und das Individuelle leugnend, also auch die Monotonie als Prinzip, im Kunstausdruck das Gegenteil der buntgelebten Welt darstellt – oder eben, sie genau durch diese Kennzeichnung als eine gefertigte beste aller Welten ganz schön alt aussehen läßt, mitsamt den späteren ideologischen Befrachtungen des Aufbruchs und Einbruchs der Achtundsechziger.
Zu den rund hundert Ausstellungsstücken tragen auch die aus Frankfurter Privatsammlungen bei, denn Peter Roehr wurde schnell als förderungswürdig anerkannt, gekauft und zum Vorbild für andere erklärt. Er hat – Zug der Zeit – Alltagsmaterialien verwendet, und daraus meist quadratische Collagen oder Assemblagen konstruiert. Oder er hat sie fotografiert und in derselben Art präsentiert. Oder er arbeitet das aus Ton, in graphischen Verfahren oder sogar Filmmontagen. Fangen wir mit den Gegenständen im MMK an. Das kann man sich so vorstellen, daß er leere Streichholzschachteln nebeneinanderklebt, ohne Hülle natürlich, also weiß und sinnlos. Oder er nimmt diese runden weißen Wäscheknöpfe von alten Plumeaus und klebt sie – 36 Stück an der Zahl – im Quadrat zu je sechs Knöpfen in eine Ordnung zwar, aber bar jeglichen Sinns, denn Wäscheknöpfe haben die Funktion des Zuknöpfens. Was also bewegt Peter Roehr zu so sinnlosem Tun?
Es ist endlich das fast industriell Gefertigkeitsein unseres angeblich so spontanen Lebens, das in endlosen Wiederholungen fast keimfrei von den Wänden die Besucher entgegenspringt. Nicht umsonst sind bevorzugte Bildvorlagen aus der Werbung und der industriellen Produktion. Natürlich ist das eine Kopfkunst, kein ästhetisches sinnliches Wühlen, was Peter Roehr dem Betrachter bietet. Aber es ist auch absolut zeitbezogen, das wird einem ebenfalls beim Anschauen der zehn schwarzen Tafeln im Städel klar. Was damals eine Provokation war, weil diese zehn Tafeln den Bildbegriff aufhoben, was sie am Anfang des Jahrhunderts mit der Abstraktion das erste Mal taten, und nun die Bildoberfläche gleich im Nirwana des Schwarz verschwinden lassen. Die Malerei ist tot, hat man sehr viel später dann formuliert und im Gegenzug aufgetrumpft: „Es lebe die Malerei!“ So wirft einen diese Ausstellung von einem Extrem ins andere, auch in einem selber, weil selten der Zeitbezug und gleichzeitig die Aufhebung von Zeit und Raum so evident werden, wie im Werk dieses Frühvollendeten, der seiner Zeit einen Stempel aufdrückte, der erst heute richtig sichtbar wird. Und mit dem Stempel die Zeit.
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Ausstellung: bis 7. März 2010
Katalog: Peter Roehr., Michael Imhof Verlag 2009
Da ist dem Imhof Verlag wieder einmal ein hervorragendes Druckwerk gelungen, denn die Collagen und Assemblagen sind hervorragend fotografiert und die Werke, die Weiß in Weiß und mit Erhöhungen und Ausbuchtungen an der Wand hängen, sind hier in ihrer Flächigkeit und Erhabenheit sehr gut wiedergegeben. Da die meisten Werke das Stereotyp „ohne Titel“ tragen, so als ob sich eine Bezeichnung fast verböte und nur die Gegenstände auf ihnen sprechen, ist es sehr sinnvoll die Ausführungen der Kunsthistoriker zu lesen und über Hintergründe und Absichten mehr zu erfahren.
Internet: www.staedelmuseum.de, www.mmk-frankfurt.de