Die Mundschutz tragenden Bewohner einer asiatischen Metropole, Industriesmog, Schadstoffe ausstoßende Kohlekraftwerke – solche Bilder sind Ausnahmen in „Die 4. Revolution“. Carl A. Faechners Werk steht einem ökologisch ambitionierten Werbespot oder einer filmischen Utopie näher als dem Dokumentarfilm. Parallel zu der eklatanten Umweltbedrohung und der globalen Energiekrise gewinnt das Subgenre der Öko-Reportage zunehmend an Beachtung. Statt auf die Dokumentation der weltweiten Umweltbedrohung, setzt Faechner auf die suggestive Kraft einer positiven Vision. Die mit Solarenergie versorgte afrikanische Klinik ist nur eines der Beispiele, welches sein Kinofilm aufzählt, um den universalen Nutzen erneuerbarer Energie darzulegen. Die in dem afrikanischen Dorf angewandte Technologie ist hingegen in einer der amerikanischen Metropolen mit dem höchsten Energieverbrauch eine Seltenheit. Anders als das Dorf, gleicht Los Angeles nachts einem Lichtmeer – noch. Der deutsche Politiker Hermann Scheer betrachtet die Glasfassaden der Wolkenkratzer mit Sorge: „Statt Glas Photovoltaik und damit Stromerzeugung.“, argumentiert Scheer: „Genauso wenig, wie man es erlaubt, dass der Müll auf die Straße geschmissen wird, darf man heute erlauben, dass man Energieemissionen hinterlässt.“ Was in Los Angeles vorerst eine Utopie bleibt, ist auf einer Halbinsel Dänemarks bereits Realität. Rund 50.000 Menschen decken hier dank einer Initiative des „Nordic Folke Centers“ ihren Strombedarf mit erneuerbarer Energie.
Sieht man die zahlreichen Prominenten wie die Menschenrechtsaktivistin Bianca Jagger, den Friedensnobelpreisträger Muhamad Yunus, Gründer der durch die Vergabe von Mikrokrediten bekannte Grameen Bank, und den chinesischen Unternehmer Zhengrong Shi, globaler Marktführer in der Produktion von Solarzellen, scheint der Traum der „Freien Energie für alle“, wie sie das Filmplakat fordert, zum Greifen nah. Traum oder Wunschtraum? So lobenswert Faechers dokumentarischer Ansatz ist, lässt „Die 4. Revolution“ dennoch einige problematische Aspekte der Energieumstellung unbeleuchtet. Erklärtes Ziel der Umweltaktivisten ist eine Umstrukturierung der Energieversorgung: von der dezentralisierten Versorgung mit Erdöl, Kohle- und Atomkraftwerken zur Umstellung auf Wind-, Solar- und Wasserenergie. Durch die kostenlose Stromversorgung würde sich der finanzielle Aufwand für die Installation schnell rentieren. Bevor der Kostenaufwand ausgeglichen werden kann, muss er dennoch erbracht werden. „Man muss nur wollen.“, sagt Preben Maegaard, Gründer des „Nordic Folke Centers“. Doch fehlen die Möglichkeiten, nützt auch ein guter Wille nichts. Eine der größten Hürden, welche auf dem Weg zu umweltfreundlicher Energie bewältigt werden muss, ist die finanzielle. An ihr scheitert der Verzicht auf endliche Ressourcen oft schon im kleinen Rahmen. Viele internationale Konzerne bieten einen Naturstrom als Alternative zu Billigstrom an. Gerade für Familien mit Kindern und Großhaushalte, welche den höchsten Energieverbrauch haben, sind die damit verbundenen Mehrkosten oft unerschwinglich. Der Widerstand liege nicht bei der Bevölkerung, merkt Scheer an, sondern den Eliten.
„Das Problem ist die Unterwerfung der Politik unter die Interessen der Energiewirtschaft.“, heißt es in „Die 4. Revolution“. Bevor sich die erneuerbare Energie durchsetzen kann, muss sie für den Privatverbraucher erschwinglich werden – billiger, nicht teurer als Strom aus begrenzten Ressourcen. Dann fährt dank der finanziellen Ersparnisse auch ein Normalverbraucher bald eines der vorgeführten Autos mit umweltverträglicher elektro-chemischer Batterie. Leonardo DiCaprio, Matt Damon und George Clooney haben schon eins.
Titel: die 4. Revolution – Energy Autonomy
Land/ Jahr: Deutschland 2010
Genre: Dokumentarfilm
Kinostart: 18. März 2010
Regie und Buch: Carl A. Faechner
Mit: Hermann Scheer, Bianca Jagger, Muhammad Yunus, Matthias Willenbacher, Maximilian Gege
Laufzeit: 82 Minuten
Verleih: Delphi Filmverleih
