Keine Durchsicht, keine Weitsicht, schlechte Aussicht und die gute Frage: Wird beim Daimler nur auf Sicht gefahren oder ist das schon Blindflug?

Ola Källenius 2018 während einer Daimler-Pressekonferenz auf dem Auto-Salon bei Genf. Quelle: Wikimedia, CC BY-SA 4.0, Foto: Matti Blume

Stuttgart, Deutschland (Weltexpress). Vermutlich von der Abteilung Agitation und Propaganda der Daimler AG, die so selbstverständlich offiziell nicht genannt wird, werden offensichtlich Leute dazu aufgefordert, „jetzt bei Daimler mit Ihrem Traumjob“ durchzustarten. Ist das nur dumm und dämlich oder selten zynisch? Öffentlichkeitsarbeit durch Lohnarbeiter ist keine einfache Sache, aber wenn die Abteilung Attacke schon derart ins Klo greift, was geht im Kopf des Stinkefisches vor?

Seit geraumer Zeit wird auch bei der Daimler AG über Personal- und Stellenabbau gesprochen. Rund 20.000 Lohnarbeiter könnten betroffen sein, hieß es im Juni. Im Juli waren es weltweit 30.000, worüber „NTV“ am 22.7.2020 unter der Überschrift „30.000 Jobs weltweit – Daimler-Stellenabbau drastischer als gedacht“ informierte. Gerüchten zufolge seien diese Zahlen noch viel zu niedrig. Tendenz? Steigend.

Weltweit dürften noch rund 300.000 Arbeiter beim Daimler in Lohn und Brot stehen. Tendenz: fallend.

Ganze Fabriken und Autohäuser stehen leer, waren oder sind geschlossen. Verluste in Milliardenhöhe werden gemeldet. Mal werden Airbags von Takata aus Japan als Grund genannt, mal Viren aus Wuhan, VR China. Schuld sind immer die anderen.

Unter der Überschrift „Autobauer – Daimler-Betriebsrat fürchtet Verlagerung von Jobs nach Osteuropa“ teilt Frank Hubik mit, dass die Daimler AG „laut Betriebsrat nur noch in Polen und Rumänien in Verbrenner investieren“ wolle. Droht in der BRD die Deindustrialisierung wie im VK, die wenigstens noch die City of London und also noch Herren von Banken haben? Auf diesem Gebiet sind die Deutschen in der BRD längst drittklassig – wohlwollend formuliert.

Unter der Überschrift „Daimler – Langfristig weniger Beschäftigte in Antriebswerken“ informiert auch „Reuters“ (25.9.2020) über den fortwährenden Abgang beim Daimler. Markus Schäfer, der als Entwicklungs- und Produktionschef gilt, wird wie folgt zitiert: „Am Ende wird die Veränderung mit geringerem Arbeitskräftebedarf einhergehen.“ Gesagte habe er das am Freitag und auch: „Wir haben keine Zahlen genannt.“

Weiter heißt es: „Betriebsräte der Werke Untertürkheim und Berlin hatten in dieser Woche Alarm geschlagen, weil nach den Umbauplänen des Unternehmens insgesamt rund 5000 Arbeitsplätze gestrichen werden sollten. Schäfer widersprach jedoch Aussagen, nach denen das Motorenwerk in Berlin-Marienfelde ganz geschlossen werden soll. ‚Aus heutiger Sicht ist es nicht der Plan, das Werk zu schließen‘, sagte er in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Er bestätigte allerdings, dass die Fertigung des 6-Zylinder-Dieselmotors dort im kommenden Jahr eingestellt wird.“

Mag sein, dass sich die Sicht morgen schon ändert, denn bei der Daimler AG wird offensichtlich nicht nur blind gefahren (Stichwort „Starten Sie jetzt bei Daimler mit Ihrem Traumjob durch“), sondern auch auf Sicht. Durchsicht und Weitsicht sieht anders aus, oder?

Nebenbei bemerkt verstehen Lohnarbeiter unter Blindflug eine Situation, bei dem der Pilot keine Sicht hat und sich auf seine Instrumente verlassen muss. Worauf verlassen sich eigentlich Ola Källenius und Konsorten?

Wer sich als Lohnarbeiter auf Geldkapitalisten statt auf Unternehmerkapitalisten verlassen muss, der wird verlassen. Anders formuliert: Längst beeinflussen raffende Kapitalisten in den Läden der schaffenden Kapitalisten das Verhalten der Leute an vorderster Front. So sind die Verhältnisse. Man mag sie auch Globalmilliardäre nennen, die kein Vaterland kennen. Sie „spielen“ immer und überall. Kennern und Kritikern scheint es, als gäbe es nur noch diejenigen, die andauernd Kredit geben und diejenigen, die andauernd Kredit nehmen.

Alle anderen werden zwischen den Mahlsteinen der Anpassung und Isolation zerrieben wie Max und Moritz. Streiche wie Streiks der Lohnarbeiter führen offenbar nicht zum Ziel.

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