Karatekampf im begehbaren Gehirn – Vorabveröffentlichung eines Interviews mit Martin Eder von Anne Hahn für die Grrrh…Nr.12

Martin Eder

Wie fing alles an?

Ich habe Bildhauerei studiert an der Kunstakademie in Dresden, davor noch Kommunikationsdesign. Bildhauerei habe ich angefangen, weil mich das am meisten interessiert hat und ich den Rest damals schon so halbwegs – dachte ich – begriffen hatte. Mein Thema ist im Prinzip immer dasselbe. Während des Studiums habe ich ein Feld bearbeitet, das ich später wieder aufgab, weil ich keine Lust mehr hatte auf diesen großen Material- und Logistikaufwand. Ich war einfach zu faul, das weiterzumachen.

Was liegt dir mehr?

Ich hasse einfach schmutzige Finger und ich mache jetzt gerade Dinge, die ich mit einer Hand in der Hosentasche machen kann. Das ist bei Bildhauerei schwierig.

Wie kann man fotografieren mit einer Hand in der Hosentasche?

Indem man die eine Hand zum Fotografieren draußen hat und damit die Kamera hält. Ich arbeite ausschließlich mit Kleinbildkameras und benutze auch nur Tageslicht.

Also ist der einzige Aufwand die Motivsuche?

Das Motiv muss man nicht suchen, man muss es finden. Der ausschlaggebende Punkt ist, an der richtigen Stelle drauf zu drücken. Wenn das Motiv vor dir steht, steht es ja meist länger da, aber die Schwierigkeit ist – und da sage ich nichts Neues – an der richtigen Stelle drauf zu drücken, um möglichst nahe an die „Wahrheit“ zu kommen. Ich bin ja einer von denen, die von Fotografie keine Ahnung haben und ich habe auch ein bisschen eine Baumarktmentalität. Deshalb fotografiere ich ausschließlich digital. Ich habe nicht die Geduld zu warten bis der Film dann zurückkommt. Auch mangels meines Unvermögens und weil damit immer einige Risiken auf dem Wege liegen, mache ich zwei, drei Fotos und suche mir das Schönste raus.

Das klingt alles sehr einfach…

Eigentlich geht es relativ schnell, dauert wenige Minuten, noch ein wenig extra. Aber im Prinzip ist es sehr schnell – ja.

Hier liegt dein vorletzter Katalog der Fotokatalog „Die Armen“. Wie kam es zu dem Titel?

Weil die abgebildeten Damen in diesem Falle – das ist natürlich ironisch gemeint – ganz und gar nicht arm sind. Das widerspricht sich und es ist ein schwieriger Titel, das gebe ich zu.

Ist der Titel eher eine Spielerei gewesen?

Es ist auf gar keinen Fall Spielerei. Ich habe lange nachgedacht über diesen Titel und er ist über ein aufwändiges Siebverfahren auf dieses Cover gekommen. Manchmal muss man ja den Titel als Additiv sehen zum Bild und nicht als Illustration oder Gebrauchsanleitung. So ein Titel kann ja in jeder Form, egal bei welchem Kunstobjekt, ein ganz wichtiger Zusatz zum Verständnis des Gesamten sein. Wenn jemand schreibt „ohne Titel“, dann geht man davon aus, dass derjenige will, dass es nur visuell läuft und man im Hinterkopf diesen schwachsinnigen Titel „ohne Titel“ hat, was ja wiederum auch ein Titel ist. Um dem zu entgehen, gebe ich lieber einen Hinweis, wie eine Art Verkehrsschild, in welche Richtung es gehen soll.

Zu jedem Bild?

Ja, außer bei den Fotos, da gibt es Titel zu den Serien. Bei der Malerei hat jedes Bild seinen Titel. Das ist viel aufwändiger und man verbringt viel mehr Zeit damit. Die Zeit ist ja an sich eigentlich kein Argument, dass ein Bild einen Titel bekommt. Bei der Malerei ist es glaube ich anders. Man startet bei null und „gebiert“ irgendwas – von Zero auf 100%. Man ist völlig im Schöpfungsprozess involviert, während man beim Fotografieren eigentlich nur Zaungast ist. Man stiehlt was – du stiehlst der „Zeit“ einen Moment. Und ich persönlich habe immer das Gefühl, dass mir ein gemaltes Bild aus irgendeinem altmodischen Grund wertvoller erscheint – nicht materiell gesehen – sondern wahrscheinlich deshalb, weil es wie ein „Zeitkonto“ ist, auf das man so viel Lebenszeit „einzahlt“. Ein schönes Foto kann natürlich auch wertvoll sein, aber auf einer anderen Ebene.

Ist Fotografie eher geklautes Leben und Malerei eher selbstkreiertes Leben?

So könnte man sagen – ja. Es gibt natürlich Grenzfälle, bei denen Menschen anfangen, ihre Fotos zu inszenieren und dann wahrscheinlich mehr Zeit an einem Foto basteln als ich an einem Bild. Das ist für mich aber Malerei, das sind Maler, die zu faul sind, ein Bild zu malen und lieber ein Foto machen. Die gibt es auch, die würde ich jetzt nicht unbedingt zum Feld der Fotografen zählen.

Hier liegt dein vorletzter Katalog – der Fotokatalog „Die Armen“. Wie kam es zu dem Titel?

Weil die abgebildeten Damen in diesem Falle – das ist natürlich ironisch gemeint – ganz und gar nicht arm sind. Das widerspricht sich und es ist ein schwieriger Titel, das gebe ich zu.

Ist der Titel eher eine Spielerei gewesen?

Es ist auf gar keinen Fall Spielerei. Ich habe lange nachgedacht über diesen Titel und er ist über ein aufwändiges Siebverfahren auf dieses Cover gekommen. Manchmal muss man ja den Titel als Additiv sehen zum Bild und nicht als Illustration oder Gebrauchsanleitung. So ein Titel kann ja in jeder Form, egal bei welchem Kunstobjekt, ein ganz wichtiger Zusatz zum Verständnis des Gesamten sein. Wenn jemand schreibt „ohne Titel“, dann geht man davon aus, dass derjenige will, dass es nur visuell läuft und man im Hinterkopf diesen schwachsinnigen Titel „ohne Titel“ hat, was ja wiederum auch ein Titel ist. Um dem zu entgehen, gebe ich lieber einen Hinweis, wie eine Art Verkehrsschild, in welche Richtung es gehen soll.

Zu jedem Bild?

Ja, außer bei den Fotos, da gibt es Titel zu den Serien. Bei der Malerei hat jedes Bild seinen Titel. Das ist viel aufwändiger und man verbringt viel mehr Zeit damit. Die Zeit ist ja an sich eigentlich kein Argument, dass ein Bild einen Titel bekommt. Bei der Malerei ist es glaube ich anders. Man startet bei null und „gebiert“ irgendwas – von Zero auf 100%. Man ist völlig im Schöpfungsprozess involviert, während man beim Fotografieren eigentlich nur Zaungast ist. Man stiehlt was – du stiehlst der „Zeit“ einen Moment. Und ich persönlich habe immer das Gefühl, dass mir ein gemaltes Bild aus irgendeinem altmodischen Grund wertvoller erscheint – nicht materiell gesehen sondern wahrscheinlich deshalb, weil es wie ein „Zeitkonto“ ist, auf das man so viel Lebenszeit „einzahlt“. Ein schönes Foto kann natürlich auch wertvoll sein, aber auf einer anderen Ebene.

Ist Fotografie eher geklautes Leben und Malerei eher selbstkreiertes Leben?

So könnte man sagen – ja. Es gibt natürlich Grenzfälle, bei denen Menschen anfangen, ihre Fotos zu inszenieren und dann wahrscheinlich mehr Zeit an einem Foto basteln als ich an einem Bild. Das ist für mich aber Malerei, das sind Maler, die zu faul sind, ein Bild zu malen und lieber ein Foto machen. Die gibt es auch, die würde ich jetzt nicht unbedingt zum Feld der Fotografen zählen. Letztendlich ist ja beides mit Licht gemacht. Man „arrangiert“ Pigmentbrei, der dann reflektierend wirkt – rein physikalisch gesehen. Beim Foto macht man ein bisschen mit Chemie auf dem Papier rum. Es ist ein ähnlicher Prozess, der Farben entstehen lässt wie bei der Bildherstellung. In der Bildfindung sind es dagegen zwei verschiedene Paar Schuhe.

Wie teilst du dir die Zeit ein? Einen Tag für Fotografie, zwei Monate für ein Bild?

Ein Bild nimmt meistens zwei Monate in Anspruch, das ist richtig gesagt. Und deshalb gibt es Tage, an denen ich gerne fotografiere, weil ich ja kein Roboter bin und auch keinen Bock habe, zwei Monate am Stück immer dasselbe zu machen. Deswegen bietet die Fotografie für mich sich auch als Skizzenbuch für neue Bilder an. So habe ich das mit der Fotografie begonnen, als ich sie nur als Skizzenbuch verwendet habe.

Welche Materialien verwendest du beim Malen?

Relativ traditionelle – Öl auf Leinwand. Man muss gut strategisch planen – in diversen Schichten. Wie in vielen Handwerksbetrieben, muss man ein gewisses Vokabular an Technik mitbringen, sonst geht es schief.

Man fängt bei null an: heißt das, da ist zum Beispiel ein Hündchen und damit wird was

arrangiert?

Nein, leider nicht. Ich wünschte, ich hätte einen Plan. Aber ich fange bei jeder Ausstellung von vorne an – leider. Ich suche noch immer nach einem einfachen Trick, aber der ist mir seit 20 Jahren verwehrt und ich glaube, der wird mir auch verwehrt bleiben. Deshalb muss ich leider immer wieder von vorn anfangen.

Gibt es auch radikale Änderungen innerhalb einer Arbeit?

Nein, es ist eher so wie beim Karatekampf. Man sitzt und denkt und konzentriert sich auf den Hieb und dann haut man los auf den Dachziegelhaufen und mit einem Schlag ist es dann so. Anstatt dass man sich zwei Stunden lang die Hand wundhämmert, haut man einmal richtig drauf. Beim Bildermalen ist es ähnlich. Ich hab mir antrainiert, dass man die meiste Zeit dazu verwendet, dem Bild additiv etwas hinzuzufügen und möglichst wenig Fehler macht. Denn wenn ich eine Stunde lang einen Fehler mache, brauche ich eine Stunde, um ihn rückgängig zu machen und habe zwei Stunden gearbeitet und es ist rein rechnerisch nichts passiert, außer dass ich schlechte Laune habe. Und schlechte Laune haben und Bilder malen, das geht selten.

Du bist wahrscheinlich ein Mensch, der meist gute Laune hat. Deine Bilder wirken zumindest eher fröhlich.

Fröhlich?

Es sind keine „Grausamkeiten“ en Detail zu entdecken, zumindest nicht auf den ersten Blick. Bei anderen Künstlern gibt es – wie hier in einer älteren Grrrh…-Ausgabe zum Beispiel – Strangulierte, zerplatzende Körper, Penetrationen”¦

Ich finde das eher fröhlich!

Was ist eher fröhlich?

Wenn jemand den Drang hat, das so über zu illustrieren. Das finde ich total interessant und erheiternd. Ich bin eher Minimalist. Fröhlichkeit hat in der Kunst nichts zu suchen. Da gibt es andere Plattformen dafür. Fröhlichkeit in Bildern: da denke ich an bananenförmige Körper von Matisse (lacht). Fröhliche Kunst ist für mich ein anales Vergnügen, irgendwelche Ecken zu verzieren. Fröhlich ist für mich – ich setzte jetzt mal „fröhlich“ mit „ganz schlimm“ gleich – der Drang, Leuten Informationen vorzuenthalten.

Wie machst du das hingegen?

Ich biete eine große Palette von einfach verständlichen Symbolen an, die wirklich fast jeder verstehen kann. Somit ist das, was ich versuche, doch relativ demokratisch.

Demokratisch? Das ist ja eine ungewöhnliche Chiffre für Kunst!

Hmm. Man muss sich entscheiden, ob man Kunst für sich selbst macht oder für andere oder für beides. Bei mir ist letzteres der Fall – ich mach‘ es für andere und für mich. Dann muss man aber auch überlegen, dass es, wenn man es auch für andere macht, ja nichts nützt, wenn es keiner versteht. Also wenn ich einen Supermarkt eröffne und Preisschilder an die Ware schreibe und es kauft dann keiner was, muss ich mich hinterher fragen, ob ich nicht etwas vergessen habe. Zum Beispiel, dass alle meine Kunden Analphabeten sein könnten. Dann muss ich mich nicht wundern, wenn das Unternehmen platzt! Deswegen muss man sich den Gegebenheiten anpassen.

Ist die Lesbarkeit deiner Kunst eine Gegebenheit, die du in Deutschland vorgefunden hast oder kann man sie verallgemeinern?

Es ist erschreckend, wie wenige Menschen meine Kunst „lesen “ wollen!

Was passiert, wenn jemand das nicht „lesen“ will? Wie bekommst du das mit?

Es ist so wie beim Zahnarzt. Wenn man einen faulen Zahn hat, tut es weh und man muss hin – man kommt nicht drum herum. Und ich glaube, da liegt eine Parallele zu meinen Bildwelten. Irgendwann gehen sie reumütig hin und gestehen, dass sie einen faulen Zahn haben, begeben sich in Obhut und sind dann auch erleichtert darüber.

Hast du solche Gespräche geführt in Bezug auf deine Kunst?

Ja.

Dass Menschen sich erst gesperrt haben und dann erleichtert waren?

Ja, extrem. Es war noch nie andersrum.

Also kommt keiner und sagt: ich bin dankbar, das hat mir so viel gegeben…?

Doch schon. Aber es war noch nie so, dass jemand spontan Fan war und nach einem Jahr gesagt hat: „Boah, ich hab‘ mich geirrt.“

Das ist doch angenehmer so, oder?

Es ist mir auf jeden Fall lieber so. Meine Bilder sind sehr still und sehr leise. Ich schätze auch Betrachter, die ähnlich damit umgehen.

Still und leise. Als ich vorhin hier hereinkam, hast du gerade laut Musik gehört. Was spielt Musik für eine Rolle in deinem Leben?

Das ist eine gute Frage. Es gibt für jede Lebenssituation immer wieder verschiedene Musik: um aufzuräumen, Bücher zu lesen, Bilder zu malen… Musik scheint einen Teil des Gehirns zu beschäftigen, der mit dem Malen nichts zu tun hat. Das ist wie eine Art Heizkörper im Kopf.

Heißt das, du magst Musik bei der Arbeit?

Ja, aber beim Fotografieren ist das leider nicht möglich. Es hört sich vielleicht absurd an, aber man sieht es auf den Bildern, wenn Musik läuft – am Ausdruck und an der Haltung der Porträtierten. Musik beim Malen hör ich ja, aber auf gar keinen Fall etwas Rhythmisches. Repetitives – das geht leider gar nicht. Ich stehe eher auf abstrakte Musik.

Du machst auch selbst Musik. Wie hängt das mit deiner Art Kunst zu machen zusammen?

Ja, ich mache Musik bzw. habe jemanden, der für mich die Musik als „alter Ego “ macht. So bekloppt bin ich aber nicht, dass ich das nicht unterscheiden kann. Ja, ich mache Musik. Ich mache das als Ausgleichssport. Das gefällt niemanden. Ich mach‘ das für mich, das muss auch niemandem gefallen.

Entsteht die Musik in Wechselwirkung zu Bildern?

Nein, leider nicht. Das hab ich noch nie versucht, mir aber vorgenommen für das nächste Jahr. Bislang waren das zwei getrennte Wege. Das Problem war eben bei der Frage nach dem Repetitiven oder Rhythmischen, das ich beim Malen nicht aushalten kann. Meine Musik ist rhythmisch und relativ simpel. Wenn ich diese Struktur aufbrechen kann, könnte ich es hinkriegen, das unter einen Hut zu bringen – aber nur als Experiment. Ich fange jetzt am Mittwoch damit an. Ich spiele einen kleinen Gig mit einem Musiker von den „Einstürzenden Neubauten“. Das wird collagenhaft, sehr elektronisch, mit schweren Schichten, Klangteppichen. Dauert nur eine Stunde, denn länger hält man das auch nicht aus.

(Wir laufen durch das geräumige Atelier. An der linken Wand steht ein hölzerner Betstuhl, daneben ein riesiger Kasten mit rotem Samt gepolstert.)

Das sind Teile des Sets, das ändert sich ständig. Der Betstuhl: hier lese ich viel. Das ist ein Papierschrank hier rechts. Hier liegt nur der Hund rum, den muss ich verpacken. Ist einer der ersten, die ich je gemalt habe. Momentan ist alles unterwegs, ich habe jetzt nichts Neues.

Dann fängst du also gerade wieder bei null an?

Ja, die neue Ausstellung wird in Berlin sein bei der Galerie EIGEN + ART. Da…dieses Bild kam jetzt zurück aus einem Lager. Da kommt ein neuer Rahmen drum und landet dann wahrscheinlich bei mir zu Hause. Mal schauen.

Aha, das ist also schon so, dass du deine Bilder noch zu Hause haben möchtest?

Nein, das ist das erste. Ich hatte noch nie ein Bild von mir zu Hause.

Ist es eins deiner Lieblingsbilder?

Nein, das hab ich mir einfach aus einer Ausstellung zurückbehalten.

Warum?

Weiß nicht so genau. Ich hatte das Gefühl, ich würde es gerne behalten. Das Bild ist irgendwie seltsam und es war noch nicht an der Zeit, dass ich es hergebe. Da wollte ich noch ein bisschen drüber nachdenken. Sonst gebe ich meist alles raus, dann ist es weg. Und bei diesem wollte ich es anders. Das Bild heißt „Nude declaring War“.

Was erscheint dir seltsam daran?

Die Situation, dass sie auf einem Feld steht. Ich weiß es nicht so genau. Schwer zu sagen. Ich denke meist nicht viel über meine Bilder nach. Beim Malen vielleicht, aber ich bewerte sie nicht. Man kann selten etwas herstellen und gleichzeitig bewerten, aber im Nachhinein kann man sich nochmal auf einen Stuhl setzen und drüber nachdenken. Ein Spielchen von mir. Das kann ich mir auch gut vorstellen jetzt im Herbst: so sitzen und nachdenken.

Wann hörst du auf, bei einem Bild weiter zu malen? Wann entscheidest du, dass es fertig ist?

Ich höre auf, wenn es so gut wie nötig ist – nicht mehr… Es muss immer eine Enttäuschung drin bleiben. Wenn man nah herantritt oder das so im Original sieht, muss man denken, es ist ganz anders als auf der Abbildung. Es darf nicht zu fleißig sein, es müssen noch viele, viele Fehler drin bleiben.

(Wir gehen weiter zu einem kleinen Katzenporträt.) Was ist denn da für ein Fehler drin?

Das ist die erste Katze, die ich vor 15 Jahren gemalt habe.

Selbst dort sind noch Fehler drin?

Ja, aber das ist schon ziemlich gut geworden.

Warum Katzen?

Schwierige Frage. Man muss sich beschränken auf ein paar Mittel, sonst geht man verloren im Wald. Bislang reichen mir die paar Motive, die ich habe, um meine Welt darzustellen so wie ich sie will. Ich bin nicht fixiert auf Katzen, überhaupt nicht.

Machst du auch Skizzen vorher, anatomische Studien?

Ja, sonst würde ich ja Fotos abmalen. Das gehört aber zum technischen Vokabular, von dem ich anfangs sprach. „Bezeichnen“ heißt „Begreifen“ hat mal jemand gesagt. Das stimmt auch.

Das ist dir bei deinen Studien gründlich vermittelt worden?

Nein, das hatte ich vorher schon. Ich konnte als Kind relativ gut zeichnen.

Hast du gezeichnet, wenn andere Kinder Fußball gespielt haben?

Ich hasse Fußball, habe ich noch nie im Leben gespielt! Ja, ich habe gezeichnet. Hier ist ein neues Bild – ein Anfang.

(Martin Eder zeigt auf eine großformatiges weißes Bild, auf dem bereits zwei Katzen fertig gemalte Köpfe haben. Alles andere ist mit Linien vorgezeichnet)

So viel habe ich mir für den Malbeginn gar nicht vorgestellt! Da sind ja schon konkrete Aufbauzeichnungen vorhanden. Eigentlich ist das Bild durchgeplant. Ich dachte, du fängst wieder bei null an?

Wenn ich sagte „Bei null anfangen“, meinte ich eher, sich selbst immer wieder neu zu erfinden. Wenn man glaubt, eine „Masche“ bei der letzten Ausstellung gefunden zu haben, könnte man sagen: au ja, das mache ich jetzt genauso weiter. Hier hab ich noch zehn übrig, die mache ich genauso… Hier aus der Schublade kommen zwei Katzen raus und noch etwas anderes. Das Bild heißt dann „Erinnerung“ wahrscheinlich. Man macht immer zuerst die Figuren, weil wenn diese dann total Kacke werden, kann man den Rest vom Bild auch sein lassen. Ein Fehler ist zum Beispiel, wenn man sich zuerst am Hintergrund aufgeilt und dann am Schluss die Figur verhaut. Dann ‚mimelt‘ man endlos an der Figur weiter, weil man denkt: jetzt hab‘ ich den Hintergrund schon so schön. Und das ist falsch. Wenn was nicht funktioniert, muss es weg.

Warum zuerst die Katzen und nicht die Frau?

Das war eine Bequemlichkeitsfrage. Ich konnte hier so schön sitzen und die Katzen in der richtigen Höhe malen vom Stuhl aus.

(Wir gehen zurück zum riesigen Arbeitstisch. Martin Eder bemerkt, dass es mal wieder an der Zeit sei auszumisten)

Das Atelier ist ein „begehbares Gehirn“ und wenn zu viel Zeug herumliegt, verzettelt man sich. Wenn du zwanzig aufgeschlagene Bücher hier liegen hast, brauchst du kein Bild mehr malen, dann geht der Tag auch so ganz gemütlich an dir vorbei.

Martin Eder – Einzelausstellung bei EIGEN + ART Berlin 27.03.2010 – 22.05.2010

Katalogpräsentation von Martin Eder – am Freitag, 30. April 2010, um 17 Uhr, findet die Katalogpräsentation des neuen Aquarellkatalogs von Martin Eder, der beim Prestel Verlag erscheint, in der Galerie EIGEN + ART Berlin statt, Auguststraße 26, 10117 Berlin

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