„Juwelengleich leuchtende Berghänge“ – Faszination der Wissenschaft

Ein leuchtender Berghang in der zentralen Oberpfalz führte mich auf der Fahrt von Prag nach Nürnberg am letzten Wochenende in die an diesem Abend, dieser Nacht der Öffentlichkeit zugänglichen Laboratorien der Hochschule Amberg-Weiden im Villenviertel Weiden-Ost. Die juwelengleich im bunten Scheinwerferlicht erstrahlenden Hochschulgebäude versprachen etwas Besonderes: Einblicke in die Arbeit der Hochschuleinrichtungen aus Anlaß des Beginns des Wintersemesters. Knapp dreitausend Studenten hat diese seit fünfzehn Jahren bestehende Hochschule, die in Weiden die Schwerpunkte Wirtschaftsingenieurwesen und Betriebswirtschaft anbietet. Die junge Hochschule ist nicht nur wegen des Scheinwerfer-Effektes offensichtlich ein Muster der herausragenden Angebote unserer Hochschulen. Im Labor für Fertigungstechnik wird z.B. gezeigt, wie die Vernetzung von Konstruktion und Fertigung computerunterstützt funktioniert: überdimensionierte Gummibärchen werden aus Aluminium an einer NC-Maschine gefräst; in einem Labor für Werkstofftechnik wird der Einsatz von Elektronenraster-Mikroskopen demonstriert – bei aller Schau ist das persönliche Gespräch trotz des Gedränges in den übervollen Räumen möglich. Die Ergebnisse der Aufnahmen von Wärmebildkameras werden im „Vorübergehen“ vermittelt; Wissen über Leichtbau und Brennstoffzellen in der Fahrzeugtechnik wird in praktisch-realer Form am konkreten Beispiel vermittelt. In der Logistik ist Radio-Frequency-Identification Wissensmodul der Stunde. Modernste Computertechnik ergänzt das Gesamtbild ebenso wie die kathedralengleich gestaltete Hochschulbibliothek, die aktuelle Literatur zur Finanzkrise ausgelegt hat. Betriebswirtschaft und Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren bedeutet heute also auch unbedingte Nähe zur Technik: jedenfalls haben die beiden Fakultäten der Hochschule Weiden die Gelegenheit genutzt, ihre diesbezügliche Kompetenz eindrucksvoll darzustellen. – Bayern und speziell die Oberpfalz haben es offensichtlich geschafft, Vorreiter der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung in Deutschland zu werden; Schulen und Hochschulen sind Spitze, wie PISA und Exzellenz-Wettbewerb der Hochschulen zeigen. Mit zehn Prozent Abstand liegt Bayern auch bei den Patentanmeldungen (ca. 7.000 Patentanmeldungen von in Deutschland insgesamt 29.000 kamen 2008 aus Bayern) aktuell vor dem sonst einsam an der Spitze liegenden Tüftler-Ländle Baden-Württemberg. Daß dahinter System „steckt“, ist durch einen Blick auf die Wirtschafts-Cluster-Politik der Oberpfalz erkennbar: in zehn Clustern formiert sich die Wirtschaft, meist mit mehreren Weltmarktführer-Ambitionen in den einzelnen Bereichen:

  • Automobilproduktion mit BMW, VDO, Webasto

  • Sensorik mit Siemens A&D und Medical Solutions, ZF Passau

  • Elektronische und elektrotechnische Komponenten mit Seitz, Vaillant, SAR-Electronic

  • Sondermaschinenbau mit BHS-Corrugated, Krones, Zippel

  • Glasindustrie mit Schott, Pilkington, Weinfurtner

  • Porzellanindustrie mit Arzberg, Seltmann, BHS-tabletop

  • Informationstechnologie mit Telekom, Rohde & Schwarz, Y-Solution

  • Kunststoffverarbeitung mit Rehau, Hueck Folien, Peguform

  • Bio-Technologie mit IRIS, Neuro-Profile, Hyglos

  • Logistik mit Amazon, TNT, Witron, Wolf

Dieser Wirtschaftsbackground strahlt natürlich auch auf die Hochschulen der Region aus. So ist es verständlich, daß die guten Beziehungen zwischen den im Hochschulförderverein vertretenen Firmen sicher auch mitverantwortlich für die hochmoderne Ausstattung der Hochschule Amberg-Weiden ist; die Mitglieder des Fördervereins waren bei der „langen Nacht“ an exponierter Stelle im Foyer anwesend, deutlich die enge Beziehung zwischen Wirtschaft und Hochschule der Region unterstreichend.

Wenn in der Finanzkrise nach der Manier der Oberpfalz clusterartig und in enger Kooperation auch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft gearbeitet wird, könnten wir es in Deutschland schaffen, diese Zeit der Wirtschafts-Havarie zu meistern. Daß Herr Rupprecht, der Vorsitzende des Bundestagsausschusses zur „Begleitung“ der Vergabe der 800 Milliarden EURO des aktuellen deutschen Konjunkturpaketes, sein Bundestagsmandat in Weiden in der Oberpfalz errungen hat, gibt mir ein gewisses Gefühl der Sicherheit. Aber dazu mußte ich – zugegeben – am letzten Wochenende Weiden life erlebt haben.

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