Journalismus und Demokratie: „Das Karnickel war schuld“

Im patentrecht kommt es vor, dass ein Konkurrent jahrelang gute Umsätze mit einem Produkt macht, auf das ein anderer einen Patentschutz angemeldet hat und daß dieser Patentinhaber erst nach Absturz des Produktumsatzes aus dem Cash-Cow-Niveau seine Ansprüche auf Lizenzzahlung geltend macht – was zur Pleite des nun gewesenen Vermarkters durch die Nachzahlung der Lizenzgebühren an den Patentinhaber führen kann.

Bei der Journalismus-Falle für den Vitamin B-Nutzer ist zwar die Häme der Öffentlichkeit für den Gestrauchelten sicher, aber die Journalismus-Schweinerei wird damit nicht besser. Im Falle Wulff wäre nach zu karten, welche „Verzögerungen“ die Journaille gemanagt hat, um eine möglichst „effektiven“ Nutzen aus der „Affäre“ zu ziehen. Ein Ministerpräsident, der sich über private Beziehungen eine Hausfinanzierung besorgt, ist vergleichsweise nur wenig spektakulär, gemessen an der Aufregung bei Involvierung eines Bundespräsidenten. Bekannt war alles ja schon lange vor der journalistischen Vermarktung.

Da nach der „Abdankung“ Wulffs das öffentliche Interesse zurückgeht, wird voraussichtlich auch der journalistische Vermarktungswert reduziert sein; Meldungen über Wulff „bringen“ dann kaum noch etwas, so dass auch Null-Ergebnisse der Staastanwaltschaft nur nachrangig von Interesse sind.

Vergleichsweise empörend ist jetzt auch das Vorgehen in der Berichterstattung über Putins Wahlerfolg: Bekannt war, dass Putin natürlich Werbung für seine Ambitionen um die Präsidentschaft machte – wieso berichtet jetzt erst alle Welt darüber, nachdem alles gelaufen ist? Warum haben die EU-Wahlbeobachter nicht vor der Wahl auf Definition und Einhaltung der von Ihnen verlangten demokratischen Regularien hingewiesen; öffentlichkeitswirksam, bitte schön! Nachher gilt immer: „das Karnickel war schuld“.

Wer moniert jetzt eigentlich, dass die „Wahl“ von Gauck nicht im eigentlichen Sinne demokratisch ist? Ein relevanter Kandidat, eine Schau-Zusatz-Kandidatin: ist das wirklich demokratische Konkurrenz? Man kann zwar dafür oder dagegen sein, aber wer will das verantworten, nach dem gelaufenen Dilemma? Hier bleibt ein gehöriges Stück weit die Demokratie auf der Strecke! – Was würden die europäischen Wahlbeobachter dazu sagen, wenn sie nach dem Putin-Ergebnis nun ähnliche Wahlorganisations-Strukturen in Deutschland bei der Gauck-Wahl beobachten müssten?

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