John Herdman prophezeit für die FIFA WM 2015: Kanada wird sich der Weltspitze annähern – 1:2 (0:1) Niederlage der roten Ahornblätter gegen die deutsche Frauen-Nationalmannschaft

Kanadas Head Coach John Herman © CSA

Der 38-jährige Engländer John Herdman, der zuvor die Neuseeländische Fußballnationalmannschaft der Frauen betreut hatte, gehört zu den großen anerkannten Motivatoren des internationalen Frauenfußballs.

Genau vier Teenager standen in Herdmans Startelf, darunter die erst 16-jährige Mittelfeldspielerin Jessie Fleming vom London NorWest SC aus Ontario. Noch vor einem Jahr während der deutschen EM-Vorbereitung hatten die jungen Talenten in der westfälischen Benteler Arena noch mehr Probleme gegen die Nummer 2 der Weltelite zu bestehen. "Knapp ein Jahre nach der Niederlage in Paderborn – war das 1:2 ein gutes Ergebnis. Ich bin voll zufrieden." Herdmans Strategie war es diesmal, ein frei fliessendes Kombinationsspiel zu zulassen als Kontrast zum "Kick and Rush" langer Bälle vergangener Tage. "Es hat eine Weile gedauert, bis die Spielerinnen die neue Spielanlage verstanden haben," erklärte John Herdman nach dem Spiel.

"Kanada hat sich für diese Weltmeisterschaft zwei Dinge vorgenommen – erstens den fußballerischen Nationalstolz zu stärken und zweitens die heranwachsende Trainer Generation und Spielerinnen im Jugendalter zu begeistern." – John Herdman

Die Abwehr mit Jessie Fleming und drei weiteren Verteidigerinnen der 17-jährigen Sura Yeka zusammen mit den beiden 18.Jährigen Kadeisha Buchanan und Rebecca Quinn bestand ihre Feuertaufe. "Die nächsten Länderspiele werden uns zeigen wie klein die Lücke werden wird. Das sich die Mannschaft verbessert hat, dass ist jetzt schon sicher. Wir produzierten spielerisch mehr Querpässe und Spielabschlüsse als je zuvor."  Allerdings wurde das Spiel mit dem Fehler einer dieser Jugendlichen entschieden. Ein platzierter Elfmeterschuss von Simone Laudehr in der 65. Minute mit dem alles entscheidenden Siegtor war die Folge. Deutschlands Sturmass Lena Lotzen war zuvor durch 18-jährige kanadische Verteidigerin Kadeisha Buchanan, die in den USA bei Ottawa Fury FC unter Vertrag steht, im Strafraum zu Fall gebracht worden. Der Ottawa Fury FC  sind ein 2011 gegründetes kanadisches Fußball-Franchise aus Ottawa, dass ab der Saison 2014 in der North American Soccer League (NWSL) mit respektablen US-Clubs den Spielbetrieb aufnahm.

"Man hat es mit einer ganz anderen Art von Spielerinnen zu tun," sagte Herdman über die deutschen Angriff, "man hat es nicht nur mit einzelnen Spielerin zu tun, sondern mit drei, vier Spielerinnen, die ein und denselben Gedankengang haben."

In der ersten Halbzeit übernahm relativ schnell nach einer frühen kanadischen Großchance durch Superstar Christine Sinclair (12.), die völlig frei vor Torfrau Nadine Angerer zum Schuss kam, die deutsche Nationalmannschaft beherzt die Initiative. Schon Minuten später passierte auf der Gegenseite ein frecher Heber von Alexandra Popp, die erkannt hatte, dass Kanadas Torfrau Karina LeBlanc zu weit vor ihrem Kasten stand. Der Schuss landete, atemberaubend für die 15.618 Zuschauer im BC Place Stadium, an der Querlatte (18.). Wenig später lief  Sturmspitze Anja Mittag allein auf das Tor der Gastgeberinnen zu, konnte den Ball aber nicht an Torfrau LeBlanc vorbeilegen (24.). Le Blanc reagierte reflexartig mit einer tollen Fußabwehr. Besser als die schwedische Ligaspielerin machte es Münchnerin Lena Lotzen nach einer Flanke der Frankfurterin Simone Laudehr und einer Kopfballverlängerung von Mittag, als sie den Ball zur deutschen Führung einschob (29.). Die Frankfurterin Bianca Schmidt hätte nur eine Minute später sogar erhöhen können.

"Die Deutschen sind so organisiert, als würden sie dich scheinbar für jeden Fehler bestrafen. Wir wurden heute abend leider oft bestraft,"  meinte die kanadische Kapitänin Christine Sinclair.

Die verdiente deutsche Führung kam nach der Pause überraschend durch Sophie Schmidt ins Wanken. Mit einer bizarr wirkenden Bogenlampe, die sich am Tor hinter Torhüterin Nadine Angerer plötzlich senkte, wachten die kanadischen Zuschauer durch ihre eigenen Bravorufe auf. Die Münchner Stürmerin Lena Lotzen hatte für Deutschland das erste Tor geschossen, während die deutschstämmige Sophie Schmidt mit einem 1:1 für Kanada antwortete. Schmidts Großeltern stammen aus Paraguay, ihre deutschen Vorfahren steigerten das Interesse der Enkelin für ein Germanistik Studium. Sophie Schmidt spielt für den NWSL-Club Sky Blue FC in New York genauso wie für die Kanadische Nationalmannschaft stets im Mittelfeld. Die beiden Kanadierinnen Karina LeBlanc und Erin McLeod teilten sich pro Halbzeit die Torhüter-Aufgaben. Beide Schlussfrauen lieferten einige Momente von höchster Qualität. McLeod wurde gleich zu Beginn der zweiten Hälfte auf äußerste geprüft.

"The future’s bright. – die Zukunft sieht vielversprechend aus." – John Herdman

Beide Torfrauen sind Garanten dafür, dass die sehr junge Abwehr dirigiert werden kann. Sie zeigten die Führungsqualitäten, die wichtig sind, um junge Spielerinnen zu motivieren. Im zweiten Spielabschnitt legte Deutschland mit Torchancen munter nach. So scheiterte Mittag erneut völlig frei vor dem kanadischen Tor, das nun von Erin McLeod bewacht wurde (49.). Nur vier Minuten später kam Kanada dann allerdings zum Ausgleich. als Sophie Schmidt die verdutzte Angerer mit einem Heber aus dem Strafraumzentrum überraschte (53.). Den Siegtreffer für Deutschland erzielte Simone Laudehr (65.) per Foulelfmeter. Nach einem Foul der kanadischen Nachwuchshoffnung Kadeisha Buchanan an Lotzen entschied US-Schiedsrichterin Margaret Domka vollkommen korrekt auf Strafstoß. Die DFB-Auswahl baute ihre Gesamtbilanz gegen Kanada damit auf zwölf Siege im zwölften Spiel aus. Zur Spielentscheidung erklärte John Herdman: "Meine Spielerinnen werden daraus lernen. Wenn das der einzige Fehler ist, lässt sich dieser schnell herausbügeln. Diese Fehler werden nicht mehr so oft passieren."

"Es war ein Lernerfahrung für meine jungen Spielerinnen. Wenn dies das größte Problem war, denke ich, das dieses Problem ziemlich schnell bereinigt werden kann."- John Herdman

Die amtierenden Europameisterinnen aus Deutschland bestimmten klar die Partie. Von den befürchteten Motivationsproblemen, rund zwei Wochen nach dem Ende der Bundesligasaison, war nichts zu spüren. Doch statt eines deutlichen Sieges, reichte es nur zu einem knappen 2:1 Sieg. Deutschlands beliebteste Fußballerin Nadine Keßler erklärte nach dem Spiel: "Wir haben ein sehr gutes Spiel gezeigt, letzlich war nur die Chancenauswertung nicht so gut. Daran müssen wir arbeiten, aber im Großen und Ganzen war das vor allem taktisch gegen Kanada eine sehr solide Mannschaftsleistung und im Hinblick auf die WM ein wichtiger Test." Die bei den Portland Thorns mit Christine Sinclair spielende Torfrau Nadine Angerer monierte ebenso die Chancenverwertung: "Wir haben die erste Halbzeit klar dominiert, in der zweiten Halbzeit phasenweise richtig gut gespielt, das Manko war nur die Chancenverwertung, wir hätten noch höher gewinnen können."

"Ich bin stolz auf meine Mannschaft, die eine Energieleistung am Ende der Saison gezeigt hat. Das ist nicht selbstverständlich und zeigt den Charakter dieser Mannschaft." – Silvia Neid

Nach dem 2:1 im Testlauf auf die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Kanada gegen den Gastgeber herrschte bei Bundestrainerin Silvia Neid und ihren Spielerinnen Zufriedenheit. "Wir haben gut organisiert gespielt, mit einem guten Pressing gegen den Ball und uns viele Torchancen erarbeitet," erklärte die Bundestrainerin. Die DFB-Frauen gewannen dank einer couragierten und spielfreudigen Leistung hochverdient gegen den WM-Gastgeber 2015. Die zahlreichen deutschen Großchancen wurden fahrlässig vertan und meist von den hervorragenden Torhüterinnen der Kanadierinnen vereitelt. Verteidigerin Rhian Wilkinson erklärte: "Es waren kleine Fehler, aber sie waren entscheidend. Die Weltmeisterschaft steht vor der Tür. Wir haben unsere Rückpässe zu verbessern. Ich bin froh, dass wir diese Fehler jetzt gemacht haben. Nun haben wir die notwendige Zeit, um die Fehler zu beheben." Es ergab sich bis zum Schlusspfiff eine nur knappe deutsche Führung, zumal die agile Wolfsburgerin Alexandra Popp in der Schlussminute noch einmal völlig frei an McLeod scheiterte. Kanada war der erwartet schwere und athletische Gegner.

Die deutsche Defensive stand fest gefügt, im Mittelfeld gab es deutlich viele Balleroberungen, nur das Wichtigste fehlte: der berühmte Killerinstinkt zum elementaren Toremachen.

So spielten sie im BC Place Stadium in Vancouver:

Kanada – Deutschland 1:2 (0:1)

Kanada: LeBlanc (46. McLeod) – Wilkinson, Buchanan, Quinn (61. Zurrer), Yekka -Matheson, Fleming (71. Lawrence), Kyle (61. Scott), Belanger (56. Filigno) – Sinclair, Schmidt (80. Leon)

Deutschland:
Angerer – B. Schmidt, Krahn, Wensing (67. Goeßling), Cramer (46. Hendrich) – Keßler, Marozsan – Lotzen, Mittag (67. Faißt), Laudehr (85. Behringer) – Popp

Tore: 0:1 Lotzen (29.), 1:1 Schmidt (53.), 1:2 Laudehr (65. Foulelfmeter)

Schiedsrichterin: Margaret Domka (USA)
Gelbe Karten: Zurrer
Zuschauer: 15 618

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