
Berlin, BRD (Weltexpress). Das gesellschaftliche Zentrum des politischen Lebens war für Ausländer, sofern sie nicht hochrangige Staatsgäste waren, das Hotel „Thonh Nhat“ (Einheit), das von den Franzosen erbaute frühere „Metropol“. Hier logierten, Journalisten und Schriftsteller, Schauspieler, Künstler, Wissenschaftler und andere Delegationen, die gefragte Gesprächspartner waren. Man interessierte sich für ihre Haltung zur Lage in Vietnam, wollte ihre Eindrücke kennen lernen, ob ihre Meinung von Gewicht bei sich zu Hause war und hatte alle möglichen Fragen. Es würde eine lange Liste werden, die Vielzahl der Begegnungen, die wir im Verlauf unseres über dreijährigen Aufenthalts im „Thonh Nhat“ hatten, aufzuzählen.
Auf einem Empfang hatten im Herbst 1968 ein bewegendes Erlebnis mit Jassir Arafat. Als während der Vorstellung der anwesenden Diplomaten und Journalisten die Reihe an uns kam, erhoben wir unsere Gläser und sagten „Fi Sichatak“, „zum Wohl, auf Deine Gesundheit“. Es waren die einzigen arabischen Wörter, die wir von gelegentlichen Besuchen in der ägyptischen Botschaft kannten. Arafat glaubte, wir sprächen Arabisch. Er war derart gerührt, dass er uns herzlich umarmte und mit einem Wortschwall in seiner Landessprache antwortete. Wir mussten nun – in Französisch – Farbe bekennen, was jedoch der freundschaftlichen Begegnung keinen Abbruch tat, zumal wir auf seine Frage nach der Kenntnis arabischer Länder sagen konnten, dass wir auf dem Flug nach Hanoi gerade in Kairo Station gemacht und im Nildelta die Trümmer einer abgeschossenen israelischen „Mirage“ besichtigt hatten. Der vietnamesische Protokollchef hatte Mühe, den Palästinenser-Präsidenten zum Weitergehen zu bewegen. Wir lernten Arafat als einen Menschen kennen, der menschliche Wärme ausstrahlte, mit Leidenschaft und Überzeugung die Sache seines leidgeprüften Volkes vertrat.
Im „Thonh Nhat“ trafen wir Madeleine Riffaud, von der unter anderem das packende Buch „Ecrit sous le Bombes“ (Geschrieben unter Bomben) stammte, das 1968 in der DDR unter dem Titel „Unsichtbare Brücken“ vom Verlag „Neues Leben“ herausgegeben wurde. Die leidenschaftliche und mutige Publizistin hatte als Studentin der französischen Widerstandsbewegung angehört, war 1944 verhaftet und zum Tode verurteilt, während des Aufstandes in Paris befreit worden. 1965 hatte sie als Kriegsberichterstatterin an zahlreichen Kämpfen der FNL in Südvietnam teil genommen und darüber berichtet.
Joris Ivens und seine Frau gehörten dazu. Die berühmten niederländischen Dokumentarfilmer waren bekannt durch ihre Filme über den spanischen Widerstand gegen Franco und seine deutschen Helfershelfer. 1967 erschien von ihnen „Der 17. Breitengrad“. Wir lernten Peter Weiss kennen, den schwedisch-deutschen Schriftsteller, der als Mitglied des Russel-Tribunals dazu beitrug, die barbarischen Verbrechen der USA in Vietnam zu enthüllen. Nach dieser Reise veröffentlichte er „Notizen zum kulturellen Leben der DRV (Suhrkamp 1968) und mit seiner Frau Gunilla Palmstierna-Weiss im selben Jahr den aufrüttellnden „Bericht über die Angriffe der US-Luftwaffe und -Marine gegen die DRV“ (Edition Voltaire).
Wir trafen Jean und Kurt Stern aus der DDR, bekannt durch ihren antifaschistischen Widerstand in Spanien, Frankreich und Mexiko, die nach ihrer Reise durch Nordvietnam „Reisfelder, Schlachtfelder“ schrieben. Mitte März 1970 weilte Rolf Priemer, damals SDAJ-Vorsitzender, mit einer Delegation des Verbandes in der DRV. Sie war vom Vietnamesischen Jugendverband eingeladen worden und reiste zwei Wochen lang durch das Land. Die SDAJ hatte einige Monate vorher eine eigene Spende, einen Sanitätsbus, nach Hanoi geschickt. Die DKP und die SDAJ waren aktiv in der Protest- und Solidaritätsbewegung Westdeutschlands vertreten. Rolf Priemer arbeitete im Exekutivausschuss der „Initiative Internationale Vietnam-Solidarität“, welche die Aktivitäten koordinierte, mit. Deren Hilfe belief sich zu dieser Zeit bereits auf mehrere Millionen DM. Für den Bau eines Krankenhauses mit 250 Betten, der gerade beendet worden war, hatte die IIVS mit der Caritas zwei Millionen DM aufgebracht. Rolli, wie er untere Freunden genannt wurde, war von 1996 bis 2008 stellvertretender Vorsitzender der DKP und von 1996 bis zu seinem Tod 2017 Chefredakteur der Parteizeitung „Unsere Zeit“ (UZ).
Anmerkung:
Siehe die Beiträge
- Vor 50 Jahren – Vietnams Sieg über die USA von Gerhard Feldbauer
- Wie der Luftkrieg gegen Nordvietnam mit einer Niederlage endete – Erinnerungen an den Kampf Vietnams gegen die USA, der mit dem Sieg im April 1975 endete von Gerhard Feldbauer
- In Vietnam vor 50 Jahren – Die Niederlage der USA in Vietnam war auch eine der BRD von Gerhard Feldbauer
im WELTEXPRESS.
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