Jamaika Tropical: Reggae, Rasta, Rum

Touristen können dem Flößer ein Stück Wildnis auf dem Floß erkunden.

Der Fahrer von Bus 173 in Hamburg erkennt mich wieder. „Sie waren doch letztes Jahr im selben Hotel in Kenia wie ich!“ Den nächsten Urlaub will er auf Jamaika verbringen. Auf der Insel in der Karibik, die uns den Rum und den Reggae brachte. Mir dank Harry Belafonte seit meiner Kindheit als „Island in the Sun“ bekannt. Was mein Busfahrer kann, kann ich auch, denke ich”¦

Gerade habe ich mich zu einem Flug entschlossen, da fällt mir ein alter Horrorbericht des Stern in die Hände. Frauen werden vergewaltigt, Männer niedergeschlagen, wenn nicht gar ermordet. Hm, aber das war vor zig Jahren. Ob ich heute noch Angst haben muss? Ich sage die Reise nicht ab. Ich tue gut daran, denn ich erlebe drei Wochen Traumurlaub.

Die eineinhalb Stunden vom Flughafen über Serpentinen bis an den zwölf Kilometer langen Sandstrand von Negril verfliegen in rasender Fahrt – trotz Beachtung der Schlaglöcher, der Ziegen, Kühe und Hühner auf der Landstraße.

Negril hat den wohl schönsten Strand der Insel und trotz der Hotels noch Strandeinsamkeit. Die Touristen tummeln sich in und vor den Hotels, zumeist Amerikaner, die ihren Geburtstag oder Honeymoon feiern, und unternehmungslustige junge Leute, die auf „action“ aus sind. Wer sich nicht jung genug fühlt oder keinen Spaß an schwarzen Kontakten hat, sollte die Insel meiden.

Doch sollte man nicht nur am Strand faulenzen. Es lohnt, die Reize dieser karibischen Insel zu Fuß, mit Floß, Flugzeug oder Leihwagen zu erkunden. Aber Achtung: Linksverkehr. Wer sich allerdings ein bisschen intensiver umsieht, wird merken, dass hinter der Traumfassade viel Elend und Leid zu finden ist. Wachsende Kriminalität macht nicht nur den Reiseveranstaltern Kopfzerbrechen. So empfehlen sie etwa, nicht in die Altstadt von Kingston, der Hauptstadt, ohne Begleitung zu gehen. Die Traum-Idylle hat also auch ihre Schattenseiten, von der jedoch die wenigsten Touristen etwas mitbekommen.

Im Coconut Cove wird der Luxus gepflegt. Das fängt schon beim Frühstück an. Ein Überangebot von Früchten wie Mango, Ananas, Paw Paw, Papaya und und und verlockt zum Schlemmen. Dann werden Eierspeisen gereicht. Zudem verwöhnt verschwenderischer Hibiskus-Blütenschmuck auf den Frühstückstischen direkt am Sandstrand den Gast. Und ein alter Rastamann spielt Reggae-Klänge und singt dazu. Aber er wird vom Hotelpersonal immer wieder verscheucht, obwohl die Leute ihn mögen und ihm immer wieder ein paar Dollar zustecken.

Zu den Hauptmahlzeiten gibt’s lobster, also Hummer, satt, man lernt aber auch acki, die Nationalfrucht kennen, die man bevorzugt zu Fisch isst. Zum Dinner wartet eine Live-Band mit Kaffeehausmusik im Reggae-Stil auf. Zu jedem Essen gehört Eiswasser in Riesengläsern – gratis. Nur gut, dass auf der ganzen Insel das Leitungswasser trinkbar ist. „Xamayca" ist der Name, den die ersten Jamaikaner, die Tainos, diesem Land gaben. Es bedeutet „Land aus Wald und Wasser", und das aus gutem Grund: Jamaika hat Hunderte von Quellen und Flüssen, sowohl ober- als auch unterirdisch.

Die meisten Hotels bieten all inclusive und Animation den lieben langen Tag. Das heißt, Langeweile kennt man nicht. Selbst 1.000-Betten-Hotels sind immer ausgebucht, voller Amerikaner, die unterhalten sein wollen. Sie kommunizieren schnell und gern, aber sie sprechen nur Englisch. Ein Handicap für jene, die nur Deutsch können. Also vor der Reise mindestens das Schulenglisch aufbessern, denn auch die Sprache der Jamaikaner ist Englisch und was für ein abenteuerliches.

Die Disco ist bis früh um fünf zugange. Gleich nach dem Abendessen gibt`s Livemusik. Dazu diverse einheimische Sänger, die nicht versäumen, im Chor mit den Touristen „Mathilda“ zu singen und „Mr. Tallyman“ und ähnliche karibische Reggae-Schnulzen. Höhepunkte der abendlichen Shows sind der Crabman, ein dünnbeiniger Mann, der auch „ohne Füße“ laufen kann und dabei wie eine Krabbe, ein Krebs, aussieht. Echte Steelbands, echte Rastafarians an Percussion-Instrumenten, ein schwarzer Schöner, eher wie eine schwarze Diva aussehend, der „Delilah“ für gays singt. Der Liebling des Publikums legt zuerst einen Bamboo-dance, einen Bambus-Tanz, und dann einen gekonnten Limbo aufs Parkett. Einmal pro Woche sollen alle Gäste zur Nachthemden-Party kommen, das heißt mit Betttüchern „verkleidet“. Dabei konkurrieren die gays aus den USA, der Schweiz und Deutschland miteinander und – gewinnen den ersten Preis, obwohl sich die Frauen sehr attraktiv zurechtgemacht haben. Aber das Publikum entscheidet”¦

Am Strand grüßen die Einheimischen mit Hi und bieten gleich Ganja oder Herb an, aber auch Coke, also Kokain. Es scheint so, als ob die Amerikaner oft nur wegen des Marihuana hierherkommen, denn die Verkäufer, oft Rastas, machen gute Geschäfte. Wer das Zeugs ablehnt, dem wollen sie Black Corals, Kettchen-Anhänger aus schwarzer Koralle aufschwatzen. Sie fahren in Einbäumen und erreichen so jede verschwiegene Bucht, wo sich die Nackten tummeln. Hier heißt der Strand Cloth Optional Beach, was soviel bedeutet wie: jeder nach seinem Gusto, angezogen, oben ohne oder ganz nackt. Die Touristen machen es vor, die Jamaikaner, 95 Prozent der Einwohner sind schwarz, ziehen nach und lassen ihre Hüllen fallen. Und jedes Mal geht ein Geraune durch die kleine Gemeinschaft der Nudisten: auch in hängendem Zustand schon so ansehnlich.

So kommt man dann gleich ins Gespräch mit dem Bäcker aus Ocho Rios, dem Apotheker aus Kingston und dem Bankangestellten aus Negril. Den Ort, der dem schönsten Strand der Insel seinen Namen gab, gibt es tatsächlich.

Die Einladung zu einem Drink an der Bar folgt. Der Rumpunch hat`s in sich. Die Atmosphäre lockert sich, das Hotelzimmer mit Dusche lockt auch, und die big bamboos, auf die die Jamaikaner so stolz sind, sind, man muss es neidvoll anerkennen, ein stolzer Besitz. Tarzan ist einer von denen, die sich gern nackt zeigen. Er bringt den Gast auf Wunsch und gegen Gebühr mit seinem Einbaum zum Robinson-Eiland. Er liebt es, splitternackt und ohne Maske zu tauchen und holt gern den einen oder anderen Seefarn aus der Tiefe als Souvenir zum Mitnehmen. Auch sein bamboo kann sich sehen lassen.

Wer einen eindrucksvollen Blick auf die Insel haben will, fliegt mit l0- oder l6-Sitzern nicht allzu hoch und bei gutem Wetter sehr ruhig. Ob man eine Floßfahrt auf dem Martha Brae-River unternimmt, in Badekleidung die atemberaubenden Wasserfälle des Dunn River bei Ocho Rios erklettert, das Haus von Harry Belafonte aufsucht, in dem er seine Jugend verbrachte, oder gar die Krokodilsfarm in Falmouth, dem Handlungsort für die Krokodil-Szene in James Bond „Leben und sterben lassen“, ein bisschen sollte man sich auf der ll.000 Quadratkilometer großen, der drittgrößten der Antilleninseln mit 2,8 Millionen Einwohnern, auf jeden Fall umschauen. Ihre Naturschönheiten, die reiche tropische Vegetation lassen sich aber auch zu Fuß erkunden. Zum Ort Negril kann man am Strand entlang laufen – der Weg ist als Jogging Trail gekennzeichnet, bei der Hitze aber nur Jogger-Fanatikern zu empfehlen – oder in den Minibussen gegen eine kleine Gebühr. Diese Busse, auch von den Einheimischen benutzt, kommen ständig vorbei und halten auf Handzeichen an. Und wenn es trotz Trockenzeit mal aus Eimern gießt, nicht wegrennen, der Regen ist angenehm warm, und die Sonne trocknet schnell.

Info:

Reisebranchenprimus TUI z.B. bietet Vier-Sterne-Hotels der Marke Riu sowie All-Inclusive-Verpflegung. Das ClubHotel Riu Negril liegt direkt am Strand. Eine Woche im Vier-Sterne-Clubhotel Riz Ocho Rios kostet mit Flug und All Inclusive ab 1.415 Euro pro Person im Doppelzimmer.

Website auch auf Deutsch: www.visitjamaica.com/german

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